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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

158 St. Michael, Fk. Hl. Michael 1518 1518

Wappengrabplatte bzw. Epitaph des Ambros Lechner, roter Marmor, außen an der Ostseite des ersten südlichen Langhausstrebepfeilers neben dem Südportal, dort schon 17771), vermutlich am Originalstandort. Unter achtzeiliger Inschrift in der oberen Hälfte Vollwappen in seichtem Feld mit dreipaßförmigem Abschluß und Hohlkehlenrahmung.

H. 167 cm, B. 85 cm, Bu. 5,5 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.


Textedition
			

Annoa) domini (et) c(etera) 1518 Jar am / phinstag vor sand Matheustag / ist gestorben der Ersam vnd / Weis Ambros Lechner purger / zw Weisendorff vnd der zeit Richter / der Wochaw dem got genädig / sey ligt all hie vnter disem stain / pegrabm

Anmerkungen
a) o verkleinert hochgestellt.

Datum: 1518 September 16.

Wappen: Lechner2).


Kommentar

Ambros Lechner war vermutlich ein Sohn des Wachauer Richters Thomas Lechner, der am 26. Jänner 1496 einer Gerichtssitzung in Joching im Streit zwischen der Weißenkirchener Fronleichnams­bruderschaft und Stephan K(h)ornhu(e)t vorsaß, am 26. Dezember 1498 als Zeuge der Bruder­schaftsrechnung der Weißenkirchener Fronleichnamsbruderschaft fungierte und neben anderen Zechmitgliedern 1502 die Baurechnung des Weißenkirchener Baumeisters (Kirchenbauaufsehers) Wolfgang Fröhlich über den Turmbau an der Weißenkirchener Filialkirche entgegennahm3).

Ein jüngerer Verwandter (Sohn?) Ambros’, Matthias, war 1526 Richter der Wachau. 1527 verpfändete (?) er seinem „schwager“, dem Wiener Bürger Michael Alantsee, den Weingarten „Schwansee“. Bereits 1522 hatte Alantsee in Erfüllung eines testamentarischen Wunschs seines „schwagers“ Wolfgang Lechner (ein mutmaßlicher Bruder Matthias’) Michael Göbl 10 fl. zuhanden des Rats zum geplanten Bau eines Bürgerspitals in Weißenkirchen übergeben. Da der Bau jedoch in den darauffolgenden fünf Jahren nicht zustandekam, forderte Alantsee den Betrag 1527 von der Gemeinde zurück, um ihn anderwärtig zum Wohl der Armen anzulegen.

1523 verkaufte Alantsee zusammen mit seiner Frau Ottilia den „Schüczenhoff “ am Weißenkirchener Marktplatz (Teisenhoferhof, heute [Marktpl.] Nr. 22 und 177, s. Kat.-Nr. 217) samt einem Baumgarten und einem Lehen im Weißenkirchener Schlottviertel an Matthias Lechner und den Wachauer Richter Hermann Payr von Wösendorf, die offenbar als Gerhaben der unvogtbaren Margarete Lechner fungierten. Michael Göbl besiegelte die Urkunde anstelle des Ausstellers, Matthias Lechner anstelle seines „vetters“ Matthias Schrott. Im selben Jahr erscheint im Anschlag über die Häuser in Weißenkirchen Matthias Lechner als Inhaber eines Hauses im Marktviertel im Wert von 160 lb. den., des Hofs „im Pach“, des halben Schützenhofs (Teisenhoferhofs) im Wert von 90 lb. den. sowie von Weingärten, die zusammen mit den Häusern 1026 lb. den. Wert waren. Die zweite Hälfte des Teisenhoferhofs, die auf 841 lb. den. veranschlagt wurde, hatte Matthias’ mutmaßlicher Bruder Wolfgang inne4).

Der formal als Grabplatte anzusprechende Stein – der Verweis auf die unterhalb des Denkmals liegende Grabstelle des Verstorbenen deutet jedoch auf eine Funktion als Epitaph hin – ist in Anbetracht der Parallelen in der Wappengestaltung (Helmdecke) und der übereinstimmenden Formen der Inschriften einschließlich des charakteristischen Versalienkanons zusammen mit mehreren anderen Grabdenk­mälern des Bearbeitungsgebiets (Kat.-Nr. 144, 161, 165, 169, 170, 181, 184 und 201) der Werkstätte des „Sigmund Rueder“ (s. Einleitung S. LXIII–LXVII) zuzuschreiben5).

1) S. StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 114r: „Statim penes portam ecclesiae ubi exitur muro immissum“.
2) Geteilt; über beide Felder Löwe; geschlossener Helm; zwischen zwei Büffelhörnern Löwenrumpf.
3) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 534 (1496 Jänner 26) und 536 und DASP, PA Weißenkirchen, Kirchenrechnungen 1 (Fasz. Zechrechnungen: „Vermerkht mein innemen, so ich Wolffgang Pasteiner, zechmaister in gotzleichnambszech zu Weyssenkhirichen ingenomen hab, anno domini mcccc und im lxxxxviiii angefengt“). In den Urkunden des Weißenkirchener Marktarchivs scheint er 1490 erstmals auf, s. Urk. 70 (1490 März 18).
4) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 541, 543 (1527 Juli 18, Weißenkirchen (Regest unverständlich), 578 (1527 Jänner 5), 578f. (1523 März 4) und 581.
5) Der Werkstattzusammenhang richtig hergestellt bereits bei Adamek, Grabdenkmäler (1968) 23f., bzw. Dems., Grabdenkmäler (1969) 45.
Literatur

StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 114r (aquarellierte Federzeichnung; fälschlich „Andreas Lechner“). – Schmidl, Umgebungen 1, 416 (fälschlich „Ambros Lechzer“). – DASP, Nachlässe 5, Heft K, fol. 16r. – ÖKT 1, 569. – Goll, Michael, St. 549 (fälschlich „Lechzer“). – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 377 („Elf Grabsteine, 1513–1806). – ÖAW, NLH, 27. 8. 1962. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 23f. und Kat.-Nr. 44 (Abb. 40). – Adamek, Grabdenkmäler (1969) 45. – Topitz, Ziffer-Jahreszahlen 147 (Nachzeichnung der Jz.). – Dehio Nord 1022.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 158,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil2/noe-3-obj158.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 93: Grabplatte des
Ambros Lechner (1518)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)