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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
210 |
Spitz, Pfk. Hl. Mauritius |
1539 |
Wappengrabplatte des Hans und der Brigitta Kirchberger (geb. von Neidegg), roter Marmor, an der Ostseite des nördlichen Strebepfeilers im dritten Joch des Mittelschiffs. In der oberen Hälfte des Steins fünfzehnzeilige Inschrift, darunter in vertieftem Feld zwei reliefierte Vollwappen.
H. 138 cm, B. 71 cm, Bu. 3,8 cm. – Kapitalis.
Textedition
HIE · LIGT · BEGRABEN · DER EDL · / VEST · HANS ·
KIRICHPERGER · / DER · GESTORBEN · IST · AM · MITI=/CHEN ·
IN · PFINGSTFEIRTAGEN / ANNO · M · D · 39a) · VND SEIN ·
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Anmerkungen
Daten: 1539 Mai 28; 1538 August 13.
Wappen: Kirchberger1); Neidegg2).
Kommentar
Hans war der zweitjüngste Sohn der Siguna Purgstaller und des Bernhard Kirchberger, der 1508 die Herrschaft Viehofen und 1518 die Herrschaft und den Markt Spitz als freies Eigen vom Reichserbkämmerer Joachim Graf von Hohenzollern gekauft hatte. Zwischen 1535 und 1539 bemühte sich Hans um die landesfürstliche Genehmigung für eine Salzniederlage in Spitz3). 1536 war er zusammen mit seinem Verwandten Eustach Stodoligk und Lorenz von Kuefstein Mitglied einer ständischen Kommission im Rechtsstreit zwischen Helfried von Meggau und den Brüdern Bernhard und Thomas Beheim von Friedesheim4) sowie 1537 und noch 1539 Ritterstandsverordneter in Österreich unter der Enns. 1538 lieh er dem Heiliggeistkloster in Ybbs 50 lb. den5). Aus Hans’ Ehe mit Brigitta von Neidegg, Tochter Wilhelms (II.) von Neidegg zu Rastenberg und der Benigna Amalia von Rottal (s. Kat.-Nr. 171 und 224), stammten ein Sohn Wilhelm und eine Tochter Siguna6).
Der Wortlaut des deutschen Bibelzitats entspricht nicht dem der Lutherbibel7). Es handelt sich demnach um eine freie Übersetzung des Vulgata-Texts oder um die Adaption einer älteren deutschen Bibelübersetzung.
Aus derselben Werkstätte wie der vorliegende Stein stammt angesichts der übereinstimmenden Charakteristika von Inschrift und Wappengestaltung ganz offensichtlich die Wappengrabplatte des Sebastian Grabner (gest. 1534) und seiner beiden Frauen in Kleinhain8) und möglicherweise die ein Jahrzehnt jüngere Platte der Apollonia von Hofkirchen (gest. 1549) in Raabs a. d. Thaya, die jedoch weniger enge Parallelen in der Gestaltung des Wappens zeigt und eine deutliche abweichende Inschrift trägt9). Der Vergleich mehrerer Gestaltungselemente, vor allem die Ausformung der Vollwappen und der architektonischen Rahmungen sowie signifikante Dekorelemente rücken die einzelnen mutmaßlichen Produkte dieser Werkstattgruppe in unterschiedlich gut greifbare Nähe zu den Arbeiten jener vielleicht in der Eggenburger Gegend ansässigen Werkstatt, die neben Grabdenkmälern die Bauplastik an zahlreichen Schlössern der Zeit herstellte.
Erwähnenswert ist an der Ausführung der Inschrift der vorliegenden Platte, daß die Buchstaben mancher Wörter in den Zeilenzwischenraum nach unten reichend vergrößert sind, eine äußerst seltene Gestaltungsvariante. Die Inschrift selbst wurde mit überwiegend breiten, tendenziell einem Quadrat einschreibbaren Formen sowohl in Bezug auf Buchstabenabstände als auch Zeilenzwischenräume sehr dicht gesetzt, hat jedoch durch in sich stimmige Proportionen eine gewisse Spannung. Haar- und Schattenlinien werden kaum unterschieden, Schaft- und Bogenenden mit breiten Sporen versehen. An Einzelformen erscheinen A mit tief angesetztem Balken, der Berührungspunkt der beiden Schrägschäfte an der Oberlinie konsequent abgeflacht, B mit größerem unteren Bogen, E mit moderat verkürztem Mittelbalken, G mit sehr unterschiedlich langer senkrechter Cauda, stets vom oberen Bogenende rechts überragt, I mit kleinem eingebohrten Punkt, K entweder mit ausladenden symmetrischen Schrägschäften oder durchgebogenem unteren Schrägschaft, am oberen ansetzend, gerades M mit etwa zwei Drittel der Höhe des Schriftbands einnehmendem Mittelteil, teilweise vollrundes O und überwiegend schmales R mit geschwungener Cauda. Die offenbar ebenfalls aus dieser Werkstatt stammende Inschrifttafel von 1551 am Schloß Mautern (Kat.-Nr. 244) zeigt in ihrer Inschrift zwar den überwiegend gleichen Formenkanon, aber ganz andere Proportionen.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Spitz, Pfk. Hl. Mauritius • Wappengrabplatte • roter Marmor • Kapitalis • Inschriften des Totengedenkens •
Auersperg, Sigmund •
Friedesheim, Thomas •
Fugger, Sibylla •
Goldstain, Anton •
Grabner, Sebastian I. •
Greiß, Wilhelm d. Ä. •
Hofkirchen, Apollonia •
Hohenzollern, Joachim •
Khevenhüller, Christoph •
Kirchberger, Bernhard, Hans, Margarete, Siguna, Wilhelm •
Kuefstein, Lorenz •
Lasberg, Christoph •
Lasberg, Hans •
Lauffner, Alexius •
Maming, Georg •
Meggau, Helfried •
Neidegg, Brigitta •
Neidegg, Wilhelm II. •
Notlitsch, Blasius •
Oberndorfer, Sebastian •
Purgstaller, Siguna •
Rottal, Benigna Amalia •
Salius, Hieronymus •
Schwetkowitz, Karl •
Seicz, Mang •
Stainhauser, Sigmund •
Stodoligk, Eustach •
Wagner, Andreas •
Baden •
Eggenburg •
Kleinhain •
Maria-Anzbach •
Mautern a. d. Donau •
Mödling •
Ochsenburg •
Ottensheim •
Pyhra •
Raabs a. d. Thaya •
Spitz •
St. Pölten •
Viehofen •
Villach, Stadtpfk. •
Wien, Salvatorkapelle •
Ybbs a. d. Donau, Heiliggeistkloster
Abbildungen
Abb. 109: Wappengrabplatte des Hans und der Brigitta Kirchberger ©
ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)
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Joh 11,25.