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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

72 Haitzendorf, Pfk. Hl. Ulrich M. 15. Jh.

Andachtsbild Schmerzensmann mit erklärender Beischrift, Wandmalerei, als Umrahmung der Sakra­mentsnische an der Chornordwand unmittelbar neben der Chorschräge. Im unteren Teil des durch die umlaufende Schriftleiste (Inschrift schwarz auf weiß aufgemalt, nach außen abschließende dünne rote Linie, an der linken oberen Ecke eine Lilie ausbildend) begrenzten hochrechteckigen Felds die mit vier umlaufenden Stableisten schlicht profilierte Sakramentsnische (um 1340), über deren dreieckigem Giebel (im Giebelfeld schlecht erhaltener und kaum datierbarer, jedoch sekundär aufgemalter Christuskopf bzw. Vera Ikon) hochrechteckiges Bildfeld mit Halbfigur Christus als Schmerzensmann vor verblaßtem hellblauen Grund, links unten Rest einer ursprünglich zugehörigen Darstellung der Arma Christi (Zange?). Zwickel zwischen Giebel und Bildfeld links kräftig rot bemalt. Profilleisten des Sakramentshauses rosa, die Zwischenräume hellblau gefaßt, Farbigkeit sonst stark reduziert: Inkarnat fahlgelb bis grau, Haare und Nimbus gelb. Erhaltungszustand vor allem in der unteren Hälfte und am rechten Rand durch Versinterung sehr schlecht (Ende des zweiten Schriftbands, drittes Schriftband und Anfang des vierten Schriftbands völlig zerstört), rechter mittlerer Abschnitt durch Putzausbruch gestört. Zwischen 1983 und 1990 freigelegt, erst 1998 unter Leitung des BDA restauriert (Konservierung und Retuschierung).

H. 211 cm, B. 88 cm, Bu. 5 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

Omnes diligentes me ascensione ve/ra [– – –] Osi[– – –] / [– – –] / [– – –]tiana · Ad · [– – –]a · annuerin(t) · (et) · mecu(m) · d(e)uote · moriaminia) ·

Anmerkungen
a) alle Versalien rot aufgemalt; Trennzeichen quadrangelförmig.

Alle, die mich lieben (…) bei der wahrhaftigen Auferstehung (…) zu (…) zugesagt haben und ihr mögt mit mir in frommer Versenkung sterben.


Kommentar

Der Beginn der Inschrift klingt mit der Junktur diligentes me an Prv 8,17 an. Im vorliegenden Fall wendet sich jedoch anders als die dort sprechende Sapientia Gott als der im Bild dargestellte Schmerzensmann mit der Verheißung der Auferstehung in einer Apostrophe an den Betrachter. Eine um die Mitte des 15. Jahrhunderts offenbar nicht singuläre Verbindung von Sakramentshaus und Schmerzensmann­darstellung existiert etwa auch in der Burgkapelle der Ruine Pottendorf, wo eine Schmerzens­mannskulptur als Bekrönung des Sakramentshäuschens von 1453 fungiert1), in der Pfk. Stratzing befindet sich ein als Wandmalerei ausgeführter ganzfiguriger Schmerzensmann über dem gemalten Sakramentshäuschen, der ebenfalls in die Jahrhundertmitte zu datieren ist2).

Die eigenwillige Gotische Minuskel der Inschrift entspricht nicht der üblichen Umsetzung der handschriftlichen Textura in das epigraphische Medium. Die mit geringer Strichstärke ausgeführten Buchstaben weisen zwar überwiegend die gewohnten Schaftbrechungen an der Basislinie auf, manche untere Bogenenden werden jedoch nicht gebrochen, sondern biegen an der Unterlinie nach rechts um (etwa bei e). Auffällig ist auch die Umsetzung von Verbindungsbögen zwischen zwei Schäften (etwa m und n) an der Oberlinie des Mittelbands: anstelle eines einfach gebrochenen oder fast zum Quadrangel reduzierten Bogenabschnitts erscheinen hier haarfeine rechtsschräge Anstriche an den vorhergehenden Schaft angesetzt, die an der Oberlinie umknicken und rechts in fetter Strichstärke noch einmal leicht gebrochen werden. Diese haarfeinen Anstriche erhalten auch die meisten Schäfte an der Oberlinie. Ebenso auffällig sind zahlreiche Einzelformen: bei a besteht der obere Bogen im linken Teil aus einem kurzen rechtsschrägen Anstrich, der an der Oberlinie umknickt und in einen normal starken steil linksschrägen Schaft überleitet, der erst knapp über der Mittellinie leicht gebrochen wird und damit senkrecht zur Basislinie strebt. Neben dem ziemlich rund ausgeführten Schluß-s ist auch noch g zu erwähnen, das völlig im Mittelband verbleibt und bei dem oberer und unterer Bogen annähernd 8-förmig vollständig geschlossen sind.

1) S. Bittner, „Kleine Gotik“ 183 (Taf. 164).
2) S. Lanc, Wandmalereien 320 (Abb. 565), hier auch weitere Vergleichsbeispiele.
Literatur

Kohlert, Haitzendorf 77.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 72,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj72.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Haitzendorf, Pfk. Hl. Ulrich    •  Andachtsbild  •  Beischrift  •  Wandmalerei  •  Gotische Minuskel mit Versalien  •  Pottendorf, Burgkapelle  •  Stratzing

Abbildungen

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Abb. 54: Andachtsbild (M. 15. Jh.)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)