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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

78† Schönberg a. Kamp, Pfk. Hl. Agnes 1455

Glocke mit Gebetsanrufung und Angabe des Gußjahrs, angeblich ehemals im Turm der Pfk., spätestens 1894 nicht mehr vorhanden. Wohl am Mantel Darstellungen der Hll. Margarete und Dorothea sowie die Inschrift.

Beschreibung und Textwiedergabe nach Plesser, Kirchengeschichte (1951) 175f.


Textedition
			

Maria Mater gratiae, Mater misericordiae, tu nos ab hoste protege, in hora mortis suscipe. Anno Domini M CCCC LV.

Anmerkungen

Maria, Mutter der Gnade, Mutter der Barmherzigkeit, beschütze Du uns vor dem Feind, nimm uns in der Sterbestunde auf. Im Jahr des Herrn 1455.

Hymnus.

Ambrosianische Strophe (iambischer Dimeter mit Endreim).


Kommentar

Provenienz und Chronologie der Anbringungsstandorte der Glocke sind unzureichend geklärt. Die Glocke, die in Schönberg angeblich als „Schlammingerin(a)“ bezeichnet wurde, war einer schwachen Überlieferung zufolge 1475 von ungarischen Truppen in „Schladming“ in Ungarn (wohl das in der Frühen Neuzeit Schlaning genannte westungarische, heute burgenländische Stadtschlaining) geraubt worden. An unbekannter Stelle und zu unbekannter Zeit in einem Graben verschüttet, wurde sie angeblich – einem verbreiteten Topos in Glockenlegenden entsprechend1) – von Schweinen ausgewühlt und nach Ankauf um 10 lb. 3 ß 10 den. durch einen Abt von Zwettl aus einem Lager (ungarischer Truppen?) in Stetteldorf (a. Wagram?) (im Jahr 1483?) im 17. Jahrhundert im Kloster aufbewahrt2). Auffallend ist die fast völlige Übereinstimmung der vorliegenden Inschrift mit jener der Weißenkirchener „Frauenglocke“, die ebenso Darstellungen zweier weiblicher Heiliger trägt (Kat.-Nr. 77). Es liegt nahe, an eine Verwechslung der beiden Glocken in der unten genannten Literatur zu denken.

Die kopiale Überlieferung entspricht dem angeblichen Original jedenfalls kaum buchstabengetreu: die Schreibung von Diphthongen ist für das mittlere 15. Jahrhundert keinesfalls zu erwarten, ebensowenig die Angabe der Jahreszahl in Majuskeln. Vgl. dazu die wohl mit dem oben wiedergegebenen Text identische Inschrift der Weißenkirchener „Frauenglocke“ (Kat.-Nr. 77).

1) Vgl. etwa DI 66, Kat.-Nr. 2.
2) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 175f. Zum Topos der Schweine, die Glocken aus der Erde scharren, vgl. Fahrngruber, Hosanna 305, mit Hinweis auf mehrere lokale Traditionen.
Literatur

Plesser, Kirchengeschichte (1951) 175f. – ÖAW, NLH, 4. 4. 1966.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 78,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj78.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Schönberg a. Kamp, Pfk. Hl. Agnes    •  Glocke  •  Gebetsanrufung  •  Gußjahr  •  Stadtschlaining  •  Stetteldorf