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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
137 |
Droß, Schloßkapelle Hl. Georg nach |
1506 |
Figürliche Grabplatte des Wolfgang Heidelberger und seiner Angehörigen, roter Marmor, innen an der Langhaussüdwand, 1907 außen an der Westwand des Sakristeianbaus. Die Umschrift (I) rahmt ein vertieftes Feld mit der stehenden Figur eines Gerüsteten und Behelmten (Riefelharnisch, Visier offen), in der rechten Hand eine Fahnenlanze, die Linke am Schwertgriff, am unteren Rand zwischen den Füßen ein Vollwappen, auf der Höhe des Oberwappens beiderseits je ein Wappenschild, der rechte mit Beischrift (II) über dem Oberrand.
H. 235 cm, B. 118 cm, Bu. 5 cm (I) bzw. 2,5 cm (II). – Gotico-Antiqua.
Textedition
I.
Hie leit b͜egrab(e)n D͜er Ed͜el vest wolfgang / haidlb͜erger zu tross Mit seinen
hausfrauen vn(d) mit seinen kind͜ern Er starb / 15<– – –> vn(d)a) vrsula Mül=/
feld(er)inb) sein hausfraw die starb An Mitwoch(e)n Jn(n) pfingst(e)n · 1506 · d͜en
got gnad
II.
Elena / D͜eiming(er)in
Anmerkungen
Datum: 1506 Juni 3.
Wappen: Mühlfelder1); Heidelberger2); Tieminger3).
Kommentar
Die niederadeligen Mühlfelder waren seit spätestens 1427 Inhaber des landesfürstlichen Lehens der Burg Droß (vgl. Kat.-Nr. 53).
Ursula, Tochter des Hans Mühlfelder, brachte den Sitz in ihre Ehe mit Wolfgang Heidelberger ein, der 1498 mit Droß belehnt wurde. 1504 empfing er zusammen mit Ursula Melker Lehen. Heidelbergers zweite Frau Helena, Tochter des Hans und der Walpurga Tieminger zu Haindorf, war 1501 noch zusammen mit ihren Schwestern Margarete und Ursula mit dem Sitz in Haindorf belehnt worden, sandte ihren Anteil jedoch offenbar nach der Heirat mit Heidelberger spätestens 1513 auf4).
Wolfgang Heidelberger zu Droß hatte 1492 zusammen mit seinem Bruder Jörg (Georg), Inhaber
von (Groß-)Heinrichschlag (s. Kat.-Nr. 127), Wiguleius Fellabrunner 1000 fl. ung. geliehen5). 1513 ersetzte er zusammen mit seiner Frau Helena seinem Schwager Wolfgang Wal(c)h von Prandegg (welches?) und dessen Frau Margarete die Dienste des Grubhofs bei St. Margarethen an der Sierning, der von ihren Schwiegereltern als Dotation einer Stiftung an die Kartause Gaming vorgesehen worden, nun aber durch einen Einfall ungarischer Truppen öde war, durch die Dienste von einem Hof am „Arnoltzperg“ in der Pfarre Mank6). 1522 fungierte Wolfgang Heidelberger zusammen mit Rudolf von Hohenfeld und dem Kremser Schlüsselamtmann Michael Büchler (Püchler) als landesfürstlicher Kommissar in Sachen der nach Überschwemmungen wiederherzustellenden Landstraße zwischen Stein und Spitz7). 1524 gehörte Wolfgang Heidelberger (oder ein gleichnamiger jüngerer Verwandter?) zusammen mit dem Freisingischen Pfleger von Hollenburg, Jörg (Georg) Zehetner, einer Kommission der NÖ Kammer an, die im Erbstreit um das Haus der verstorbenen Steiner Bürgerin Martha Pleisteiner entscheiden sollte. Im selben Jahr vermittelte er zusammen mit Kaspar von Volkersdorf, Christoph Rueber und Bartholomäus Kienast als Spruchmann im Streit zwischen Amalia, Witwe nach Wilhelm von Neidegg, und dem Kloster Zwettl um das Dorf Weißenalbern und nahm zusammen mit (seinem Sohn?) Christoph Heidelberger am Landtag in Wien am 14. November 1524 teil8).
Die Inschrift des Steins weist die meisten Charakteristika der Schriftgestaltung der Passauer Werkstatt Jörg Gartners zwischen etwa 1500 und 1508, der von Ramona Epp beschriebenen ersten Phase der Gartnerschen Gotico-Antiqua9), auf. Generell bestimmt den Gesamteindruck eine starke Parallelisierung der senkrechten Buchstabenbestandteile im Mittelband, wobei die ersten Schäfte von mehrschaftigen Buchstaben stumpf auf der Basislinie enden, die jeweils letzten bzw. Einzelschäfte werden dagegen häufig leicht rechtsschräg abgeschnitten und mit einem feinen Sporn versehen. Der s-förmige Aufbau des g mit unmittelbar in den rechten unteren Bogenabschnitt übergehendem linken oberen Bogenabschnitt entspricht der von Epp als für Gartner charakteristisch beschriebenen Form, auch die zwei Varianten des unteren Bogens – rund bzw. gebrochen – sind auf dem vorliegenden Stein zu finden, ebenso zeigt a mit als Haarzierstrich ausgeführtem, relativ weit gegen die Basislinie ziehenden oberen Bogen und zum Quadrangel reduzierten unteren Bogen die Gartner-typische Ausprägung. Bei h endet der Schaft stumpf auf der Basislinie, während der Bogen mit weitem Schwung im Unterlängenbereich nach links zieht. Bei kindern im zweiten Schriftband leitet der rechte untere Bogenabschnitt des d unmittelbar in den linken unteren Bogenabschnitt des anschließenden e über.
Drei der Versalien der Inschrift, D, E und M, lassen sich jeweils dem gotischen bzw. dem humanistischen Schriftbereich zuordnen. D mit den geschwungenen Schaft begleitendem Zierstrich und oben leicht umgebogenen Bogenende sowie E in seiner Zusammensetzung aus mehrfach gebrochenem und geknickten oberen Teil und sichelartigem weiten unteren Bogen entsprechen konventionellen Versalien aus Gotischer Minuskel, während das sehr schmale konische M mit hoch angesetztem, nur aus Haarstrichen bestehendem Winkel kapitale Grundform besitzt und auch in einer etwa gleichzeitigen Frühhumanistischen Kapitalis denkbar wäre. Das H am Beginn hingegen ist als dem übrigen Kanon entsprechende Gemeine lediglich durch den in halber Höhe dem Schaft vorangestellten, nach rechts durchgebogenen Zierhaken als Versal gekennzeichnet. A weist zwei nach rechts durchgebogene Schrägschäfte (der linke etwas unter der Basislinie endend) und einen hoch angesetzten linksschrägen Balken auf. Dieselben Formen der Gemeinen und einzelne Versalformen (etwa H) finden sich auf der ganz offensichtlich derselben Werkstatt entstammenden Platte des Jörg Heidelberger (Kat.-Nr. 127).
Die Zuschreibung des Steins an die Gartner-Werkstatt10) wird auch durch die Gestaltung des Wappenreliefs sowie die Figur des Gerüsteten gestützt: sowohl der im strengen Profil wiedergegebene Helm des Oberwappens, der zwischen Helmglocke und Schildoberrand einen halbkreisförmigen Raum freiläßt und die charakteristische schüsselartige Gestaltung der breitlappigen Zaddelenden sind Merkmale des Gartner-Stils, desgleichen die unorganisch abgewinkelte rechte Hand, die den Schaft der Lanze umfaßt. Die Darstellung des Gerüsteten mit dem Helm auf dem Kopf, wobei das aufschlächtige Visier nur einen Teil des Gesichts freigibt, ist auf niederösterreichischen Grabdenkmälern im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts häufig zu finden, erst gegen die Jahrhundertmitte hin überwiegen barhäuptige Figuren11).
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Droß, Schloßkapelle Hl. Georg nach • Grabplatte • Beischrift • Gotico-Antiqua • Inschriften des Totengedenkens •
Amalia •
Büchler, Michael •
Eggenburger, Christoph •
Fellabrunner, Wiguleius •
Gartner, Jörg •
Heidelberger, Christoph, Jörg, Wolfgang •
Hohenfeld, Rudolf •
Kienast, Bartholomäus •
Mühlfelder, Hans •
Mühlfelder, Ursula •
Pleisteiner, Martha •
Rueber, Christoph •
Tieminger, Hans, Helena, Margarete, Ursula, Walpurga •
Volkersdorf, Helena •
Volkersdorf, Kaspar •
Walch, Margarete •
Walch, Wolfgang •
Zehentner, Jörg •
Arnoltzperg, Hof •
Droß •
Gaming, Kartause •
Grubhof bei St. Margarethen a. d. Sierning •
Haindorf •
Hollenburg •
Melk, Benediktinerkloster •
Spitz •
St. Bernhard, Zisterzienserinnenkloster •
Stein a. d. Donau •
Weißenalbern •
Zwettl, Zisterzienserkloster
Abbildungen
Abb. 84: Grabplatte des Wolfgang Heidelberger (nach 1506) ©
Bundesdenkmalamt, Wien, Fotoarchiv
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