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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

195 Göttweig, „Alte Burg“ (1526?)

Spruchinschrift, Wandmalerei, innen im Obergeschoß der „Alten Burg“ ( jetzt Graphische Sammlung) an der Westwand. Als Teil einer dekorativen malerischen Ausstattung des Raums (ornamentale Wellen­rankenmotive und Bordüren an den Trambalken der Decke und an den Wänden) etwa 1,5 m unterhalb der Decke schwarz auf blaßrosa Putzgrund aufgemalt. Malereien noch 1962 (?) freiliegend, später übertüncht, im November 2002 wieder freigelegt und restauriert.

H. (des Schriftfelds) 9 cm, B. 50 cm, Bu. 7 cm. – Frühhumanistische Kapitalis.


Textedition
			

SI · FATA · SINVNT Aa)

Anmerkungen
a) N retrograd; Trennzeichen dreieckig.

Wenn es das Schicksal zuläßt.


Kommentar

Das an die entsprechende Junktur bei Vergil, aen. 1,18 („Si qua fata sinant, iam tum tenditque fovetque“) anklingende sentenzartige si fata sinunt erinnert auch an spätantike Formulierungen aus Grab­inschriften1). Ob das am Schluß der Inschrift stehende A als Initiale zu deuten ist, ist unklar; obwohl die Inschrift möglicherweise ursprünglich noch länger war, läßt der weite Abstand nach dem letzten A doch kaum an den Anfangsbuchstaben eines ganzen (verlorenen) Worts denken.

Die insgesamt recht schmalen Formen der Inschrift, die konsequente Verwendung des retrograden N sowie die stark ausgeprägten Deckstriche des A lassen die Inschrift dem Erscheinungsbild der Frühhumanistischen Kapitalis gegen Ende des ersten Viertels des 16. Jahrhunderts zuordnen, was auch mit dem Datierungsbefund der übrigen Wandmalereien übereinstimmt.

Die wahrscheinlich aus dem Jahr 1526 (vgl. Kat.-Nr. 196†) stammende malerische Ausstattung im Obergeschoß der „Alten Burg“ im Süden des Klosterareals, eines als Sitz des Klosterhauptmanns wehrhaften, über älterem Kern vor allem des 14. Jahrhunderts im wesentlichen spätmittelalterlichen, ursprünglich viereckigen zweigeschossigen Baus mit Rundtürmen an den Gebäudeecken (die gesamte Osthälfte 1783 abgetragen), war bis spätestens 1962 noch vollständig erhalten. Im Zuge der Adaptierung der Räumlichkeiten für die Unterbringung der Graphischen Sammlung des Klosters im Jahr 2002 wurden zwei vor Anlage der Malereien abgemauerte Spitzbögen in der Scheidewand des Obergeschoßes wieder geöffnet, wodurch großformatige vegetabile Ornamente aus der angegebenen Zeitstellung verloren­gingen2). Ob die Wandmalereien der „Alten Burg“ bereits in einem Zusammenhang mit den jedenfalls zwischen 1530 und 1533 belegten Arbeiten des Niklas Preu an malerischen Raumausstattungen im Kloster standen, ist unklar3).

1) Vgl. die Nachweise in Hexameter-Lexikon 2, 232.
2) Zur Anlage der „Alten Burg“ und den durchgeführten Restaurierungen von 2002 s. knapp Sackmauer, Göttweig 43 mit Abb. 45 (die Inschrift selbst nicht erwähnt), zur Baugeschichte Lechner, Stift 34 und Ders., Göttweig 801, zuletzt, auch zum jüngsten Umbau, Grünwald, Ansichten 45–48. Ritter, Abt 21, referiert bereits zum Jahr 1518 die Anfertigung steinerner Fensterstöcke für den „gemalten Saal“, dessen Identifizierung mit dem oben besprochenen Raum der „Alten Burg“ fraglich ist.
3) S. die entsprechenden Auszüge aus den Rechnungsbüchern Abt Matthias (II.) und Abt Bartholomäus’ bei Dworschak, Ausläufer 165. Vgl. zu Preu auch Perger, Künstler 151.

Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 195,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil2/noe-3-obj195.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Göttweig, „Alte Burg“    •  Spruchinschrift  •  Wandmalerei  •  Frühhumanistische Kapitalis  •  Matthias II.  •  Preu, Niklas  •  Schönleben, Bartholomäus