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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

128 Rastenfeld, Pfk. Mariä Himmelfahrt 1503

Wappengrabplatte der Siguna Wenger (verh. von Neidegg), roter Marmor, an der Südwand der südlichen Seitenkapelle („Ritterkapelle“), ursprünglich im Boden des Hauptschiffs vor dem Hochaltar, teils (viertes Schriftband) von Altarstufe (?) verdeckt, 1929 gehoben und am heutigen Standort angebracht. Die Umschrift rahmt ein vertieftes Feld mit einfacher Hohlkehlenrahmung und Vollwappen mit leicht gelehntem Schild unter einem verstäbten Dreipaßbogen. Gesamte Oberfläche mit Ausnahme des ehemals verdeckten Teils (linke obere Kante) teils stark (v. a. zweites Schriftband) abgetreten.

H. 194 cm, B. 98 cm, Bu. 7 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

Anno d(omi)nj Tausentfunfhundert / vnd Jm dritten an freytag vor Ambrosy Jst gestorb(e)n dy Edl / frav Sigaun wengerin / wilhalbms von Neydeckh gemahl der got genadig sey

Datum: 1503 März 31.

Wappen: Wenger1).


Kommentar

Siguna Wenger stammte aus einem ursprünglich bayerischen Niederadelsgeschlecht und war die Erbtochter der Beatrix und des vor 1501 verstorbenen Kaspar Wenger, der in oder um Litschau begütert gewesen sein dürfte. Offenbar war sie mit der Familie Stodoligk zu Waldreichs (vgl. Kat.-Nr. 199) verschwägert und machte bereits 1502 Ansprüche auf eine Erbschaft nach der verstorbenen Gemahlin des Christoph von Topl, einer Schwester der Anna Kienberger2). Im selben Jahr heiratete sie Wilhelm (II.) von Neidegg zu Rastenberg (s. Kat.-Nr. 223)3). Aus der nur ein Jahr dauernden Ehe sind keine Kinder bekannt4). Auf ihrem Sterbebett verfaßte sie 1503 ihr Testament, verstarb jedoch vor Unterfertigung der Reinschrift, sodaß vorerst kein gültiges schriftliches Testament existierte. Siguna Wenger hatte u. a. neben Legaten von 200 lb. den. an ihren Verwandten Paul Stodoligk und 50 lb. den. an dessen Sohn Eustach (vgl. Kat.-Nr. 199) letztwillig einen Jahrtag für ihre Mutter in der Pfarrkirche Litschau, die Anfertigung der vorliegenden Grabplatte („ainen stain auf mein grab“) und ein Grabbegängnis in der Pfarrkirche Rastenfeld explizit verfügt5). Die im Zuge der Seelgerätsstiftung an die Pfarrkirche Rastenfeld im Testament vorgesehene Widmung einer grünsamtenen Schaube als Meßgewand wurde nach ihrem Tod durchgeführt, das entsprechende Meßgewand war noch 1611 in der Sakristei vorhanden6). Die Platte gehört zu einer Reihe von Grabdenkmälern, die unter den zahlreichen Produkten der Werkstätte des „Sigmund Rueder“ (s. Einleitung S. LXIII–LXVII) eine spezifische eigene Gruppe bilden. Vereinzelt wurde die vorliegende Arbeit einer Salzburger Werkstätte in der Nachfolge des Hans Eybenstock zugeschrieben7), der oder eher deren Vorbild wohl bereits die gewisse Vergleichsmomente bietende Wappengrabplatte des Martin von Trenbach in Stein8) entstammte. Im Bearbeitungsgebiet sind die gestalterischen Parallelen zur Wappengrabplatte des Achaz Vindinger in Oberranna (Kat.-Nr. 145) am deutlichsten. Außerhalb des Untersuchungsraums stehen dem vorliegenden Stein die in der Gestaltung des Vollwappens fast völlig identisch wirkenden Wappengrabplatten des Christoph Grabner (um 1500, vgl. Kat.-Nr. 108) in Kleinhain bzw. des Hans Prager (gest. 1506) in Freistadt am nächsten9).

Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang der Schriftvergleich, der ebenfalls starke Parallelen aufweist: alle Inschriften der genannten Werkstattgruppe weisen bei meist sorgfältiger Ausführung ähnliche Proportionsverhältnisse (Höhe zu Breite) der insgesamt eher schmalen Einzelformen10), eine sehr harmonisch durchgeführte Abstandsabgleichung von aufeinanderfolgenden Buchstaben nach deren optischem Eindruck sowie das meist völlige Fehlen von Duktusschwankungen auf.

An Einzelformen erscheinen fast überall a mit als feiner kurzer Haarstrich ausgeführtem runden linken Teil des gebrochenen oberen Bogens11), d mit zum Linksschrägschaft verschmolzenem oberen Teil des gebrochenen rechten Bogenabschnitts und oberem freien Bogenabschnitt, e mit rechtschrägem, als Haarstrich ausgeführten Balken, g mit kurzem, am Brechungspunkt des oberen Bogens ansetzenden Balken und tlw. nach rechts ausholendem unteren Bogen, h mit im Unterlängenbereich linksschräg abgeschnittenem unteren Teil des gebrochenen Bogens, besonders auffallend k (bei dem größere Variationsmöglichkeiten gegeben wären) durchwegs mit zum Quadrangel reduziertem oberen Schrägschaft und geradem unteren Schrägschaft, r mit Bogen aus Quadrangel und angesetztem rechtsschrägen Haarzierstrich bzw. aus zwei steil linksschrägen Schäften bestehend. Auch mehrere charakteristische Versalien – teilweise den weit überwiegend gebrauchten der „Rueder“-Werkstatt eng verwandt – scheinen immer wieder auf den angeführten Denkmälern auf: N etwa auf der vorliegenden Platte ebenso wie dem Stein des Achaz Vindinger (Kat.-Nr. 145), A in einer vollrunden, links offenen Form mit rechtsschrägem Mittelbalken auf der Platte der Rosina von Missingdorf in Altpölla und auf der vorliegenden Platte, weiters gleiche Grundformen in mit fortschreitender zeitlicher Entwicklung verstärkt dekorativer Ausführung, z. B. durch Verdoppelung von Schäften und parallelen Zierstrichen.

1) S. Si BayA 1, 191 und Taf. 193 (Wappen I), am Stein jedoch nur das Bild von Feld 1 und 4 (Löwe mit Menschenkopf).
2) Vgl. Böhmer, Regesta Imperii XIV/3/1, Nr. 11455 (1501 Februar 1, Linz; Beatrix, Witwe nach Kaspar Wenger, nimmt das landesfürstliche Ungeld von Langenlois in Nachfolge der Brüder Sigmund und Heinrich Grafen von Hardegg um 1600 fl. jährlich auf vier Jahre in Bestand; Siegler u. a. Sigmund Kienberger) bzw. NÖLA, Privaturkunde Nr. 3487/15 (1502 Februar 9, Litschau; Siguna Wenger bevollmächtigt ihren „swager und sundern gutten freundt“, Paul Stodoligk von Waldreichs, in ihrem Namen Ansprüche auf das Erbe nach der verstorbenen Frau des Christoph von Topl zu stellen), vgl. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Reg. 120a, vgl. auch Hausmann, Neudegger 207. Zu Anna Kienberger (gest. 1512) und ihrer Grabplatte aus der ehem. Pfk. Döllersheim vgl. auch Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 48.
3) Die Heiratsabrede s. in NÖLA, Privaturk. 3487/14 (1502 Dezember 8, Waldreichs), vgl. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Reg. 124.
4) Biedermann, Rastenfeld 37.
5) S. ein Transsumpt des Testamentskonzepts (1503 April 28, Rastenberg) in NÖLA, Privaturkunde Nr. 3517 (1505 April 16, Wien), vgl. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Reg. 126 und 133; Ders., „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 47 und Ders. Von deutschen Gesängen 323.
6) S. das Inventar der Pfk. Rastenfeld, Rastenberg 1611 Mai 12, DASP, Pfarr- und Klosterakten Rastenfeld. [fol. 3]: „Zum anndern in der unndtern sacristey: (...) 5. mer ein grienn sametes mesgewant mit unnser lieben frauenn biltnuß, mit golt ausgestückht, darann der herren von Neydeckh wappen“.
7) Adamek, Grabdenkmäler (1968) 31f. mit Bezug auf Leonhardt, Grabdenkmäler 67. Mögliche weitere Arbeiten dieser durch Schrift und Details der Wappengestaltung abgrenzbaren Gruppe innerhalb der „Rueder“-Werkstatt sind die Wappengrabplatte des Friedrich von Pottendorf in Pottendorf, der Rosina von Missingdorf in Altpölla (Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 49) bzw. des Bartholomäus Schrott von Streitwiesen in Weiten (Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 47). Zu Arbeiten der älteren Eybenstock-Schule s. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 26.
8) S. vorerst Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 26 und vgl. in Zukunft den ebenfalls vom Bearbeiter für die DI vorbereiteten Band mit den Inschriften der Statutarstadt Krems a. d. Donau.
9) S. Dehio Süd 978 und Dehio Mühlviertel 143 (fälschlich Ladislaus statt Hans Prager).
10) Am stärksten weicht die etwas breitere Inschrift der Rosina von Missingdorf in Altpölla (wie Anm. 7) ab.
11) Auch hier unterscheidet sich die in Anm. 7 genannte Platte aus Altpölla etwas von den anderen, da der rechte Teil des gebrochenen oberen Bogens flacher, teilweise fast waagrecht verläuft.
Literatur

Tschischka, Kunst 105. – Schweickhardt OMB 6, 140. – DASP, Nachlässe 5, Heft G, fol. 2r. – Biedermann, Rastenfeld 37. – Donin, Wildegg 129. – Plesser, Kirchengeschichte (1932) 625 (überholte Standortangabe: „im Kirchenpflaster“). – Hausmann, Neudegger 207 (fälschlich „Susanna“). – Plesser, Kirchengeschichte (1951) 53. – Eppel, Waldviertel 191. – ÖAW, NLH, 3. 4. 1965. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 31 und Kat.-Nr. 37 (Abb. 34; fälschlich „Susann“, Tagesdatum falsch aufgelöst). – Zotti, Kunst 2, 308. – Dehio Nord 948. – Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 41. – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 278 (Anm. 233).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 128,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil2/noe-3-obj128.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 92: Grabplatte der
Siguna Wenger (1503)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)