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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

223 Rastenfeld, Pfk. Mariä Himmelfahrt 1547

Wappengrabplatte Wilhelms (II.) von Neidegg zu Rastenberg, roter Marmor, an der Nordwand der südlichen Seitenkapelle („Ritterkapelle“), ursprünglich im Boden des Chors vor dem Hochaltar, von dort 1929 an den heutigen Standort verbracht. In der oberen Hälfte der Platte Vollwappen in leicht vertieftem Rundbogenfeld (die Zwickel mit vegetabilem Dekor ausgefüllt), darunter achtzeilige Inschrift. Gesamte Platte mäßig stark abgetreten.

H. 217 cm, B. 90 cm, Bu. 5 cm. – Kapitalis.


Textedition
			

HIE · LIGT · BEGRABEN · DER · / EDL · GESTRENG · RITER · HERRa) / WILHALBM · VON · NEIDEG / ZV · RASTENBERG · DER · GES=/TORBEN · IST · DEN · 4 · TAG · MAI / NACH · CRISTI · GEPVRT · ALS / MAN · ZALT · M · D · X·X·X·XVII / DER · SEL · GOT · GENEDIG · SEIb)

Anmerkungen
a) das zweite R nahe am Rand der Platte, nur mehr der Schaft sichtbar.
b) Trennzeichen quadrangelförmig.

Wappen: Neidegg1).


Kommentar

Wilhelm (II.) von Neidegg zu Rastenberg war ein Sohn des Dieners Erzherzog Sigmunds von Tirol, Hauptmanns von Trient (1486) und Pflegers von Bersone (1466–1486), Martin (III.) von Neidegg zu Rastenberg (gest. 1502, begr. in der Pfarrkirche Pottschach2)) und dessen zweiter Gemahlin Beatrix von Khuen-Belasy3). Martin und seinen Söhnen Dr. Georg (III.), Wilhelm (II.), Eustach (II.) und Sigmund (II.) übertrug König Maximilian I. die einst durch Tod der Brüder Hans (V.) und Georg (II.) von Neidegg zu Rastenberg heimgefallene Herrschaft Rastenberg (seit 1432 im Pfandbesitz der Familie) 1493 pfandweise auf Lebenszeit, daneben hatten sie seit 1503 auch die ererbten väterlichen Besitzungen in (Süd-)Tirol, die Burgen Anger und Gufidaun, inne.

1508 erschien Wilhelm gemeinsam mit seinem Verwandten Leopold (III.) von Neidegg zu Ranna, Burggraf von Gars, auf dem Landtag in Krems als Inhaber von Rastenberg und Meires. 1509 verkaufte er den von seiner ersten Frau Siguna Wenger ererbten Anteil an einem Haus in der Wollzeile in Wien neben der Badstube. 1533 wurde ihm und seinen Söhnen aus zweiter Ehe, Otto, Ulrich, Servatius und Martin, sowie seinen Neffen Karl und Viktor von König Ferdinand die Herrschaft Rastenberg auf Lebenszeit bzw. sechs Jahre nach seinem Ableben zu Pfand ausgegeben. Als Inhaber von Rastenberg ließ Wilhelm seit wenigstens 1508 neben Umbauten am Schloß auch das Mittelschiff der Pfarrkirche Rastenfeld einwölben und eine neue Sakristei über der romanischen südlichen Seitenkapelle (sog. „Ritterkapelle“) errichten4). Wilhelm war viermal verheiratet: zunächst ein Jahr mit der 1503 verstorbenen Siguna Wenger (s. Kat.-Nr. 128), dann mit der 1521 verstorbenen Benigna Amalie von Rottal, aus welcher Ehe neun Kinder stammten (s. ausführlicher Kat.-Nr. 171), drittens mit Ursula Reuter von Wocking (gest. 1531, s. Kat.-Nr. 200), schließlich seit 1533 mit Cäcilia von Auersperg, die weitere fünf Kinder Wilhelms (Adam [I.], verh. mit Ursula von Preising, gest. nach 1568, Hieronymus, früh verstorben, Andreas [I.], verh. mit Veronika Euphrosina von Ahaim, verstorben vor 1600 September 6, Sabina und Kordula, beide früh verstorben) zur Welt brachte und nach ihrem Ehemann verstarb5).

Über die genauen Bestattungsorte Wilhelms und seiner Gemahlinnen in der Pfarrkirche Rastenfeld besteht Unklarheit. Das Vorhandensein von drei getrennten Grabplatten, die sich alle bis 1929 am wohl ursprünglichen Standort im Kirchenboden befanden, spricht zwar gegen das Vorhandensein einer Gruft, ebenso wie die fehlende Erwähnung des Einbaus einer solchen anläßlich der oben angeführten Umbauten. Die Mitteilung, daß der Kupfersarg Wilhelms 1721 gehoben und an einen Kremser Kupferschmied um 40 fl. verkauft worden sei, würde allerdings eher auf eine Gruftbestattung hindeuten6). Jedenfalls lassen sich keine Spuren einer Gruft nachweisen7).

Die Inschrift in relativ sauber ausgeführter Kapitalis mit harmonischem Wechsel von schmäleren und breiteren Formen bei allerdings wenig konsequenter Unterscheidung von Haar- und Schattenstrichen weist einige bemerkenswerte Besonderheiten auf: zunächst ist bei A der immer wieder zu beobachtende Hang zu altertümlichen und/oder als dekorativ empfundenen Formen in einer ausgeprägten Weise manifest. A besteht aus geradem rechten und linkem Schrägschaft, extrem hoch angesetztem Mittelbalken und weit links überstehenden Deckbalken. Eher singulär ist dagegen die Setzung eines diakritischen Zeichens in Form eines epigraphischen Kürzungszeichens über V, wohl dem handschriftlichen Bereich der Minuskelschriften entsprechend. Durchaus im Formenbereich der zeitgenössischen Kapitalis sind weit offenes, halbovales C, G mit halbovalem Bogen und rechtwinkeliger Cauda bis zur halben Buchstabenhöhe, I mit vollrundem Punkt, konisches M mit extrem gespreizten Schäften und hoch angesetztem Mittelteil, R mit geschwungener Cauda und Z mit leicht geschwungenem Mittelbalken. Ganz offensichtlich derselben Werkstatt entstammt die mit auch weitgehend übereinstimmendem Formular beschriftete schmucklose Grabplatte des aus Großmugl stammenden Oberwölblinger Pfarrers Nikolaus Raimhart (gest. 1549) in der dortigen Pfarrkirche8).

1) S. Si NÖ 1, 314 (Neydeck, Neudegg, Stammwappen) und Taf. 166 (Wappen I); jedoch auf dem Stein zusätzlich der rechte Helm des vermehrten Wappens (Wappen II).
2) Zum in jeder Hinsicht bemerkenswerten monumentalen figürlichen Grabdenkmal, vielleicht aus der Werkstatt Mich(a)el Tichters, jedenfalls aus dem Umkreis des Friedrichsgrabs im Wiener Stephansdom, s. Zykan, Plastik 138, Kühnel, Grabdenkmäler (1963) 190 (Taf. 181) und Ders., Kunstwerke 76f. (mit guter Farbabb.).
3) S. ausführlich Hausmann, Neudegger 130–132, 207 und 227. Zu Martin (III.) s. ausführlich Hausmann, Neudegger 124–128. Die Neidegger Genealogie in NÖLA, Herrenstand Nn 2, fol. 13–23, gibt als Mutter Wilhelms eine Dorothea an. Übereinstimmend an beiden Orten die Brüder Wilhelms, Dr. Georg (III.), Eustach (II.) und Sigmund (II.). Die jüngste aus der oben genannten Ehe stammende Tochter Veronika (gest. 1541), verheiratet mit Christoph von Welsberg bzw. Christoph von Thun, war Obersthofmeisterin der Königin Anna und wurde in der Wiener Neustädter Neuklosterkirche bestattet, vgl. DI 48, Kat.-Nr. 177 (Abb. 66).
4) Biedermann, Rastenfeld 36f., Plesser, Kirchengeschichte (1911) 243, Ders., Kirchengeschichte (1932) 625 (1509 Februar 10, Rastenberg), Ders., Kirchengeschichte (1951) 53 (1508 Juni 16), Si NÖ 1, 314f. und Hausmann, Neudegger 130–132 und 207–209 sowie Schmidt, Kopialbuch 56f., 61, 66 (1523 November 28, Wien; 1521 November 8; 1521 November 9) und öfter. Zur Pfandverschreibung von 1493 s. HKA, NÖ Herrschaftsakten R 17/A, fol. 19f. (1493 August 24, Innsbruck; Abschr. 1. H. 16. Jh.), vgl. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Reg. 106, bei Hausmann, Neudegger 127, fälschlich eine Belehnung vermutet. Eine Abschrift der Pfandverschreibung von 1533 September 1 in HKA, NÖ Herrschaftsakten R 17/A, fol. 26f., s. auch Hausmann, Neudegger 132. 1513 nahmen Wilhelm und Leopold am Begräbnis bzw. Dreißigsten des Hans (IV.) von Kuenring in Zwettl teil, s. Linck, Annales 2, 362. Der Ankauf von Christoph (I.) von Neidegg s. NÖLA, Privaturk. 4419 (1521 Februar 24), vgl. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Reg. 148. 1522 besiegelte Wilhelm die Heimsteuerwiderlegung des Christoph Eggenburger, s. NÖLA, Privaturk. 3619 (1522 Oktober 6). 1432 war Rastenberg, zuvor im Besitz des Leutold von Eckartsau, auf Leibgedinge an die Brüder Hans (V.) und Georg (II.) von Neidegg (nachmals: zu Rastenberg) und die Söhne Hans’, Wigalois und Friedrich, sowie die Söhne Georgs, Wilhelm und Hans, ausgegeben worden, s. Plesser, Kirchengeschichte (1932) 624 (1432 März 11, Wiener Neustadt) und Hausmann, Neudegger 110 und 114.
5) Biedermann, Rastenfeld 36f.; Si NÖ 1, 314f. und Hausmann, Neudegger 118f., 121, 132, 207–209 und 226 (Stammtafel 9). Die Heiratsabrede mit Siguna Wenger s. in NÖLA, Privaturkunde Nr. 3487/14 (1502 Dezember 8, Waldreichs), vgl. NÖLA, Hs. 236/6, pag. 534 und Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Reg. 124. Als Zeuge fungierte neben Sebastian von Hohenfeld Wilhelms Verwandter Leopold (III.) von Neidegg zu Ranna. Die Neidegger Genealogie im niederösterreichischen Herrenstandsarchiv (wie Anm. 3) gibt die Reihenfolge der Ehefrauen Wilhelms falsch mit Benigna von Rottal, Siguna Wenger, NN. und Cäcilia von Auersperg sowie teilweise gegenüber Hausmann abweichende Namen von Kindern an.
6) Biedermann, Rastenfeld 38, vgl. Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 111.
7) Ebd., wobei Biedermann konzediert, daß eine eventuelle Gruft „teilweise zugeschüttet“ sein müßte.
8) S. Heinz, Pfarregeschichte [!] 573f., Abb. 7, abweichend zu den oben genannten Einzelformen hier eine auff ällige alternative M-Form (gestürztes verschränktes W). Vermutlich ebenfalls aus dieser Werkstatt stammt angesichts der sehr ähnlichen Gestaltung der Vollwappen die in Fraktur beschriftete Wappengrabplatte des Wolf von Althan (gest. 1545) in Hollenburg, vgl. in Zukunft den vom Bearbeiter für die DI vorbereiteten Band mit den Inschriften der Statutarstadt Krems a. d. Donau.
Literatur

Tschischka, Kunst 105. – Schweickhardt OMB 6, 140. – DASP, Nachlässe 5, Heft G, fol. 2r. – ÖKT 1, 351. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 245. – Biedermann, Albrechtsberg 33. – Biedermann, Rastenfeld 37. – Donin, Wildegg 129. – Plesser, Kirchengeschichte (1932) 626. – Plesser, Kirchengeschichte (1951) 53. – Eppel, Waldviertel 191. – ÖAW, NLH, 3. 4. 1965. – Adamek, Grabdenkmäler (1968) Kat.-Nr. 66 (59). – Zotti, Kunst 2, 308. – Dehio Nord 948. – Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 71 (Abb. 71). – Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 111.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 223,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil2/noe-3-obj223.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 116: Grabplatte des
Wilhelm von Neidegg (1547)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)