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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
45 |
St. Michael, Fk. Hl. Michael |
1420 |
Wappengrabplatte des Leutold Wolfenreuter, roter Marmor, in der Turmhalle an der Südwand. Unter vierzeiliger Inschrift Vollwappen mit zwei Helmen in leicht vertieftem Maßwerkfeld mit Hohlkehle. Platte im oberen Drittel schräglinks gesprungen, Oberflächenbeschädigungen besonders im Bereich der Helmdecke des (heraldisch) rechten Helms.
H. 225 cm, B. 114 cm, Bu. 8 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.
Textedition
Anno · d(omi)ni · Mo · cccco · xxoa) · am · Frei/tagb) · nach · Ostern · ist ·
gestorben / lewtold · d͜er · Frumc) · wolfenreu/ter · vnd · leit · hye · begrabend) ·
Anmerkungen
Datum: 1420 April 12.
Wappen: Wolfenreuter1).
Kommentar
Leutold, ein Sohn des Konrad Wolfenreuter, hielt sich offenbar wie andere Angehörige seiner seit dem späten 13. Jahrhundert urkundlich gut dokumentierten niederadeligen Familie (nach dem Stammsitz Wolfenreith) im Umfeld der Maissauer auf (vgl. auch den charakteristischen kuenringisch-/maissauischen Leitnamen Leutold) und war dementsprechend 1376/77 und 1403 Burggraf und Richter von Spitz und Dürnstein und Richter der Wachau sowie 1395 Pfleger von Hartenstein2). 1379 hatte er zusammen mit seinem Bruder Wilhelm dem Kloster Göttweig eine Sägemühle in Spielleiten um 31 lb. den. verkauft, im Folgejahr hatte er den festen Sitz in Himberg samt geringem Zubehör als Lehen des Rüdiger von Starhemberg inne3). 1389 hatte er sich vor einem Schiedsgericht unter Friedrich Thumeritzer und mehreren Lehensleuten des Hans Streun von Schwarzenau als Umstand wegen des von ihm den Streun entfremdeten Walds in Erdberg bei Walterskirchen zu verantworten, das in Abwesenheit des Beklagten gegen ihn entschied4). 1391 verkaufte er 9 ß 15 den. Gülten auf behaustem Gut in Spitz, ein Lehen des Jans (Hans) von Maissau, um 18 lb. den. an seinen Lehensherrn5).
Aus Leutolds erster Ehe stammte ein Sohn Albrecht, 1427/29 NÖ Landuntermarschall, 1429/32 Salzburger Hofmeister in (Hof-)Arnsdorf und 1433 Inhaber von Emmerberg, in zweiter Ehe war Leutold mit Dorothea, Tochter des Feldrichters innerhalb des Kamp, Ruprecht Gerersdorfer (Gedersdorfer), verheiratet6).
Ein vermutlich aus dieser zweiten Ehe stammender Sohn Leutolds, Jörg Wolfenreuter, Hauptmann von Krems, nahm 1446 alle Passauer Zehenten in den meisten Orten der Wachau und im Kamptal gegen 100 lb. den. auf fünf Jahre in Bestand7). 1457 und 1464 bevogtete er den Göttweiger Besitz in Hinterberg bei Ranna8). Sein Bruder Wolfgang Wolfenreuter, Kämmerer und seit spätestens 1444 auch Rat König Friedrichs III., hielt sich 1443 zusammen mit Jörg von Volkersdorf und Jörg Maroltinger im Rahmen einer Gesandtschaft Friedrichs am Hof Renés von Anjou in Saumur auf, wo den drei Gästen das Recht zum Tragen und zur Weiterverleihung der Insignien eines ungenannten Ritterordens erteilt wurde9).
Die Pfarrkirche St. Michael scheint die alte Familiengrablege der Wolfenreuter gewesen zu sein. Schon 1335 hatten die Brüder Rudolf und Ulrich Wolfenreuter zwei Jahrtage in St. Michael gestiftet10). Das Geschlecht starb mit dem kaiserlichen Rat Georg Wolfenreuter zu Emmerberg, Sohn des Hauptmanns von Wiener Neustadt und NÖ Landuntermarschall (1514) Wilhelm Wolfenreuter, 1549 aus11).
Im Vergleich zu den übrigen Grabplatten des Bearbeitungsgebiets aus dem ersten Jahrhundertviertel und noch der Jahrhundertmitte, zeigt der vorliegende Stein sehr früh zeilenweise Beschriftung und deutschsprachiges Formular. Ebenfalls zeittypisch ist die an sich ungewöhnliche Beigabe eines zusätzlichen individuell charakterisierenden Epithetons (Frum) zum Namen des Verstorbenen12).
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems St. Michael, Fk. Hl. Michael • Wappengrabplatte • roter Marmor • Gotische Minuskel mit Versalien • Inschriften des Totengedenkens •
Floyt, Niklas •
Gedersdorfer, Anna, Dorothea, Hans, Ruprecht •
Kuenring, Leutold III. •
Maissau, Jans •
Maroltinger, Jörg •
Matschauer, Martin •
Neidegg, Hans I. •
Plächler, Ludlein •
René I. von Anjou •
Starhemberg, Hans •
Starhemberg, Rüdiger •
Streun von Schwarzenau, Hans •
Thumeritzer, Friedrich •
Volkersdorf, Jörg •
Wolfenreuter, Adolf, Albrecht, Georg, Jörg, Konrad, Leutold, Rudolf, Ulrich, Wilhelm, Wolfgang, Wolfstein, Gilg, Otakar d. Ä., Otakar d. J. •
Dürnstein •
Egelsee •
Emmerberg •
Erdberg •
Gedersdorf •
Gneixendorf •
Gobelsburg •
Grafenwörth •
Habruck •
Haindorf •
Hartenstein •
Himberg •
Hinterberg •
Langenlois •
Mittelberg •
Mollands •
Mühldorf •
Olmütz •
Rohrendorf •
Saumur •
Schiltern •
Schwarzenau •
Seeb •
Spielleiten •
Spitz •
St. Florian, Augustiner-Chorherrenkloster •
Steinakirchen a. Forst •
Straß i. Straßertale •
Weinzierl a. Walde •
Wolfenreith •
Zedorf •
Zeiselberg
Abbildungen
Abb. 32: Grabplatte des Leutold Wolfenreuter (1420) ©
ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)
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