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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

241 Langenlois, Bahnstr. 1 M. 16. Jh.

Umfangreiche ornamentale und figurale Fassadendekoration mit erklärenden Beischriften, Sgraffito, an der Straßenfront des Gebäudes (vormals Gasthaus „Zur goldenen Kugel“). Geschoßweise durch Mäanderbänder und Pilasterstellungen gegliederte weißfigurige Szenen auf dunkelgrauem, fast schwarzem Grund. Im zweiten Obergeschoß unterhalb des Gesimses Reste von Jagdszenen (Reiter und Jäger zu Fuß, fliehende Hirsche). Im ersten Obergeschoß rechts der zentralen Torachse (links geringe Reste von geometrischem Dekor und einer nicht mehr deutbaren Szene) zweiteiliges Bildfeld, in der oberen Bildhälfte König David (mit Harfe auf kanzelartiger Palastempore, deren pilasterartige Stützen zugleich Rahmung der unter der gemalten Empore liegenden Fensteröffnung) erblickt die badende Batseba, oben in der Mitte dreizeilige Beischrift (I), in der unteren Hälfte nicht mehr deutbare Reste einer Szene mit Frauenfigur (?), einen Reifen haltend (?), darüber geringe Reste einer ursprünglich vierzeiligen, stark reduzierten Inschrift (II). Rechts anschließend in den Fensterzwischenräumen jeweils hochrechteckige, an den Fenstergewänden pilastergerahmte Felder mit Darstellungen stehender Frauenfiguren: Selbstmord der Lukretia (einen Dolch in die Brust stoßend), darüber Rest einer kleinen Inschrifttafel (III); Jael erhebt den Zeltpflock, um den Heerführer Sisera (nicht im Bild) zu erschlagen, darüber kleine Inschrifttafel (IV); Judith mit dem Haupt des Holofernes in der Linken, in der erhobenen Rechten ein Schwert, darüber kleine Inschrifttafel (V). Eine ehemals stark fragmentierte Szene nach einer Äsopfabel (?) im Erdgeschoß heute verloren. Malerische Ausstattung 1960–62 aufgedeckt und restauriert (akad. Restaurator Peter Weninger), Szenen- und Inschriftenbestand nach jüngerer Restaurierung weiter reduziert. Rezente Fassadensanierung 2003 unter Leitung des BDA1).

Bu. ca. 10 cm. – Fraktur.


Textedition
			

I. [– – –]onha) kunig David / [– – –] de[.] fromen h[– – –] / Betsabeth II. [– – – / – – –] / ich dan(n) ̣ e[– – – / – – – III. Lukrezia IV. Jael V. Judith

Anmerkungen
a) Wort durch Restaurierung verunklärt, Lesung unsicher; vielleicht ursprgl. auch (?); Ergänzungen nach ÖAW, NLH, 13. 4. 1965.

Kommentar

Die Gestaltung der Bildfelder, die Figurenzeichnung, die ornamentalen Elemente und mit Vorbehalt auch die geringen Schriftreste erinnern so stark an die u. a. auch alle in Langenlois ausgeführten Szenen enthaltende reiche, motivisch eklektizistische Fassadendekoration des Großen Sgraffitohauses in Krems (Althang. 2/Margarethenstr. 5), daß die Annahme einer gemeinsamen ausführenden Werkstatt naheliegt. Als Autor des Sgraffitos am Kremser Gebäude, damals im Besitz des Handelsmanns Hans Trakh (Drackh), wurde wiederholt, jedoch mit wenig stichhaltigen Argumenten, ein Kremser Maler Han(n)s vom (von) Pruch (gest. 1559) namhaft gemacht. Als Vorlagen für einzelne Kremser Szenen (Herrschermedaillons) dienten u. a. die von Augustin Hirschvogel geschnittenen Illustrationen zu den 1549 in Wien im Druck erschienenen Rerum Moscoviticarum Commentarii Sigmunds von Herberstein, die so einen terminus post quem markieren2). Eine eingehende inschriftenpaläographische Beurteilung ist angesichts der mehrfach durchgeführten Restaurierungsmaßnahmen, die offensichtlich auch Veränderungen im Schriftcharakter mit sich gebracht haben, nicht sinnvoll. Immerhin scheinen die tendenziell spitzovalen Bögen von b und d den sonst stärker gebrochenen Formen der Gemeinen entgegenzustehen. Vereinzelt lassen sich auch innerhalb der heute eher linear wirkenden Inschrift Schwellzüge wie etwa am linken oberen Bogenabschnitt des g in kunig feststellen.

1) S. König, Denkmalpflegemaßnahmen 276.
2) S. vorerst ÖKT 1, 264f. und Taf. XIIIf., Wagner-Rieger, Architektur 100 und 122 (Kat.-Nr. 48), Klimesch, Beiträge 76–95, Dehio Nord 569 und Schweiger, Zauber 162f., vgl. in Zukunft den vom Bearbeiter für die DI vorbereiteten Band mit den Inschriften der Statutarstadt Krems a. d. Donau.
Literatur

ÖAW, NLH, 13. 4. 1965. – Eppel, Waldviertel 148 (um 1560). – Klimesch, Beiträge 79f., 92 und 94f. (Abb. 100f.). – Dehio Nord 640.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 241,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil3/noe-3-obj241.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Langenlois, Bahnstr. 1    •  Fassadendekoration  •  Beischriften  •  Sgraffito  •  Fraktur  •  Hans vom Pruch,  •  Herberstein, Sigmund  •  Hirschvogel, Augustin  •  Trackh, Hans  •  Krems a. d. Donau

Abbildungen

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Abb. 119: Sgraffitofassade (M. 16. Jh.),
Detail
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)