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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

73 Langenlois, Pfk. Hl. Laurentius nach 1450

Figürliche Grabplatte des Pfarrers Andreas Paur von Mollendorf, rotbrauner Marmor, innen in der nördlichen Chorschräge an der Wand, 1957 aus dem Boden vor dem Marienaltar im nördlichen Seitenschiff (dort zusammen mit Kat.-Nr. 102 den Abgang zur barocken Gruft in der im Norden angebauten Herzjesu-Kapelle sekundär verdeckend) gehoben. Die in der linken unteren Ecke ansetzende, drei Schriftbänder einnehmende Umschrift rahmt ein vertieftes Feld mit der Relieffigur des Verstorbenen in langem Chorrock, das Haupt mit hohem, gebänderten Birett auf einem Polster aufruhend, die Hände halten ein Buch vor die Brust. Zu Füßen der Figur ein mittels Zweipaß in das darunterliegende leere Schriftband ausgreifender Wappenschild, das Faltengeschiebe des am Boden auftreffenden Gewands rechts in das dritte Schriftband mit einer Stufe einspringend. Gesamte Platte abgetreten, offenbar kunstharzgetränkt.

H. 215 cm, B. 106 cm, Bu. 7,5 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

Annoa) d(omi)ni m cccc l<..>b) Obyt dominvs Andreas pavr d͜e / mollndorfc) /

Anmerkungen
a) Rosette am Beginn des Schriftbands.
b) zwischen l und folgendem O größerer Abstand; Aussparung für nachträglich zu ergänzende Zahlzeichen.
c) Rest des Schriftbands leer.
d) Is. setzt bündig mit Oberkante des Relieffelds an.
e) folgen drei Quadrangeln als Füllzeichen.

Im Jahr des Herrn 145<.> starb Herr Andreas Paur von Mollendorf, Pfarrer dieser Kirche (und liegt) hier begraben. Teurer (Herr), sei (mir) gnädig.


Wappen: Paur1).


Kommentar

Der offenbar aus Mollendorf stammende Andreas Paur war nachweislich seit wenigstens 1449 Pfarrer von Langenlois. Da Paur 1456 zusammen mit zahlreichen anderen Pfarrherren der Umgebung Beschwerde über die Ansiedlung der Franziskaner in Langenlois beim Salzburger Erzbischof Sigmund einlegte und noch 1458 als Bergherr eine Verkaufsurkunde über einen Langenloiser Weingarten besiegelte2), kann die auf der Grabplatte eingehauene Jahreszahl 1450 nicht das Sterbejahr des Geistlichen angeben, sondern muß etwa der Entstehungszeit des Steins zu Lebzeiten Paurs entsprechen, wobei die Ergänzung des Todesjahrs später unterblieb. 1469 war bereits Hans Schenknhaim (Schenkenheim) Pfarrer von Langenlois3). 1474 stifteten Peter Winkler und seine Frau Barbara ein Lobamt von Mariä Heimsuchung und zwei Seelenmessen für sich, ihre verstorbenen Verwandten und den vormaligen Langenloiser Pfarrer „Andre Payer“ (wohl Paur)4). Ob der Langenloiser Bürger Hans Bauer, der 1485 ein wöchentliches Seelamt für sich und seine Verwandten in der Langenloiser Pfarrkirche stiftete5), oder Mert (Martin) Pawr, der 1507 ein Haus in der Hinteren Zeile des Langenloiser Unteren Aigens besaß6), jüngere Verwandte des verstorbenen Geistlichen waren, ist unklar.

Auch das zweite Schriftband der Platte ist nur etwa zur Hälfte ausgefüllt, obwohl offenbar kein Text fehlt, soferne nicht hier – unglücklich eingeschoben zwischen Name und Funktion des Verstorbenen – ein Nachtrag des Sterbetags erfolgen hätte sollen. Die überraschende und in Grabinschriften des 15. Jahrhunderts nach Kenntnis des Bearbeiters wenig gebräuchliche Bitte care propiciare7) am Ende der Inschrift wurde mit Ausnahme der korrekten Transkription Johannes Fahrngrubers in der Literatur stets falsch gelesen.

Gert Adamek postulierte unter wenig überzeugendem Verweis auf stilistische Parallelen der Figuren­zeichnung und des Faltenwurfs zu Figuren der Wappenwand der Wiener Neustädter Georgskirche eine Herkunft des Steins aus einer Wiener oder Wiener Neustädter Werkstätte8).

Die trotz geringfügiger Duktusschwankungen mit sorgfältiger Spationierung ausgeführte Inschrift ist relativ schmal proportioniert und weist einen gering bemessenen Ober- und Unterlängenbereich auf. Bei a und d nehmen die senkrechten Teile der gebrochenen (unteren) Bögen etwa zwei Drittel bis drei Viertel des Mittelbands ein und werden oben waagrecht oder flach rechtsschräg abgeschnitten. Bei p wird der untere Bogenabschnitt an der Basislinie rechtwinkelig gebrochen, der waagrechte Teil überschneidet teilweise den Schaft, der nur wenig in den Unterlängenbereich ragt. Neben dem sonst konsequent auch für den vokalischen Lautwert und im Wortinneren verwendeten v scheint in hui(us) ein einzelnes u auf.

1) Aus dem linken Schildrand hervorbrechender bekleideter Arm, einen Schlüssel haltend.
2) S. NN., Beiträge 478 (1456 Mai 7, Langenlois), Plesser, Kirchengeschichte (1932) 406 und Plesser, Kirchengeschichte (1939) 613 sowie Plesser, Kirchengeschichte (1951) 174 (1449 November 13, Langenlois) bzw. StiA Zwettl Urk. 1458 Februar 12 (Wolfgang Weichsteter verkauft seinen Weingarten am Holzweg in Langenlois an den Langenloiser Bürger Stephan Haug).
3) NN., Beiträge 479 (1469 Juli 6, Krems; Verbrüderungsbrief des Generalvikars der deutschen Provinz des Dominikanerordens, Fr. Innozenz Stinglheimer von Wien, für Schenkenheim) und Plesser, Kirchengeschichte (1932) 406.
4) S. NN., Beiträge 479 (1474 November 23).
5) S. NN., Beiträge 479 (1485 Juli 28).
6) Vgl. dazu den Kaufbrief über ein Langenloiser Haus mehrerer Angehöriger der Steiner Ratsfamilie Rosenstamm an das Kloster Dürnstein, StiA Herzogenburg, D. n. 386 (1507 April 7).
7) Vgl. jedoch als willkürlichen zeitgenössischen Beleg aus dem handschriftlichen Medium das Spruchband einer unbezeichneten weiblichen Stifterfigur im Rahmen einer Federzeichnung mit Heiligenfiguren in Staatsbibliothek München, clm 16112 (3. V. 15. Jh., aus St. Nikola bei Passau), fol. 21r: „O d(eu)s p(ro)piciare a(n)i(m)e tue famule (…)“, s. 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 6 (Floridus Röhrig; Abb.).
8) S. Adamek, Grabdenkmäler (1968) 15 und Ders., Grabdenkmäler (1969) 40. Der ebd. angestellte Vergleich zwischen der Langenloiser Grabplatte und der Grabplatte der Kinder Herzog Ernsts des Eisernen in Wiener Neustadt beruht lediglich auf den auf beiden Steinen auftauchenden Rosetten am Beginn der Inschrift bzw. als Worttrenner, berücksichtigt aber nicht die allgemein gravierende Differenz in der Qualität der beiden Steine. S. zur Wappenwand der Georgskirche und zur Grabplatte im Wiener Neustädter Dom mit weiterführender Literatur DI 48, Kat.-Nr. 20 und 67.
Literatur

NN., Beiträge 477. – DASP, Nachlässe 5, Heft M, fol. 39r. – Topographie 5, 1094. – ÖKT 1, 291 (Transkription fehlerhaft). – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 162 (1450). – Plesser, Kirchengeschichte (1932) 406 (Transkription fehlerhaft). – Rothbauer, Nochmals 69. – Rothbauer, Pfarrkirche 14. – ÖAW, NLH, 12./13. 4. 1965. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 15, 18 und Kat.-Nr. 19 (Abb. 16). – Adamek, Grabdenkmäler (1969) 40. – Zotti, Kunst 2, 212 (1450). – Dehio Nord 637. – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 171 (Anm. 84).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 73,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj73.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 55: Grabplatte des Pfarrers
Andreas Paur (nach 1450)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)