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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

93 Wösendorf i. d. Wachau, Pfk. Hl. Florian 1486

Glocke („Frauenglocke“) mit Gebetsanrufungen und Gußvermerk, im Turm der Pfk., 1784 aus der damaligen Pfk. St. Michael hierher verbracht, ursprünglich (bis etwa 1532?) vielleicht im Turm der Pfk. Weißenkirchen. Am Hals umlaufende Inschrift über Zierleiste aus dreipaßbogigem Maßwerkfries. Worttrennzeichen in reicher Variation: kleine Glocken, Haus- oder Meisterzeichen (?), Zapfen, Vera Ikon. Am Mantel drei Pilgerzeichen (Brakteaten) als Glockenzier aufgeschmolzen.

H. 86 cm, D. 107 cm, Bu. 2,5 cm. – Gotische Minuskel.


Textedition
			

hica) + rex naseus · maria · hilf + vns · alen · sant · vnt · lieber · her · sant · sdefan · hilf · alen · ich · hanns · kupferschmit · m · cccc · lxxxvi · iar

Anmerkungen
a) sic! möglicherweise versehentlich statt ihc als gräzisierendes Nomen sacrum.

Kommentar

Gegen Ende September 1532 hatte ein Brand den Turm der erst wenige Jahre zuvor weitgehend umgestalteten Pfarrkirche St. Michael (vgl. Kat.-Nr. 162, 163, 175 und 182) schwer beeinträchtigt und das damals vorhandene Geläute zerstört. Angesichts der drohenden Kriegsgefahren waren Richter und Rat der Wachau seit 1530 darauf bedacht, zur Verteidigung der Wehranlagen größere Geschütze und Hakenbüchsen zu erwerben. Da im genannten Jahr die NÖ Kammer ein Gesuch um Abtretung von Geschützen aus landesfürstlichen Beständen abschlägig beschied, baten Richter und Rat 1532 um Genehmigung der Kammerräte, aus der zerschmolzenen Glockenspeise des St. Michaeler Geläutes Geschütze gießen lassen zu dürfen. Für die Kirche in St. Michael sollten dagegen Glocken aus dem Weißenkirchener Kirchturm, der „reichlich an glockhen begabt“ war, leihweise Verwendung finden1). Möglicherweise handelt es sich bei der gegenständlichen Glocke also um ein ursprünglich aus Weißenkirchen stammendes Stück. Der neben Christus und der Gottesmutter in der Inschrift angerufene Hl. Stephan läßt sich als Patron zu keiner der beiden Kirchen in nähere Beziehung setzen, stellt jedoch möglicherweise eine Reverenz des Gießers vor dem Passauer Patron dar. Aus der in Österreich zwischen 1460 und 1486 belegten Passauer Gießerei des Hans Kupferschmidt stammen neben der Wösendorfer weitere fünf erhaltene Glocken in Oberösterreich2).

Noch 1894 wurde der Glocke von der Wachauer Bevölkerung wetterwendende Kraft zugesprochen3).

1) S. ÖKT 1, 562 und Plesser, Kirchengeschichte (1951) 545.
2) S. Weißenbäck/Pfundner, Erz 137 und 239 und Wernisch, Glockenkunde 257.
3) S. Fahrngruber, Hosanna 229 und 304.
Literatur

Fahrngruber, Hosanna 9f. (Inschriftenprobe 9), 229, 281, 292, 304 und 315. – ÖKT 1, 572 („drei Abdrücke kleiner Münzen“). – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 376. – Plesser, Kirchengeschichte (1954) 75. – Weißenbäck/ Pfundner, Erz 239 und 411. – ÖAW, NLH, 28. 8. 1962. – Dehio Nord 1306. – Wernisch, Glockenkunde 257.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 93,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj93.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Wösendorf i. d. Wachau, Pfk. Hl. Florian    •  Glocke  •  Gebetsanrufungen  •  Gußvermerk  •  Gotische Minuskel  •  Kupferschmidt, Hans  •  Passau  •  St. Michael