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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

98† Dürnstein, ehem. Klosterkirche und Pfk. Mariä Himmelfahrt 1495

Grabdenkmal der Brigitta Kieslinger, bis zu deren Abbruch um 1721 in der Kremserkapelle im alten Kreuzgang südlich der Klosterkirche nahe dem Altar an der Ostwand1).

Textwiedergabe nach StiA Herzogenburg, Descriptio Monumentorum Nr. 1.


Textedition
			

Anno D(omi)ni M CCCC XCV Jahr an Vnßer Liben Frawntag der Empfängnuß ist gestorben die Edl Veste fraw Brigida Kißlingerin Von Harmanßdorff, die des Edlen Hanß Hartlen gemahel gewest ist, undt ligt hier begraben, der Gott genadt.

Datum: 1495 Dezember 8.


Kommentar

Hans Hartl (Härtl), Ratsbürger von Stein, dürfte ein Sohn des aus Stein stammenden Kaufmanns, Wiener Ratsbürgers und Stadtkämmerers (1466/67), Stephan Hertl (gest. um 1486/97), gewesen sein, sein Bruder Georg Hertl war 1484 an der Universität Wien immatrikuliert, fungierte 1504/05 als Wiener Ratsbürger und starb 15072). In erster Ehe war Hans mit Brigitta Kieslinger von Harmannsdorf, Witwe nach Hartls Verwandtem Degenhart Schernegker (s. Kat.-Nr. 107†), verheiratet3). In der unter Beteiligung Hartls erbauten, 1483 auf die Patrozinien Hl. Kreuz, Hl. Johannes Ev., Hl. Barbara und Hl. Katharina geweihten, später nach den Vogtherren, dem Rat von Krems/Stein, so genannten Kremserkapelle im südlichen Kreuzgangtrakt des Klosters wurden sowohl Schernegker und seine erste Frau Katharina Jagenreuter als auch Hartls erste Frau Brigitta Kieslinger bestattet. 1499 stiftete Hartl, damals Krems/Steiner Bürgermeister, in der Kapelle eine tägliche ewige Messe und zwei Jahrtage: einen für Schernegker und dessen erste Frau Katharina (s. ausführlich Kat.-Nr. 107†) sowie einen am Tag nach Mariä Empfängnis (Dezember 9) mit denselben Verbindlichkeiten abzuhaltenden für sich selbst, seine verstorbene erste Frau Brigitta und seine damalige Frau Magdalena4). Aus einer der beiden Ehen Hartls stammte ein Sohn Stephan Hartl, der 1512 nach dem Tod seines Vaters mit den ererbten landesfürstlichen Lehen, einem öden Hof im Langenloiser „Oberen Aigen“ und verschiedenen Gülten in Streulage belehnt wurde5).

Die enge Verbundenheit zwischen Schernegker und Hartl drückt sich auch in der ursprünglichen Anbringung der beiden Grabdenkmäler innerhalb der Kapelle aus: Schernegkers Platte an der Ostwand im Boden, das vorliegende Denkmal unmittelbar darüber an der Wand.

1) StiA Herzogenburg, Descriptio Monumentorum Nr.1: „In sacello Crembsensi versus altare in parte evangelii ad parietem“. Da die Kapelle vermutlich in Nord-/Südrichtung orientiert war, ist unter der Evangelienseite die Ostwand zu verstehen.
2) S. zu den beiden Wiener Hertl Perger, Ratsbürger 98–101, 104f., 120f., 139f. und 210f.
3) Ob Brigitta Kieslinger mit der Wiener Ratsbürgerfamilie Ki(e)sling(er) verwandt war, deren Angehöriger Stephan (d. Ä.) (Brigittas Vater?), zeitweise Steuerherr und Wiener Bürgermeister, mehrere Jahre gleichzeitig mit Hans Hartls Vater Stephan im Wiener Rat saß, ist unklar, jedoch nicht auszuschließen, da Stephan (d. Ä.) zwar viermal verheiratet war, jedoch offenbar nur drei Kinder aus letzter Ehe namentlich bekannt sind. Der Adelssitz Harmannsdorf, nach dem Brigitta in der Inschrift zubenannt wurde, könnte diesfalls dem Versuch der wohlhabenden Wiener Kaufmannsfamilie entsprechen, den sozialen Aufstieg in das Stadtpatriziat durch Erwerb eines adeligen Landguts zu unterstreichen. Andererseits waren seit dem frühen 15. Jh. Angehörige einer anderen (?) Familie dieses Namens an mehreren Orten im heutigen PB Horn, also in der Nähe von Harmannsdorf ansässig, vgl. auch Perger, Bürgermeister 14. Zu den Wiener Ki(e)sling(ern), besonders dem Ratsbürger und Fuggerschen Faktor Hieronymus, s. Perger, Bürgermeister 14–20, Perger, Ratsbürger 104f. und 179f., zur kopial überlieferten Grabinschrift des Hieronymus und seiner Frauen Barbara Seibs und Agnes N. (gest. 1526) vgl. in Zukunft den von Renate Kohn für die DI vorbereiteten Band mit den Inschriften der Dom- und Metropolitankirche St. Stephan in Wien.
4) S. StiA Herzogenburg, D. n. 337 (1483 Juni 8; Weihe der Kapelle durch Bf. Andreas von Konstanz, Generalvikar von Passau), 369 (1499 November 28; Stiftung Hartls) und 372 (1500 April 13, Dürnstein; Revers über die Stiftung von Propst Gregor, Dechant Eustach und dem Konvent); vgl. Plesser, Kirchengeschichte (1939) 117, Schmettan, Chorherrenstift 144f. und Pühringer-Zwanowetz, Baugeschichte 192 und Anm. 152. Als Kremser „widemrichter“ bezeugte er 1494 einen Verkauf von verschiedenen Zehenten des Albrecht von Ror in Kamles durch Marx Kolb an Dürnstein, s. die Abschrift des verlorenen Originals in StiA Herzogenburg, D.2.B.81, fol. 204r-205v (1494 Juli 23).
5) S. Plesser, Kirchengeschichte (1932) 407 (1512 März 30). Den öden Hof im Oberen Aigen von Langenlois und 2 Mut Vogthafer in Maiersch (?) hatte Hans Hartl 1493 von Albrecht von Ror angekauft, der diese Lehen in jenem Jahr Kg. Maximilian aufsandte, s. NN., Beiträge 480 (1493 September 26).
Literatur

StiA Herzogenburg, Descriptio Monumentorum Nr.1. – Plesser, Kirchengeschichte (1939) 116. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) Kat.-Nr. 100. – Zajic, Denkmäler 333f.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Kat. Nr. 98,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj98.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
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