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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
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Krems, WEINSTADTmuseum (ehem. Dominikanerkloster, Körnermarkt 14) |
M. 16. Jh. |
Kachelofen1) mit bildlichen Darstellungen und erklärenden Beischriften, Blattkacheln, dunkelgrün
glasierter Scherben, ursprünglich möglicherweise auf der Burg Senftenberg, seit etwa 1587 vermutlich
im heutigen Haus Weißenkirchen (Seiberstr.) Nr. 32 (ehem. Bürgerspital, im 19. Jahrhundert
Rathaus, 1909 durch Trassierung der Donauuferbahn baulich stark verändert) aufgestellt,
zwischen etwa 1840 und 1873 von August Ferdinand Graf Breuner für die Sammlungen auf Schloß
Grafenegg (s. Einleitung S. XXVII) erworben2), heute bis auf zwei Kacheln völlig verloren. Ofen
nach fotografischer Abbildung3) im Zustand von 1907/08 über einem niedrigen gemauerten Sockel
aus Unterbau und zweiteiligem Oberbau zusammengesetzt, Reihenfolge und Anordnung der
Kacheln gegenüber der zu erschließenden ursprünglichen Zusammenstellung vermutlich anläßlich
der Aufstellung in Grafenegg verändert, dabei Abzugsausgang sekundär an der Rückseite des
Turms geschaffen. Als Brennkammer kubischer Unterbau mit ornamental profiliertem Sockelgesims,
drei Reihen quadratischer Architekturrahmenkacheln mit männlichen und weiblichen
Brustbildern sowie bildlichen Darstellungen in Rundbogenfeldern: In der obersten Reihe an der
Vorderseite Kurfürst Johann Friedrich I. „der Großmütige“ von Sachsen in rechtssehender Halbfigur
mit einzeiliger Beischrift (I†) an der unteren Bildleiste, daneben, durch eine Kachel mit
Kreuzigung Christi getrennt, Sibylla von Jülich-Cleve (?) in linkssehender Halbfigur, weiters
allegorische weibliche Figur mit Zirkel (Geometria?), Szenen Kain und Abel und Frau des Potiphar
hält Josef am Mantel zurück. In der obersten Reihe an der Vorderseite in der Mitte, flankiert von
den beiden genannten Brustbildern, in Rundbogenfeld Kreuzigung Christi vor Stadtkulisse in
weiter Landschaft, rechts unten kniende Beterfigur vor der Ehernen Schlange, links unten
Opferung Isaaks, über dem Kruzifixus Kreuzestitulus (II†) und den Konturen des Rundbogens
folgende zweizeilige erklärende Beischrift (III†). Den Unterbau oben abschließend Figurenfries
aus sich wiederholenden querrechteckigen Gesimskacheln mit mehrfiguriger Szene Josef wird von
seinen Brüdern aus dem Brunnen gezogen, an den beiden Kanten der Vorderseite zwei Eckstücke
mit wappenschildförmigen Flächen mit einem männlichen (links) und einem weiblichen (rechts)
Brustbild (wiederum Kurfürst Johann Friedrich und seine Frau?) ausbildend. Auf diesen Unterbau
der polygonale, annähernd zylindrische untere Abschnitt des Turms aus einer Reihe hochrechteckiger
Architekturrahmenkacheln mit Bildszenen in Rundbogenfeldern aufgesetzt. Darstellungen,
jeweils von dem abschließenden Rundbogen folgenden kommentierenden Beischriften begleitet:
Zeltlager, aus dem vordersten Zelt trägt ein Mann einen nicht erkennbaren Gegenstand
fort (IV†), König David betrachtet Batseba im Bade (bärtiger Mann beobachtet von einem höhergelegenen
Erker aus eine junge Frau an einem Brunnenbecken, die von zwei Dienerinnen
gewaschen wird) (V†), Laban und Jakob (alter Mann von fünf Schafen umgeben, dahinter ein
junger Mann, eine Rute beschnitzend) (VI†), im Gebet versammelte Männer, in ihrer Mitte die
Heiliggeisttaube (VII†), um einen runden Tisch sitzende Gruppe von Männern, in ihrer Mitte
oben die Heiliggeisttaube (VIII†), Auferstehung Christi in weiter Landschaft (IX†), die Frau des
Potiphar hält Josef am Mantel zurück (X†), Christus als Weltenrichter auf der Weltkugel thronend,
zu seinen Füßen Maria (links) und Josef (rechts) auf Wolkenband, darunter die Gerichteten von
Engeln oder Teufeln in Empfang genommen (XI†), mehrmals Kreuzigungsgruppe ohne Beischrift.
Über diesem unteren Turmabschnitt ein etwas schmälerer polygonaler, annähernd zylindrischer
Aufbau aus drei Reihen kleinerer hochrechteckiger Architekturrahmenkacheln mit bildlichen
Darstellungen in Rundbogenfeldern, die kommentierenden Beischriften nicht überliefert.
Oberbau von einer Reihe querrechteckiger figuraler Kacheln (Vertreibung Hagars und Ismaels)
und einer Reihe mit Akanthusdekor versehener Gesimskacheln abgeschlossen, zuoberst als
Bekrönung freistehend aufgesetzte Kranzkacheln mit Fruchtfestons, Putten und Vasen. Ofen vermutlich
in der Endphase des Zweiten Weltkriegs oder während der ersten Nachkriegsjahre in
Grafenegg völlig zerstört, die beiden letzten erhaltenen Kacheln – aufgrund des sekundär eingebauten
Abzugs an der Hinterseite überzählig und vermutlich nie in Grafenegg am Ofen versetzt,
sondern nur deponiert gewesen – 1949 als Geschenk der sowjetischen Besatzungsmacht und
Dauerleihgabe der Sammlungen auf Schloß Grafenegg mit den Inventarnummern C 307 a und b
in das heutige WEINSTADTmuseum Krems gelangt4), dort zum Bearbeitungszeitpunkt im Juli
2005 in der Schausammlung im Kellergeschoß (Themenbereich „Menschen, Mauern, Mittelalter“,
Vitrine „Hafnerei“) ausgestellt. Hochrechteckige Kacheln mit durch zentralperspektivisch wiedergegebene
Rundbögen auf Pilastern gebildeten Feldern (die Zwickel mit kleinen leeren vollrunden
Medaillons ausgefüllt), darin die mit erklärenden Beischriften versehenen bildlichen
Darstellungen. Kachel a: Erschaffung Evas. Im Bildvordergrund Figur des nach rechts auf den
Ellenbogen gestützt liegenden Adam, aus dessen Rippenbogen Gottvater in der unteren Bildmitte
die nur mit dem Oberkörper sichtbare Eva herauszieht, im Bildmittelgrund durch zwei das
Geschehen flankierende Nadelbäume angedeutete Landschaft, auf Höhe der Kapitelle der das Bild
rahmenden Pilaster zwei gegen die Bildmitte pustende Maskenköpfe (Winde) sowie Mond (links)
und Sonne (rechts), das zwischen den beiden Windpersonifikationen gespannte Wolkenband
trennt die Szene vom darüberliegenden Rundbogensegment mit dreizeiliger dem Bogenverlauf
folgender erhabener Inschrift (XII). Kachel b: Gottesdienstbesuch. Der rahmende Rundbogen
öffnet den Blick in einen zentralperspektivisch dargestellten Kircheninnenraum mit dreijochigem
Kreuzrippengewölbe über sechs glatten Säulen mit korinthischen Kapitellen, der Chor rund mit
muschelbogenartigem Gewölbe geschlossen. Im Bildvordergrund Kirchenbesucher, die Männer,
alle bärtig in zeitgenössischer modischer Kleidung (Kniehosen, kurze, reich gefältelte Mäntel) und
mit Barett, im Halbkreis stehend, ganz vorne in der Mitte zwei Frauen in langen Kleidern mit
Bundhauben und Schleier sitzend, die linke einen kleinen Knaben auf dem Schoß. In der Bildmitte
rechts ein auf der Kanzel stehender Prediger, ganz hinten eine in den Triumphbogen eingestellte
Empore mit weiteren Gottesdienstbesuchern. Ganz oben, dem Bogenverlauf folgend und
in die vorderen zwei Gewölbejoche eingeschrieben, erhabene Inschrift (XIII). Kanten beider
Kacheln geringfügig bestoßen.
Erhaltene Kacheln: H. 30 cm, B. 18,5 (XII) bzw. 19 cm (XIII), Bu. 1 cm. – Kapitalis.
Beschreibung und Textwiedergabe der verlorenen Kacheln nach ÖKT 1, Beiheft 22, 24 und 75–78
(Fig. 22 und 86), die dort im Text in Kleinbuchstaben abgedruckten Inschriften hier jedoch den
erhaltenen Kacheln und dem fotografischen Befund entsprechend in Großbuchstaben, u als V
wiedergegeben, XI† nach Strauss, Hafnerkunst Taf. 43,1 (vgl. Anm. 6).
Textedition
I†.
IOANNES FRIDRICH
II†.
INRI
III†.
GELITEN VNTER PONCIO PI/LATO GECREVTZIGET
IV†.
DAS 7. GEBOT DV SOLLT NICHT STELEN
V†.
DAS 6. GEBOT DV SOLLT NICHT EHEBRECHEN
VI†.
DAS 9. GEBOT DV SOLLT NICHT PEGEREN DEINES NEHISTEN GVT
VII†.
DIE 2. BIT ZV KOME VNS DEIN REICH
VIII†.
ICH GLAVB AN DEN HEILIGEN GEIST
IX†.
AM DRITTEN TAGE WIDER AVFFERSTENDEN VON DEN TODTEN
X†.
DAS X. GEBOT DV SOLLT NICHT BEGERN DEINES NEHISTEN
WEIBS, KNECHT, MAGD, VIHE ODER WAS SEIN IST
XI†.
AVFERSTEVNG DES FLEISCHS VN(D) / EIN EWIG//ES LEBENa)
XII.
DER · I · ARTICKEL ICH GLEVBE AN GOT DEN / VATER
ALMECHTIGEN SCHEPFFER / HIMELS VND DER ERDEN
XIII.
DAS · DRIT · GEBOT · DV · SOLT / DEN · FEIRTAG · HEILIGEN
Anmerkungen
Kommentar
Die am Unterbau des in Grafenegg versetzten Ofens fehlende und dort durch eine unzugehörige Kachel mit Darstellung eines Narren ersetzte Gesimskachel ( Josef wird von seinen Brüdern aus dem Brunnen gezogen) fand sich als Fragment in den 1970er Jahren im südlichen Schuttkegel der Burgruine Senftenberg. Möglicherweise wurde der ursprünglich auf der Burg Senftenberg aufgestellte Ofen von Reichard Streun von Schwarzenau, zeitweise gleichzeitig Inhaber von Senftenberg (seit 1576 durch Ankauf von Hans Friedrich Hoffmann von Grünbühel) und Tal Wachau, anläßlich des Weiterverkaufs der Burg an Georg Kaspar von Neuhaus 1587 abgebaut und der Gemeinde Weißenkirchen für das damalige Bürgerspital zur Verfügung gestellt5).
Der Ofen wies mit seinen äußerst qualitätvollen Kacheln, wie oben beschrieben, ein mehrschichtiges, teils allgemein christlicher, teils dezidiert evangelischer Geisteshaltung der Zeit verhaftetes Text- und Bildprogramm auf, in dem die meisten Darstellungen unter reicher Schilderung alttestamentarischer und typologischer Szenen (einzelne vielleicht nach Dürers „Kleiner“ bzw. „Großer Passion“ gestaltet) Sätze des Glaubensbekenntnisses, die Zehn Gebote, die Bitten des Vaterunsers sowie christologische Motive illustrierten, wobei fast alle Kacheln des Oberbaus durch mehrzeilige Beischriften kommentiert waren. Die Darstellung von Fürsten des Schmalkaldischen Bunds auf Ofenkacheln gehörte zum ikonographischen Allgemeingut der Hafnerei in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Bemerkenswert ist eine Kachel, die den auferstandenen Christus vor dem leeren Sarkophag auf einem Drachen mit den drei Köpfen des Papstes, eines osmanischen Kriegers und eines tonsurierten Mönchs stehend zeigte.
Die im vorliegenden Ofen verwendeten Kachelserien zum Glaubensbekenntnis, zu den Zehn Geboten und zum Vaterunser gelten in der Literatur als Erzeugnisse des Welser Hafners Hans Vinckh (gest. 1552) von etwa 15506). Ob die Kacheln des Weißenkirchener Ofens mit den für Vinckh in Anspruch genommenen bei annähernd übereinstimmenden Abmessungen7) modelidentisch sind, konnte bislang nicht festgestellt werden. Ein möglicherweise für die oben kopial überlieferte Kreuzigungskachel mit Beischrift (III†) aus dem Glaubensbekenntnis verwendetes Model befindet sich in der Sammlung Dr. Georg Wiesinger, Wels.
Einzelne Modeln wurden am vorliegenden Ofen mehrfach für verschiedene Kacheln, unbeschriftet für die quadratischen Kacheln im Unterbau, mit Inschriften versehen für die hochrechteckigen Kacheln des Turms, verwendet. Das Model mit den Gottesdienstbesuchern im Kirchenraum der erhaltenen Kachel b fand sich etwa ohne Inschrift ebenso in der obersten Reihe des Unterteils, an der rechten Seite ganz vorne an der Kante, die Darstellung Josefs mit der Frau des Potiphar vom Unterteil dagegen mit einer Formulierung des zehnten Gebots (X) in der Einzelreihe hochrechteckiger Kacheln darüber.
Die in der Literatur angenommene Entstehungszeit der Vinckh-Kacheln um 1550 stützt der inschriftenpaläographische Befund der in Krems erhaltenen Kacheln. Auch die Kapitalis der Inschriften deutet durch die insgesamt schmalen, hohen, langgestreckten Buchstabenproportionen sowie vor allem durch einzelne, ursprünglich dem Formenkanon der Frühhumanistischen Kapitalis entstammende Buchstaben (epsilonförmiges E und unziales D in Kachel b) auf einen Entstehungszeitpunkt gegen Mitte des 16. Jahrhunderts hin.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Krems, WEINSTADTmuseum (ehem. Dominikanerkloster, Körnermarkt 14) • Kachelofen • Beischriften • Kreuzestitulus • Kapitalis •
Breuner, August •
Dürer, Albrecht •
Hoffmann von Grünbühel, Hans Friedrich •
Johann Friedrich I. •
Jülich-Cleve, Sibylla •
Neuhaus, Georg Kaspar •
Streun von Schwarzenau, Reichard •
Vinkh, Hans •
Wiesinger, Georg •
Achleiten •
Gießen •
Grafenegg •
Halberstadt •
Köln •
Kreuzenstein •
Leipzig, Museum des Kunsthandwerks •
Linz, Landesmuseum •
Senftenberg •
Wachau •
Weißenkirchen i. d. Wachau •
Wels, Stadtmuseum •
Wien, Museum für Angewandte Kunst
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