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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
49 |
Schwallenbach, Fk. Hl. Sigismund |
1425 |
Fragment der Wappengrabplatte des Seifried Ritzendorfer, roter Marmor, noch 1962 im Boden der Kirche, mit der linken Kante unter dem Kanzelfuß und von Kirchenbänken teilweise verdeckt, heute vermutlich noch in situ, jedoch vollständig unter Holzpodest verborgen. Die zwischen zwei begrenzenden Linien angeordnete Umschrift rahmt ein Feld mit zwei aneinandergeschobenen Vollwappen (Eheallianzwappen) in der oberen Hälfte, die untere Hälfte wird durch sechs waagrecht verlaufende Linien in sechs gleichgroße leere Zeilen gegliedert. Das obere Viertel des Steins schräglinks weggebrochen, dadurch Verlust des ersten und von Teilen des zweiten und vierten Schriftbands sowie großer Teile des Oberwappens, von dem nur noch der Rest der Helmdecke am linken Rand des Felds sichtbar ist. Hornung konnte offenbar 1962 am Stein in situ noch das erste Schriftband teilweise lesen.
H. 235 cm, B. 120 cm, Bu. 9 cm. – Gotische Minuskel mit Versal.
Abmessungen nach ÖAW, NLH, 23. 8. 1962, Textwiedergabe nach Aufnahme BDA N 16844, Ergänzung nach DASP, Nachlässe 5, Heft H, fol. 59r.
Textedition
[Anno d(omi)ni mccccxxv / nono die]a) mensis · Junij · obiit · nobilis · / vir ·
seifridus · rice(n)/dorff(er) · fu(n)dator · h(u)i(us) · cap͜pelle hicb) [sepultus]c)
Anmerkungen
Datum: 1425 Juni 9 (?).
Wappen: Ritzendorfer1); Schwallenbacher2).
Kommentar
Seifried Ritzendorfer stammte aus einem im späten 13. und 14. Jahrhundert offenbar im östlichen Niederösterreich begüterten niederadeligen Geschlecht (ursprgl. wohl nach *Ritzendorf ). Durch seine um 1400 eingegangene erste Ehe mit Anna, Tochter des einer niederadeligen, im 14. Jahrhundert im Umfeld der Kuenringer und später der Maissauer auftretenden Familie angehörenden Peter Schwallenbacher3), wurde er Inhaber von Schwallenbach und Bestandinhaber der herzoglich-bayerischen Eigen in Schwallenbach und Umgebung, die Christoph von Ratbach 1416 um 1676 lb. den. von ihm ablöste4). 1407 wurde Seifried Ritzendorfer mit dem landesfürstlichen Lehen eines früher von Konrad Voit besessenen Hofs in Stetten belehnt5), von wenigstens 1406 bis 1416 fungierte er als Kämmerer Herzog Albrechts V.6). 1420 erhielt er von Papst Martin V. die Erlaubnis zur Dotierung der von ihm mit Zustimmung des Abtes von Niederalteich auch als Grablege auf Eigengrund erbauten Kapelle Hl. Sigismund samt Friedhof in Schwallenbach, deren Patronatsrecht ihm als Stifter zukam. Zum Unterhalt eines dem Pfarrer von Spitz unterstehenden ständigen Kaplans an der neuen Kirche und als Widerlegung stiftete er im Folgejahr zusammen mit seiner Frau Anna 17 lb. den. Gülten an die Pfarre Spitz7). Die heutige Filialkirche erhielt (nach einem angeblichen Großbrand von Schwallenbach 1463?) offenbar nach Plänen von Laurenz Spenning eine neue Wölbung und neue Maßwerkfenster, entspricht aber sonst dem Ursprungsbau des ersten Jahrhundertviertels8). Zur Erstausstattung der Kirche hatte auch eine Glocke von 1424 gehört (s. Kat.-Nr. 48†).
Aus Seifrieds erster Ehe stammten ein Sohn Paul9) und sieben Töchter, von denen Ursula offenbar seit spätestens 1431 in erster Ehe mit Hans Harasser verheiratet gewesen war und vor 1434 in zweiter Ehe Hans Palterndorfer, vor 1453 in dritter Ehe Sigmund Stockhorner ehelichte10), Margarete die erste Frau des Jörg Hager wurde, Magdalena mit Hans Dörr (Derr) vermählt war, Beatrix zwischen 1434 und 1437 Erhard Kelberharder, Elisabeth zwischen 1435 und 1437 Martin von Eitzing und Agatha zwischen 1437 und 1440 Hans Dachpeck (auch: Dachsen- bzw. Dechsenpeck, Dachsner) heiratete11). In zweiter Ehe war Seifried mit N. Riedenthaler, Witwe nach N. Grasser, verheiratet12), die nach Seifrieds Tod offenbar vor 1428 zum dritten Mal heiratete, wodurch ihr Mann, Niklas (II.) Truchseß von Drasenhofen-Staatz, Inhaber eines Hofs in Gießhübl a. Jauerling, eines herzoglich bayerischen Lehens, wurde und von seinem Stiefsohn Paul und dessen Schwager Jörg Hager 1442 deren bayerische Lehen, den Besitz in Schwallenbach und Willendorf sowie Gülten in Maria Laach kaufte13). Jörg Hager, der zusammen mit seiner Frau Margarete 1435 das feste Haus Reikersdorf (?) von seinem Schwager und den Schwägerinnen gekauft hatte, erneuerte 1441 die von seinem Schwiegervater errichtete Schwallenbacher Meßstiftung mit 17 lb. den. Gülten14). Nach Pauls kinderlosem Tod (nach 1446) erbten dessen Besitz seine Schwestern15).
Der in der vorliegenden Literatur oft irrig als bayerisches Wappen interpretierte Schild Ritzendorfers ist in seinen Konturen nur graphisch-linear eingehauen, das Rautenmuster jedoch reliefiert, während das Wappenbild der Schwallenbacher ebenfalls nur linear erscheint (vgl. ähnliche gestalterische Phänomene in Kat.-Nr. 44 und 46).
Die Wappenschilde der beiden Eheleute erscheinen – aneinandergelehnt unter einem frontalen Stechhelm mit dem in älterer Literatur ebenfalls als „bayerisch“ geltenden gerauteten Stulphut als Helmzier und durch eine Kette mit monumentalem Schloß verbunden – auch auf dem Spitzbogentympanon des Nordportals der Kirche, höchstwahrscheinlich von derselben Werkstätte wie die gegenständliche Grabplatte angefertigt – die Formen des Oberwappens entsprechen als plastische Umsetzung exakt den graphisch-linear ausgeführten der Wappengrabplatten. Das Tympanon wurde 1986/87 restauriert (Erich Pummer, Rossatz) und nach dem Befund erhaltener Farbreste – diese übereinstimmend mit kopialer Überlieferung um 1600 – neu polychromiert, wobei der rechte Schild samt Helmzier und Helmdecke nun (wieder) silber/rot waagrecht gerautet erscheint, was eine Interpretation als bayerisches Wappen endgültig ausschließt16).
Zur Schriftbeschreibung und Stilistik der Grabplatte s. den aus derselben Werkstatt stammenden Stein der Anna Murstetter (Kat.-Nr. 46), dort auch zu einer von Gert Adamek formulierten Annahme eines Werkstattzusammenhangs der gegenständlichen Grabplatte mit den Grabplatten des Stephan von Haslach, der Göttweiger Äbte Petrus (II.) von St. Pölten und Lukas Lauchlaibl von Stockstall und des Hermann und der Anna Murstetter (Kat.-Nr. 40, 44, 46, 55 und 59).
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Schwallenbach, Fk. Hl. Sigismund • Wappengrabplatte • roter Marmor • Gotische Minuskel mit Versal • Inschriften des Totengedenkens •
Adamek, Gert •
Albrecht V. •
Albrecht III. •
Dachpeck, Hans •
Dörr, Hans •
Dürr, Hans •
Eitzing, Martin •
Elisabeth •
Fritzelsdorfer, Gebhard •
Gegenuns, Hans •
Grasser •
Hager, Andreas •
Hager, Jörg •
Harasser, Hans •
Hülber, Anna •
Kelberharder, Erhard, Hans, Jörg, Veronika •
Kuenring •
Lauchlaibl, Lukas •
Lauchlaibl, Agnes •
Leuprechtinger, Ulrich •
Lindl, Hieronymus •
Martin V. •
Maissau •
Murstetter, Hermann •
Palterndorfer, Hans •
Petrus II. von St. Pölten •
Pottschacher, Hans •
Pummer, Erich •
Ratbach, Christoph •
Riedenthaler •
Ritzendorfer, Agatha, Beatrix, Elisabeth, Hans, Magdalena, Margarete, Paul, Seifried, Ursula •
Schlunt, Otto •
Schwallenbach, Anna, Friedrich, Peter •
Spenning, Laurenz •
Stockhorner, Sigmund •
Stephan von Haslach •
Truchseß von Drasenhofen, Niklas II. •
Voit, Konrad •
Aggsbach •
Bisamberg, Weingarten an der Vorleytten •
Drasenhofen •
Gießhübl am Jauerling •
Maria Laach a. Jauerling •
Niederalteich, Benediktinerabtei •
Reikersdorf •
Ritzendorf •
Schwallenbach •
Spitz •
Stetten •
Wien •
Willendorf
Abbildungen
Abb. 36: Grabplatte des Seifried Ritzendorfer (1425) ©
Bundesdenkmalamt, Wien, Fotoarchiv
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