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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

208 Göttweig, Klosterkirche 1537

Figürliches Grabdenkmal des Abtes Bartholomäus Schönleben, roter Marmor, in der Kirchenvorhalle an der Westwand der vierte Stein von Süden, bis 1719 an nicht näher bekanntem Standort in der Klosterkirche. Sockellose, auf zentralperspektivische Wirkung bedachte Ädikula: zentrale Rundbogen­nische (Zwickel mit vegetabilem Dekor gefüllt) mit Relief des in Viertelprofil nach rechts stehenden Abtes in Pontifikalgewändern und Mitra, die Linke umfaßt das Pedum samt Velum, die Rechte hält ein aufgeschlagenes Buch vor der Brust. Im Hintergrund Vorhang mit zartem Granatapfeldekor. Zwei flankierende schlanke Säulen mit Knospenkapitellen über stark gelängten Postamenten tragen das einfach profilierte Gesims, im Fries mittig ein kleiner Wappenschild aus Solnhofer Plattenkalk. Im Rundbogengiebel (flankiert von zwei Rosetten und im Scheitelpunkt von einem Cherubskopf bekrönt) achtzeilige, ehemals vergoldete Inschrift. Das ursprünglich vielleicht aus Metall eingelegte Kreuz an der Spitze der Mitra fehlt, kleinere Oberflächenbeschädigungen vor allem am Gesims.

H. 314 cm, B. 130 cm, Bu. 3,5 cm. – Kapitalis.


Textedition
			

· HANC · CORPORIS · / EFFIGIEM · SI · QVIS NON · VI/DIT · BARTHOLOMEI · A͜RCHIMAN/DRITA͜ E · A͜ETATIS · SVE · 38 · REGIMINIS · / · 5 · HANC · SCITE · AD · VIVVM · EXSCVLP/TVM · HOC · MARMOR · DABIT · AN(NO) · 1 · 5 · 37 · / MORITVR · IDEM · ABBAS · VITA · ET · GENERE · / · EGREGIVS · AN(NO) · 1 · 5 · <..>

Anmerkungen

Dieses Bild eines Leichnams (wenn es jemand nicht sieht), (nämlich) des Abtes Bartholomäus im 38. ( Jahr) seines Alters, im fünften seiner Regierung, dies, wisset, wird dieser zu Lebzeiten (oder: lebensgetreu) im Jahr 1537 behauene Marmorstein wiedergeben. Derselbe Abt, durch Lebenswandel und Abkunft herausragend, starb im Jahr 15 <..>.


Wappen: Schönleben1).


Kommentar

Bartholomäus Schönleben, 1498 oder 1499 als Sohn des Nikolaus Schönleben und der Anna Gaisberger in Altdorf („Alchdorf“) geboren, hatte in Wien Theologie studiert und trat 1515 als Novize in Göttweig ein, die Profeß legte er im Folgejahr ab. Am 16. Oktober 1532, drei Tage nach dem Tode Abt Matthias’ (II.) von Znaim (s. Kat.-Nr. 204), wurde Schönleben, damals Prior, von acht Professen zu dessen Nachfolger gewählt. Die päpstliche Bestätigung seiner Installation, anläßlich derer vielleicht eine Silbermedaille mit Porträt und Allianzwappen des Abtes vom aus Schwaben stammenden Wiener Bildhauer Konrad Osterer mit dem Porträt des damals 36jährigen Abtes aufgelegt wurde, erging erst im Folgejahr auf Betreiben des römischen Prokurators des Anton Fugger, Quirin Galler. Die Taxen dafür betrugen 212 Dukaten, während das Barvermögen der Abtei zu Schönlebens Regierungsantritt lediglich 230 lb. den. ausmachte. Zur Begleichung der Forderung verkaufte Abt Bartholomäus das Göttweiger Bergrecht und ein Haus in Klosterneuburg. Mehreren weiteren Besitzveräußerungen und Verpfändungen stand der Erwerb des Brunnhofs in Brunnkirchen von Christoph Jörger 1539 gegenüber. Schönleben ließ u. a. den auf alten Göttweiger Ansichten prominent dargestellten Kanzleiturm über der Einfahrt zum inneren Abteihof, die damalige Sakristei/Schatzkammer und die darüberliegende Bibliothek sowie vermutlich die Trivialschule (s. Kat.-Nr. 207†) erbauen, neue Öfen im Gästetrakt setzen, einen Brunnen graben und die Verteidigungsanlagen verstärken. Noch in seinem Todesjahr 1541 war Schönleben Angehöriger der landesfürstlichen Visitationskommission in Dürnstein. Schönleben starb nach neunjähriger Sedenz, während der die Zahl der Konventualen infolge des Wirksamwerdens der Reformation abzunehmen begann, am 20. August 1541 im Schottenkloster in Wien, sein Nachfolger wurde der vormalige Prior Placidus.

Auch das qualitätvolle Grabdenkmal Schönlebens wurde höchstwahrscheinlich von Konrad Osterer geschaffen, der nach einem am 1. Dezember 1537 ausgestellten Schuldbrief Abt Bartholomäus’ für ein wohl mit dem gegenständlichen identisches Grabdenkmal und für zahlreiche andere geleistete Arbeiten 50 fl. erhalten sollte2). Wohl ebenfalls im Auftrag Schönlebens, der auch den schon seit 1530 für das Kloster tätigen Maler Niklas Preu noch bis wenigstens 1533 weiterbeschäftigte, wurde von Osterer um 1540 die heute in der südlichen Altmannikapelle in der Krypta der Klosterkirche als Deckplatte eines modernen Hochgrabs fungierende Sandsteinplatte mit der in Resten polychromierten (vegetabile Textilmuster aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts) Liegefigur Altmanns für das Memoriengrab des Stifters angefertigt. Ursprünglich oder doch wenigstens seit Abt Gregor Heller (1648–1669) befand sich dieses Grab in der Klosterkirche beim alternativ zu anderen Traditionen als ursprünglicher Begräbnisort des Bischofs verehrten Altmannialtar in der östlichsten südlichen Seitenkapelle, in der sich auch das Epitaph Hellers befindet. Der freie Raum unter der ursprünglichen Altarmensa (ein neues Altarbild hatte wohl 1658 der Göttweiger Hausmaler Georg Bergmann geschaffen) war mit der Liegefigur Altmanns nach Art eines Tischgrabmals gestaltet, an der Schauseite war der Freiraum mit einem blauen Eisengitter verschlossen. Dieses Memoriengrabmal wurde 1772 von Abt Magnus Klein abgebrochen und durch eine neue Tumba aus schwarzem Lilienfelder Marmor und im Folgejahr einen neuen Altar ersetzt. Die alte figürliche Platte wurde damals in den alten Kreuzgang (Apothekergang) links neben den Abgang zur Krypta versetzt3).

Auch zu Abt Bartholomäus hatte um 1600 eine Darstellung im Rahmen einer geschlossenen Serie von Äbtebildern existiert4).

Die erst den zweiten Beleg im Bearbeitungsgebiet für einen längeren Text in dieser Schriftart darstellende Kapitalis der Inschrift wurde mit hohem Anspruch eingehauen, wenngleich Unsicherheiten bei der nicht immer völlig harmonisch wirkenden Spationierung festzustellen sind. Die Einzelformen sind überwiegend relativ breit, der Wechsel von Haar- und Schattenstrichen, recht konsequent mit Verstärkung der Senkrechten und der Linksschrägen durchgeführt, mäßig ausgeprägt. Freie Schaft-, Balken- und Bogenenden werden mit meist sorgfältig gestalteten Serifen versehen. Der Berührungspunkt der beiden Schrägschäfte des A wird spornartig abgeflacht, B weist einen erheblich weiter nach rechts ausladenden unteren Bogen auf, bei C schließen oberes und unteres Bogenende meist auf gleicher Höhe, E weist gleichlange obere und untere und verkürzten mittleren Balken auf, G hat eine bis zur Mittellinie reichende senkrechte Cauda, L einen sehr langen Balken, M ist durchwegs konisch mit nur etwa ein Drittel der Höhe des Schriftbands einnehmendem Mittelteil, die mitunter gerade, meist stachelförmige R-Cauda ist nahe an den Schaft herangerückt.

1) Auf Dreiberg ein schreitendes Lamm, im rechten Vorderfuß geschultertes Pedum samt Velum, vgl. StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 99r, Ders., StiB Göttweig, Cod. rot 896, fol. 77v und Lechner, Klosterheraldik 771 (Zeichnung und Blason).
2) Zu Schönleben und seinen Aufträgen an Osterer s. StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 77r-80v(Nachzeichnung der Medaille und zweier Petschaften), Bergmann, Medaillen 2, 15–18 mit Tab. XVI (Nr. 75), Dungel, Göttweig 566, ÖKT 1, 438–440, Treiber, Situation 28, Zedinek, Göttweig 67, 72 und 75, Dworschak, Ausläufer 159, Adamek, Grabdenkmäler (1968) 45–47, Ders., Grabdenkmäler (1971) 184, Lechner, Stift 48, Lashofer, Professen 175, Hödl, Göttweig 162 sowie Fischer, Hellerhof 28. Die Dürnsteiner Visitation s. in StiA Herzogenburg, D. n. 417 (1541 April 1, Wien). Zur in mindestens zwei Exemplaren in Göttweig und dem Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien erhaltenen Medaille s. Bergmann, w. o., und 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 1025 (Gregor M. Lechner) und Lechner, Göttweig 841. Tatsächlich stimmen die Porträtgesichter Schönlebens auf dem Grabdenkmal und im Avers der Medaille so weitgehend überein, daß die Annahme eines gemeinsamen Künstlers auch aus stilistischen Gründen zwingend scheint. 1536 hatte Schönleben ein Meßgewand mit Perlstickerei vom Kremser Dominikanerkonvent angekauft, s. Kühnel, Dominikanerkloster 143.
3) StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 66v-67r (mit ganzseitiger aquarellierter Federzeichnung), vgl. auch ÖKT 1, 29, 440 (Taf. XXI), 444f. und 462–464 (Fig. 348), Zedinek, Göttweig 78 mit teils mißverstandenen Angaben, Ders., Darstellung 95f., Dworschak, Ausläufer 165, 900 Jahre Stift Göttweig 751 und Lechner, Göttweig 806. Während Ders., Stift 14 wohl versehentlich nach ÖKT 1, 462 angibt, die Platte sei 1879 aus dem Apothekergang an den heutigen Standort versetzt worden, beschreibt sie noch 1893 Dungel, Göttweig 495 als in der nördlichen Kapelle der Krypta befindlich. In 900 Jahre Stift Göttweig 751 die mit Dungel übereinzustimmende Angabe „bis 1879 im Apothekergang aufgestellt; seit 1983 in der Südkrypta“. Die Platte s. in Abb. bei Lechner, Stift, Abb. 28 (Tafelteil). Hans Tietze suchte den Bildhauer der Altmann-Figur in Wien in stilistischem Zusammenhang mit dem Pilgram-Orgelfuß bzw. dem „Fenstergucker“ von St. Stephan, s. ÖKT 1, 29.
4) S. die Aufzeichnungen Job Hartmann Enenkels (vor 1603) in NÖLA, Hs. 78/3, pag. 400 („Catalogus abbatum monastery in Gothwico, veluti ibi depicti videndi sunt“). Im Rahmen dieser Reihe von Äbtebildern (vgl. ausführlicher Kat.-Nr. 365†) war Bartholomäus jedoch fälschlich als 38. Abt mit einer Regierungszeit von 1537 bis 1546 gezählt worden. Schenggl gibt für „antiquae quaedam effigies abbatum“ vor 1719 einen Standort im Chor der Barbarakapelle an, s. StiA Göttweig Cod Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 134.
Literatur

StiA Göttweig Cod Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 136f. – StiA Göttweig, Cod. Ser. nov. 91 (Schenggl), pag. 717. – StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 178r (ganzseitiger Kupferstich). – Tschischka, Kunst 79 (1541). – Bergmann, Medaillen 2, 17f. – Sacken, Kunst 681 (fälschlich 1535). – Dungel, Göttweig 496. – DASP, Nachlässe 5, Heft L, fol. 42r. – ÖKT 1, 29, 438, 440 (Fig. 325) und 470f. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 89 („17 Grabsteine in der Kirche und Vorhalle“). – Schaffran, Land 66 und 72. – ÖAW, NLH, 2.-4. 7. 1958. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 45–47 und Kat.-Nr. 62 (Abb. 55). – Adamek, Grabdenkmäler (1969) 51f. – Adamek, Grabdenkmäler (1971) 184. – Lechner, Stift 48 (Abb. 32 [Tafelteil]). – Lashofer, Professen 175. – 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 1314 (Abb.). – Hödl, Göttweig 162. – Dehio Süd 571. – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 265 (Anm. 150).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 208,
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Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 107, Frontispiz: Grabdenkmal des
Abtes Bartholomäus Schönleben (1537),
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©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)