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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

52 Oberranna, Burgkirche Hl. Georg 1. V. 15. Jh.

Beischriften zu Wandmalereien im Ostteil der Kirche. In der südlichen Hälfte des Gurtbogens zwischen Langhaus und Ostquerschiff Reste von zwölf in sechs Reihen paarweise gegenübergestellten Propheten­halbfiguren auf blauem Grund mit Beischriften auf rahmenden halbkreisförmigen Spruchbändern (I–II). Figuren samt Spruchbändern in der linken Hälfte durch Abschlagen des Verputzes stark beschädigt. Im Kreuzgratgewölbe des ersten Langhausjochs in Mittelmedaillon Lamm Gottes mit Kreuzstab (das zugehörige Spruchband mit nicht mehr lesbaren Inschriftresten in Gotischer Majuskel [?] fast völlig verblaßt), umgeben von vier Evangelistensymbolen mit Tituli auf weit ausschwingenden Spruch­bändern, im Norden Markus/Löwe (Spruchband zerstört), im Osten Johannes/Adler (Symbol zerstört, III), im Süden Lukas/Stier (IV) sowie im Westen Matthäus/Mensch (V). Wandmalereien um 1933 freigelegt und restauriert (akad. Maler Gustav Steinschorn, Krems1)), um 1982/84 neuerlich restauriert.

Bu. ca. 10 cm (I–II) bzw. 20 cm (III–VI). – Gotische Minuskel.


Textedition
			

I. malachias II. amos III. [sanctvs ioh]//anne[s]a) IV. [s]anctvs // lvcasa) V. [sanctvs matt]//hevsa) ·

Anmerkungen
a) Wort durch Hand bzw. Fang der Propheten- bzw. Evangelistenfigur unterbrochen.

Kommentar

Die malerische Ausstattung des Ostteils der ursprünglich im 12. Jahrhundert entstandenen wehrhaften, im 15. Jahrhundert nach Westen erweiterten Kirche2) dürfte im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts abgeschlossen worden sein. Neben den oben erwähnten Wandmalereien mit Beischriften finden sich am östlichen Pfeiler des nördlichen Querhausarmes die Hll. Barbara, Ursula und Katharina aus dem letzten Viertel des 14. Jahrhunderts, am südlichen Pfeiler unter den oben genannten Prophetenhalbfiguren ein Diakon (?) aus der Zeit um 1400, gleichzeitige Reste eines Wolkenornaments und eines roten Flügels auf blauem Grund an der Südwand des ersten Langhausjochs sowie eine Hl. Margarete am südlichen Pfeiler. Über dieser Figur sind am südlichen Gurtbogen zwei Wappentiere abgebildet, die auf die damaligen Inhaber der Burg Ranna (seit 1389), Hans (III.) von Neidegg zu Ranna und dessen Gemahlin Kunigunde von Lasberg (s. Kat.-Nr. 50†) hindeuten: in der südlichen Hälfte ein sitzender gekrönter Löwe, der auf dem Haupt die Helmzier des Lasberger Oberwappens (schwarzer Flug, darauf ein goldenes Tatzenkreuz) trägt, in den Vorderpranken jedoch eine Fahnenlanze mit dem entsprechenden Wappen (rot/silber geteilt, unten eine rote Spitze) hält. Das im nördlichen Abschnitt dargestellte Wappentier ist ein stark fragmentierter Löwe, über das Haupt den Helm samt Neidegger Oberwappen (bärtiger Mannesrumpf mit nach hinten abflatternder Stirnbinde und Feder) gestülpt, in den Vorderpranken eine Fahnenlanze mit verblaßtem Wappen (wohl die Neidegger drei Muscheln schrägbalkenweise). Die Malereien müssen wohl vor dem Tod Hans’ 1425 entstanden sein.

Bereits 1396 hatte Anna, Tochter des Konrad von Meires (Konrad von Neidegg zu Meires?) und Witwe nach Hans von Ranna, eine Messe am Marienaltar der Burg- und Pfarrkirche Hl. Georg in Oberranna gestiftet. Von 100 lb. den. Stiftungsgut und den Burgrechtseinkünften einer Wiese bei Lobendorf, vormals im Besitz des Leutold Wolfenreuter (s. Kat.-Nr. 45), sollte der Pfarrer einen eigenen Kaplan unterhalten, der jeden Montag eine Prozession mit Gesang und Segenspendung um die Kirche führen sollte, wobei am Karner ein Vaterunser und ein De profundis zu sprechen waren. Weiters sollten am Montag ein Seelamt und am Samstag ein Amt zu Mariä Himmelfahrt am Marienaltar der Kirche gehalten werden3).

Soweit die besser erhaltenen Beischriften eine Beurteilung zulassen, wurden die Inschriften bei insgesamt gedrungenen, fast klobig wirkenden Einzelformen mit breiten Schäften trotz schwankender Abstände zwischen den Schäften mehrschaftiger Buchstaben als auch zwischen den Buchstaben selbst recht sorgfältig ausgeführt, wobei feine, teils eingerollte Haarzierlinien als Abschlußstriche an einzelnen Buchstabenbestandteilen einen gewissen Anspruch dokumentieren.

1) Vgl. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 41. Frau Mag. Erda Steinschorn, Wien, bin ich für die Zusendung reichhaltiger Informationen über den Künstler und Restaurator (geb. 1895 in Eger, gest. 1969 in Krems) zu herzlichem Dank verpflichtet.
2) S. Donin, Kirche, Plesser, Kirchengeschichte (1951) 38–42, Kafka, Wehrkirchen 2, 10, Lanc, Wandmalereien 202–204 und zuletzt mit Anführung der älteren Literatur Fillitz/Telesko, Früh- und Hochmittelalter, Kat.-Nr. 55 (Mario Schwarz) und 104 (Friedrich Simader).
3) S. HHStA, AUR 1396 VI 26, vgl. auch Plesser, Kirchengeschichte (1911) 230, Ders., Kirchengeschichte (1932) 600 und Fux, Land 139. Als Zeugen fungierten Hans von Maissau als Burgherr der Wiese sowie Hans (III.) von Neidegg zu Ranna und Wolfgang von Neidegg zu Albrechtsberg. Das in der Urkunde genannte „Lugendorf “ dürfte, wie oben angeführt, mit dem heutigen Lobendorf, nicht dem heutigen Lugendorf zu identifizieren sein.
Literatur

Plesser, Kirchengeschichte (1951) 41 (14. Jh.). – ÖAW, NLH, 17. 4. 1962. – Eppel, Waldviertel 175 (um 1420). – Eppel, Kunst 195. – Lanc, Wandmalereien 202–204 (Abb. 351–359). – Dehio Nord 828.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 52,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj52.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 37: Wandmalerei
(1. V. 15. Jh.), Detail
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)