Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
190 |
Haitzendorf, Pfk. Hl. Ulrich |
4. V. 15. Jh.-1. V. 16. Jh. |
Ensemble von mehreren gleichzeitigen Inschriften bzw. Graffiti an der Chorsüdwand im zweiten und dritten Joch bzw. in der südlichen Sessionsnische. Unterhalb einer älteren malerischen Ausstattung (vgl. Kat.-Nr. 25), rechts von einem Konsekrationskreuz (um 1340) ein rot auf naturfarbenem Putzgrund aufgemaltes Monogramm (I). Zwischen diesem und dem Konsekrationskreuz Graffiti (II), Rötelstift: vierzeiliger Text in nicht mehr deutbarem Zusammenhang. Links des Konsekrationskreuzes rot aufgemaltes Wort in pseudohebräischen buchstabenähnlichen Zeichen. In der Sessionsnische spiegelverkehrt rot aufgemalte monumentale Inschrift (III). Alle Inschriften zwischen 1985 und 1990 freigelegt und restauriert, durch zahlreiche mit graugelben Putzplomben geschlossene Aufspitzungsspuren beschädigt.
Bu. 17 cm (I), 1–2 cm (II) und 41–46 cm (III). – Gotische Majuskel (I), schreibschriftliche spätgotische Kursive (II) und Gotische Minuskel (III).
Textedition
I.
A͜H
II.
[P]utata) [– – –] / A pon[– – –]d / [– – –] est Evenietb) / [– – –]
III.
m(ari)a · esc)
Anmerkungen
Kommentar
Die Gotische Minuskel der großformatigen Inschrift in der Sessionsnische (III) könnte in ihrer spiegelverkehrten Schreibweise vielleicht auf schriftmagische Vorstellungen zurückgehen und apotropäische Funktion haben. Ihre lockere Gestaltung (in sorgfältiger stilisierten Inschriften zu bloßen Quadrangeln reduzierte gebrochene Buchstabenbestandteile erscheinen hier als kurze, parallelogrammartig verzogene Schrägschäfte) – wohl auch durch den flotten Auftrag mit breitem Pinsel technisch bedingt – deutet auf eine eher späte Entstehung im oben angesetzten Zeitraum hin.
Das Monogramm in Gotischer Majuskel (I) besteht aus pseudounzialem A mit kräftig geschwelltem Schrägschaft, beidseitig stark überstehendem Deck- und linksschrägem Mittelbalken und unzialem H in Nexus litterarum; Der als breiter Serif ausgebildete Sporn des gemeinsamen Schaftes von A und H schließt die beiden Buchstaben an der Basislinie fast völlig ab, im Binnenraum des H-Bogens wächst aus dem Strich an der Basislinie ein fetter Schaft nach oben, der möglicherweise erst mißdeutet bei der Restaurierung aufgemalt wurde. Aufgrund der übereinstimmenden Farbe und dem Auftrag mit breitem Pinsel sowie der räumlichen Nähe dürfte sie mit den übrigen Inschriften gleichzeitig sein. Eine Verwendung von Gotischer Majuskel für Einzelbuchstaben ist auch noch um 1500 im handschriftlichen Bereich (als Lombarden, bei Rubren, Kapitelüberschriften, Auszeichnungsschriften) sowie für Versalien in Gotischer Minuskel häufig belegbar, selbst das E in Eveniet der kursiven Inschrift II entstammt im weiteren Sinn der Gotischen Majuskel.
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
|
Denkt (...) ist (...) wird ausgehen (II).