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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

99 Unterloiben, Pfk. Hl. Quirin 1495

Wappengrabplatte des Hieronymus (I.) und des Ludwig (I.) Schren(c)k, roter Marmor, innen an der Nordwand des nördlichen Kirchenschiffs im zweiten Joch, der erste Stein von Westen, 1887 außen am Chor (?), 1893 innen im zweiten Joch des nördlichen Kirchenschiffs im Boden, 1907 am heutigen Standort. Die zwischen zwei begrenzenden Leisten angeordnete erhaben gearbeitete Umschrift (das vierte Schriftband nur zu etwa einem Drittel ausgefüllt) rahmt ein leicht vertieftes Feld mit zwei aneinandergelehnten Eheallianzwappen unter einem Helm, nach oben von einem belaubten Astwerkbogen abgeschlossen.

H. 190 cm, B. 90 cm, Bu. 8 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

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Anmerkungen
a) Trennzeichen quadrangelförmig.

Wappen: Schren(c)k (von Notzing)1); Handschuster2).


Kommentar

Die 1279 erstmals in den Münchener Ratsbüchern aufscheinende Familie Schren(c)k, wohl verwandt mit den dasselbe Wappen führenden Münchener Familien Ligsal(t)z und Ri(e)dler, zählte – 1575 mit einem kaiserlichen Adelsbrief versehen – in der frühen Neuzeit zu den bayerischen Uradelsgeschlechtern und wurde 1719 (mit dem Prädikat „von Notzing“) in den Freiherrenstand erhoben3).

Zumindest seit 1358 gehörten die Münchener Schren(c)k zu den Lehensleuten der Abtei Tegernsee4). Ein Verwandter Hieronymus’ (I.), wohl dessen Vater, der Münchener Ratsbürger Bartholomäus (II.) Schren(c)k, besaß vor seinem Tod 1472 neben mehreren anderen Weingärten ein Tegernseer Weinlehen in Unterloiben, das vormals im Besitz der Passauer Familie Handschuster, von der mehrere Vertreter seit 1399 im Raum um Krems nachweisbar sind, gewesen war5). Offensichtlich war dieser Besitz durch die Heirat Bartholomäus’ (II.) mit Dorothea Handschuster an die Schren(c)k gefallen. Hieronymus, seit 1478 in erster Ehe mit Anna Püttrich, seit 1491 mit Ursula Trainer verheiratet, scheint in München mit Wachauer Wein gehandelt zu haben und sich deshalb auch zeitweise in Unterloiben aufgehalten zu haben. 1490 fungierte er etwa gemeinsam mit Propst Andreas von Dürnstein, dem Kremser Ratsbürger Hans Hartl (s. Kat.-Nr. 98†), dem Kremser Bürger Leonhard Mühlbacher und dem Dürnsteiner Bürger Wolfgang Wildberger als Spruchmann im Streit zwischen dem Tegernseer Prior und Lesemeister Augustin bzw. dem Steiner Bürger Leonhard Wisent um den Unterloibener Weingarten „die Schutt“6). Nach Ausweis der Inschrift starb er 1495 zusammen mit seinem aus erster Ehe stammenden Sohn Ludwig (I.) – laut einer spätmittelalterlich/frühneuzeitlichen Schren(c)kschen Familien-„Chronik“ in Stein „in sterbsleufften“7). Soferne nicht eine Translation in das Münchener Franziskanerkloster stattfand, wo jedenfalls ein Jahrtag für den Verstorbenen gestiftet wurde, wurden Vater und Sohn in Unterloiben unter der vorliegenden Grabplatte beigesetzt.

Hieronymus’ zweiter Sohn aus erster Ehe, Balthasar (I.) Schren(c)k, scheint noch 1516 als Besitzer der genannten Güter auf und führte offenbar auch den väterlichen Weinhandel fort8). 1517 verkaufte er als wohnhaft zu Schwaz genannt gemeinsam mit seinem im Schwazer und Rattenberger Bergbau engagierten Onkel Bartholomäus (III.) Schren(c)k und dessen Sohn Kaspar (I.) Schren(c)k ihren vermutlich mit dem oben genannten Weinlehen identischen Hof in Unterloiben samt Weingärten und Zubehör, ein Tegernseer Lehen, um 1500 fl. rh. an ihren Schwager Wolfgang Tegernseer zu Braunau9).

Das vorliegende Denkmal wurde von Gert Adamek zusammen mit den figürlichen Grabplatten der Gertraud Schad (Kat.-Nr. 105) und des Kaplans an der Steiner Frauenbergkirche, Ulrich Winter (gest. nach 1500), ehemals in der Steiner Frauenbergkirche, heute im WEINSTADTmuseum Krems (Inv.-Nr. S 295), zurecht einer gemeinsamen (Burghausener?) Steinmetzwerkstätte zugeschrieben10).

Die äußerst exakt ausgeführte Inschrift weist einen streng senkrechten Duktus und durch annähernd gleich bemessene Schaftstärken und Schaftabstände einen regelmäßigen Gittercharakter auf. Durch die Berührung der fein ausgezogenen Quadrangeln benachbarter Schäfte entsteht besonders an der Basis­linie eine durchlaufende sägezahnartige Linie. Zum dekorativen Gesamteindruck der Inschrift tragen neben zahlreichen Versalien auch die in eine tropfenförmige Verdickung auslaufenden Haarzierstriche etwa bei a oder e sowie die Einkerbungen an einzelnen Schaftenden im Oberlängenbereich (etwa an d in Z. 1, w bei weis in Z. 2 oder d in Z. 4) bei.

1) S. Si BayA 57 und Taf. 59 (Stammwappen).
2) Schräggeteilt; oben fünfmal schräggeteilt.
3) Zur Familie s. knapp Si BayA 57, jetzt ausführlich Stahleder, Beiträge passim, danach auch die Zuordnung, genealogische Einordnung und Zählung der in der Folge genannten Vertreter der Familie.
4) S. Freyberg, Geschichte 150.
5) S. zwei Sammelhandschriften (E. 15. Jh.) mit Verzeichnis der Tegernseer Besitzungen in der Wachau in BayHStA München, Klosterliteralien Tegernsee 156 (unfol.) und 153, pag. 206.
6) S. BayHStA München, Klosterurkunden Tegernsee Nr. 2741 (1490 Oktober 30). Zu Hieronymus (I.) und seinen bayerischen Besitzungen sowie zu Ludwig (I.) s. Stahleder, Beiträge 107–109 und 116.
7) S. Stahleder, Beiträge 108 und 116, zur „Chronik“ allgemein 61.
8) S. BayHStA München, Klosterliteralien Fasz. 744/77 (Verzeichnis der Tegernseer Einkünfte in Unterloiben, 2. H. 15. Jh. mit Nachträgen). Derselbe Balthasar (I.) Schren(c)k, damals in Rattenberg wohnhaft, hatte 1514 einen Acker in Unterloiben von Tegernsee zu Burgrecht erhalten, s. BayHStA München, Klosterurkunden Tegernsee Nr. 2766 (1514 November 29). Zu seiner Aufnahme in die Münchener Weinschenken-Zunft 1518 s. Stahleder, Beiträge 117.
9) S. BayHStA München, Klosterurkunden Tegernsee Nr. 2767 (1517 März 28). Zu Bartholomäus (III.) und Kaspar (I.) s. Stahleder, Beiträge 112–115 und 120–122, zu Balthasar (I.) ebd. 116f.
10) S. Adamek, Grabdenkmäler (1968) 28f., Ders., Grabdenkmäler (1969) 47, und Adamek, Grabdenkmäler (1971) 185, Kat.-Nr. 113 (Abb. 30). S. auch ausführlich Kat.-Nr. 105. Zur Kremser Grabplatte vgl. in Zukunft den ebenfalls vom Bearbeiter vorbereiteten Band mit den Inschriften der Statutarstadt Krems a. d. Donau. Möglicherweise ein älteres Werk derselben Werkstätte, das bereits einzelne Charakteristika der späteren Arbeiten (erhabene Umschrift, Details der Helmdecke) zeigt, könnte die Wappengrabplatte des Pankraz von Plankenstein (gest. 1465) in der Wiener Michaelerkirche sein, s. Dehio Wien 120.
Literatur

NN., Notiz 83, CLIf. – NN., Notiz 166, CCXLII. – NN., Verzeichniss Nr. CXVII, 194. – NN., Notiz 23, 61 (Abb. Beilage V, Fig. 2. – Lind, Atlas 98f. (Taf. IL, Fig. 3). – Lind, Vereins-Excursion 118 (Fig. 11). – DASP, Nachlässe 5, Buch B, pag. 146. – Topographie 5, 1125. – ÖKT 1, 27 und 311. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 352 („14 Grabsteine 1490–1825“). – ÖAW, NLH, 29. 8. 1962. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 28f. und Kat.-Nr. 29 (Abb. 28). – Adamek, Grabdenkmäler (1969) 47. – Adamek, Grabdenkmäler (1971) 185 (Kat.-Nr. 113). – Zotti, Kunst 2, 227. – Dehio Nord 1198.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 99,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil1/noe-3-obj99.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 71: Grabplatte des Hieronymus
und Ludwig Schren(c)k (1495)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)