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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

145 Oberranna, Burgkirche Hl. Georg 1511 (?)

Fragment der Wappengrabplatte des Achaz Vindinger, hellroter Marmor, außen an der Südwand der vierte Stein von Westen, 1907 fragmentiert außen an der Turmnordseite der Pfk. Niederranna, dort offenbar noch 1923, wohl ursprünglich von dort stammend. Unter sechszeiliger Inschrift in der oberen Hälfte der Platte leicht vertieftes, schulterbogenartig verstäbtes und oben kielbogig abgeschlossenes Feld mit linksgewendetem Vollwappen. Leichte Oberflächenbeschädigungen, untere und linke Kante offenbar beschnitten (ehemals in Sekundärverwendung?).

H. 174 cm, B. 81 cm, Bu. 6,5 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

[An(n)o] im mo vc vnd Jm x[i]a) Jar an / [sand J]orgenb) tag ist gestarbe[n] der / [edl v]nd vest Achacz Vindinger / [derzei]tc) Phleger Zv Nider Renna / [– – –]d) Zway seiner kinder allhie / [begra]bn den got gnad

Anmerkungen
a) Reste des i-Schafts an der Oberlinie des Mittelbands erkennbar.
b) erg. unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Raums.
c) oder analog zu zeitgenössischen Schreibweisen [dieczei]t.
d) erg. wohl sambt oder vnd.

Datum: 1511 April 24.

Wappen: Vindinger1).


Kommentar

Achaz Vindinger, wohl ein Sohn des Wachauer Richters Jobst Vindinger2), schloß im Juli 1497 das im Jänner 1493 begonnene Studium an der Artistenfakultät der Universität Wien mit dem Bakkalaureat ab3). 1508 war er Schlüsselamtmann in Krems und übernahm 1511, vertreten durch seinen Schwager Bartholomäus Schrott von Streitwiesen, der in zweiter Ehe mit Achaz’ Schwester Katharina Vindinger verheiratet war, die Hofmeisterstelle des Admonterhofs in Krems4). 1509 hatte er die halbe Burg Albrechtsberg a. d. Gr. Krems samt Zubehör gegen 100 fl. rh. jährlich zu Pfand genommen. Nach seinem Tod fiel sie an seinen Stiefvater Wenzel Nersichgern (s. Kat.-Nr. 148†), der Inhaber der zweiten freieigenen Hälfte war5).

Der Stein weist sowohl in den Schriftformen als auch in der Gestaltung des Vollwappens Merkmale auf, die nach Karl Friedrich Leonhardt für die Erzeugnisse einer älteren Salzburger Werkstatt in der Nachfolge des Hans Eybenstock charakteristisch sind und besonders den Schnitt der Helmdecke (dreilappige, dicht ausgebreitete Bahnenenden, die teilweise schneckenförmig eingerollt werden und kreisrunde Einschlüsse bilden sowie schmale Mittelgrate aufweisen) und die Form und Position des Stechhelms und der Tartsche betreffen6). Besonders augenfällig ist die stilistische Verwandtschaft des vorliegenden Denkmals mit der zwischen 1511 und 1524 entstandenen Wappengrabplatte von Achaz’ Schwager Bartholomäus Schrott von Streitwiesen in der Pfk. Weiten7), aber etwa auch den älteren Wappengrabplatten des Hans Dachpeck und der Petronilla Grabner (gest. 1499) in der Pfk. Röhrenbach8), der Veronika Obernburger, Frau des Augustin Poppenberger (gest. 1507), in der Pfk. Nußdorf ob d. Traisen9), der Wappengrabplatte des Hans Walich zu Arbing und seiner Frau Margarete Utzinger (gest. 1509)10), der Wappengrabplatte des Jörg von Ahaim und seiner Frau Apollonia (gest. 1509) in der Klosterkirche Reichersberg und der Wappengrabplatte des Wolfgang Rampacher zu Perg (1518) in Naarn i. Machlande11), die jeweils auch mehrere mit denen des vorliegenden Denkmals übereinstimmende Versalien (etwa A, E und R) und fast völlig übereinstimmenden Kanon der Gemeinen aufweisen und in engster Beziehung zur Produktion der „Rueder“-Werkstatt (s. Einleitung S. LXIII–LXVII) stehen.

Von den insgesamt mit eher geringer Schaftstärke ausgeführten Einzelformen seien erwähnt a mit in halber Buchstabenhöhe rechtsschräg bzw. fast waagrecht abgeschnittenem senkrechten Teil des gebrochenen unteren Bogens, der obere Bogen wohl ursprünglich durch einen heute völlig abgetretenen geschwungenen Haarstrich geschlossen, g mit über den Schaft hinausragendem gebrochenen rechten oberen Bogenabschnitt, k mit zum Quadrangel reduzierten oberen Schrägschaft, Bogen-r aus zwei steil linksschrägen einander berührenden Balken und t mit an der Oberlinie des Mittelbands spitz auslaufendem Schaft.

1) Abgeknicktes Pferdebein; geschlossener Helm; abgeknicktes beschlagenes Pferdebein, aus der Beuge ein unten gestümmelter Palmbaum (?) wachsend, vgl. Aue, Wappenschlüssel 650. Ein von Bartholomäus Schrott gestiftetes Bildfenster in der Pfarrkirche Weiten zeigt ein abweichendes Wappen (gespalten: vorne in rot ein silberner Balken, hinten gold) mit der Beischrift „Katharina Vindingerin“, s. die Literaturangaben bei Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 47, Anm. 5. Das bei Si NÖ 1, 94 (Findinger, Vindinger) und Taf. 47 wohl fälschlich als das der Vindinger angegeben Wappen ist wiederum unterschiedlich. Zum auf dem Stein abgebildeten Wappen vgl. das Siegel des Jobst Vindinger an den in Anm. 2 genannten Urkunden und NÖLA, Hs. 5/2, fol. 208r.
2) Zu Jobst Vindinger, als Urkundenzeuge bzw. Siegler 1452 und 1455 als Richter der Wachau, 1462 und 1468 als „der edel […] Jobst Vindinger […] zu Weissenkirchen“ genannt, s. StiA Herzogenburg, K. n. 292 und 310 (1452 März 3 und 1468 August 29) und Marktarchiv Weißenkirchen, Urk. 39 (1452 Dezember 11) und vgl. Plesser, Kirchengeschichte (1932) 132, Plesser, Kirchengeschichte (1939) 99f., Plesser, Kirchengeschichte (1951) 532f. und 564 (1452 Dezember 11) und Gröbl, Klarissenkloster 33 und 47.
3) S. Lackner, Adel 77 und 91.
4) S. NÖLA, Hs. 5/2, fol. 208r, Plesser, Kirchengeschichte (1939) 572 und Winner, Urkundenbuch Reg. 1369 (1508 März 12). Zu Bartholomäus Schrott und dessen Wappengrabplatte in der Pfk. Weiten vgl. ausführlich Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 47, zur Familie vgl. auch Perger, Ratsbürger 243f. Bartholomäus’ Sohn Ulrich war mit der 1523 verstorbenen Susanna, Tochter des Hans Schauchinger zu Arndorf, verheiratet, vgl. das Epitaph der Schrott von Streitwiesen in der Pfk. Wieselburg (1523), s. DI 10, Kat.-Nr. 468.
5) S. HHStA, AUR 1514 I 9, worin als Datum des Pfandbriefs für Achaz 1509 März 5, Passau, angegeben wird.
6) Vgl. die Wappengrabplatte des Hans Preys von Pilgreinsgrein (gest. 1485) in der Benediktakapelle von St. Peter in Salzburg, s. Walz, Grabdenkmäler 2, Nr. 95 und Leonhardt, Grabdenkmäler 63 (Abb. 37). Weitere Erzeugnisse dieser Werkstatt sind vermutlich die Grabdenkmäler des Wolfgang von Missingdorf (entstanden zu Lebzeiten gegen E. 15. Jh., der erst wesentlich später in Kapitalis erfolgte Nachtrag des Sterbejahrs 1447 ist offensichtlich falsch) im Wiener Schottenkloster (s. Dehio Wien 155), der Siguna Wenger in Rastenfeld (Kat.-Nr. 128), des Martin von Trenbach (gest. 1477) in Stein und der Rosina von Missingdorf (gest. 1513) in Altpölla, s. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 26 und 49 sowie die in der Literatur auch öfters als Arbeit der Werkstatt Franz Sickingers gewertete Wappengrabplatte des Jörg (Georg) Matschacher (nach 1491) in der sogenannten Studentenkapelle in Wilhering, vgl. Schraml, Stift 6, 23 und 43 (Bild 15). Der Platte der Rosina von Missingdorf ähnelt am stärksten die Wappengrabplatte der Magdalena Zerer (geb. Kaiser) von Aschach (gest. 1509) in der Pfk. Hartkirchen, s. Forster, Grabdenkmäler, Kat.-Nr. 20 und vgl. in Zukunft den von Roland Forster für die DI vorbereiteten Band mit den Inschriften des PB Eferding. Im Unterschied zu den anderen aufgezählten Denkmälern weisen die beiden letztgenannten Steine, die Wenger-Platte und das in Anm. 11 genannte Denkmal in ihren Inschriften teilweise jene charakteristischen Versalien auf, die in der Werkstatt des „Sigmund Rueder“ üblich waren (s. Einleitung).
7) S. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 47.
8) S. ÖKT 5, 469 und Fig. 539.
9) S. Koch, Grabdenkmäler 111, 115 und 117 (Taf. 62, Nr. 1) und Dehio Süd 1578. Zu weiteren Grabplatten aus dieser Werkstatt vgl. Kat.-Nr. 108. Eine jüngere Arbeit der Werkstatt dürfte die stark abgetretene Wappengrabplatte des Hans Lerchau (?) von Pergau (gest. 1522) in der Pfk. Hainfeld sein, s. Dehio Süd 711, auch die Wappengrabplatten der Familie Matschperger (nach 1518) auf dem Salzburger St. Petersfriedhof (s. Walz, Grabdenkmäler 3, Nr. 128), des Christoph Reutter (gest. 1502), der Pratzl (Prätzl) von Radeck (1508) und des Alex und Sigmund Kheutzl (1508 mit Nachtrag von 1519) in der Margaretenkapelle von St. Peter in Salzburg (s. Walz, Grabdenkmäler 3, Nr. 122) gehören offenbar in diese Gruppe. Die Tatsache, daß der elf Jahre jüngere Nachtrag des zweiten Sterbevermerks auf der letztgenannten Platte dieselben Schriftformen wie die ursprüngliche Inschrift zeigt, macht wahrscheinlich, daß die ausführende Werkstatt in Salzburg selbst oder in der Nähe zu lokalisieren ist.
10) S. Dehio Mühlviertel 36.
11) S. Dehio Mühlviertel 464. Gegenüber den vorgenannten Denkmälern weist dieser Stein eine etwas lockerere Gestaltung der Helmdecke und eine völlig andere Schildform auf.
Literatur

ÖKT 1, 331. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 209f. (Standort Niederranna). – ÖAW, NLH, 17. 4. 1962. – Eppel, Waldviertel 18 (veralteter Standort Pfk. Niederranna). – Dehio Nord 827 (spätes 15. Jh.).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 145,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil2/noe-3-obj145.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 90: Grabplattenfragment des
Achaz Vindinger (1511)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)