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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

249 Grafenegg, Schloß 1555

Epitaph des Wolf Rueber von Pixendorf, hellroter Marmor, im Kapellenhof an der Wand der erste Stein von Osten, ursprünglich wahrscheinlich in der vor 1791 abgebrochenen Pfarrkirche Grafenwörth. Ädikulaartiger Aufbau: zentrale Rundbogennische mit Relief des links in voller Rüstung (Geschlossener Helm über Fingerhandschuhpaar abgelegt) vor dem Gekreuzigten (I) in der rechten Bildhälfte im Gebet knienden vollbärtigen Verstorbenen. Über dem Kopf fünfzeilige Inschrifttafel (II) in Rollwerkrahmung. Im Hintergrund Architekturkulisse. Die flankierenden Pilaster bzw. die beiden Zwickel mit je einem Wappenschild (oben Eheallianzwappen, unten elterliche Wappen) besetzt. Über profiliertem Gesims im Aufsatz Vollwappen in Volutenrahmen (im Scheitel weibliche Maske), beiderseits obeliskenförmige Akroteren. Im Unterhang unter profiliertem Gesims querrechteckige siebenzeilige Inschrifttafel (III) mit flankierenden Akanthusvolutenspangen, unten Rollwerk. Gesamtes Denkmal verwittert mit zahlreichen Oberflächenbeschädigungen, auch im Bereich der beiden Inschrifttafeln. Kopf und Füße des Kruzifixus weggebrochen, rechter Arm beschädigt, ebenso die beiden Gesimse.

H. 225 cm, B. 110 cm, Bu. 2 cm (I) bzw. 1,6 cm (Kapitalis, Is. II) und 1,8 cm (Fraktur, II) und 2,2 cm (III). – Kapitalis (I und II) und Fraktur (II und III).


Textedition
			

I. IN[RI] II. HISEKIELa) · 37 · / Siehe Jch wi[l] Ewre gräb͜er / Aufftuen vnnd [w]il euc[h,] / Mei[n V]olckh, auß de[n] / S[el]ben herauß holen (et) c(etera) III. Anno (et) c(etera) 15:55 Den · 6 · M[ay] Entsch[lie]ff woll v[n]d Sa[n]fft / Jn Christo Der Edl, vnnd Gestr[enn]g Herr Wolff R[ue]ber / Zu Püxendorff, welches Seel Jetzt bey Gott Jn der / Hand des Herrn Jst, Der leib aber Ruhet hie Jn der / Erden, bis Auff Jungsten tag, da Christus Jn Zum leb[en] / Aufferweckhen [g]antz widerbringen, herlich machen, mit der see[le] / Wider verainbaren vnd Zu Ewigen Eh[re]n vnd Freid͜e(n) versetzen wird

Anmerkungen
a) Anfangsbuchstabe vergrößert; Zeile zentriert.

Ez 37,12 (I).


Wappen:
          Rueber1)
          Rueber1)   unbekannt2)
          Rueber1)   unbekannt3)


Kommentar

Wolf Rueber von Pixendorf hatte zusammen mit seinem Bruder Christoph dem am 24. August 1543 in Krems gesammelten ständischen Adelsaufgebot angehört, das in Preßburg kämpfte4). Durch einen weiteren Bruder, den Göttweiger Abt Leopold Rueber (s. Kat.-Nr. 252), fungierte er wenigstens 1547 als Göttweiger Klosterhauptmann und 1552 als Pfleger der Göttweiger Herrschaft Brandhof/Niederranna5).

Die beiden aus der 1544 in Greillenstein geschlossenen Ehe mit Anna von Kuefstein stammenden Söhne Christoph Ruebers, Georg (Oberst von Tokaj) und Hans Rueber von Pixendorf (1568–1584 Grenzoberhauptmann bzw. Kreisoberst in Oberungarn), Bestandinhaber der Herrschaft Grafenwörth, standen mit dem Kloster Dürnstein, dem die Grafenwörther Pfarrkirche inkorporiert war und das reichen Besitz im Ort hatte, naturgemäß in engem wirtschaftlichem Kontakt6). Seit 1594 waren die beiden Protestanten auf Leibgedinge Bestandinhaber des dem Chorherrenkloster Dürnstein zugehörigen Patronats über die Kapelle St. Johann „am Wasen“, einer Filiale von Grafenwörth7). Propst Melchior Kniepichler (s. Kat.-Nr. 448) führte ab 1600 unter expliziter Berufung auf die „Religionskonzession“ von 1568 Klage gegen die Anmaßung pfarrlicher Rechte durch die Grafenwörther Schloßprädikanten, erst Hieronymus Peristerius, dann Valentin Pompovius. Im Jahr 1602 bezogen sich die Beschwerden Kniepichlers u. a. auch auf die ohne Zustimmung des Klosters erfolgte Anlage eines „vermainten gotsackher“, des neuen protestantischen Friedhofs auf einem Klostergarten in Grafenwörth sowie die Beschlagnahme der Kirchenausstattung und Einrichtung der vermutlich durch ein Hochwasser des Mühlkamps beschädigten Kapelle in St. Johann8). 1581 tauschte Hans Rueber mit dem Kloster Herzogenburg Untertanen in (Nieder-)Seebarn am Wagram gegen Untertanen in Grafenwörth9). Zu nicht näher bekanntem Zeitpunkt besaß er eine öde Brandstatt in Raab, die von ihm an die NÖ Stände gelangte und von diesen 1589 an den Raaber Obersten Ferdinand Graf Nogarol geschenkt wurde. Im neu zu erbauenden Haus, für das den NÖ Ständen das Vorkaufsrecht zukommen sollte, mußte der Hausinhaber den Ständen eine Wohnung zur Verfügung stellen10).

Ein 1578 für die Ambraser Sammlung erworbener Trabharnisch aus dem Besitz des seit 1544 an unterschiedlichen Schauplätzen in kaiserlichen Kriegsdiensten, seit 1568 als Oberbefehlshaber an der ungarischen Grenze im Einsatz stehenden Hans Rueber, hat sich in der Hofjagd- und Rüstkammer des Wiener Kunsthistorischen Museums (Inv.-Nr. A 1212) erhalten11).

Die äußerst qualitätvoll ausgeführten Inschriften zeigen alle gestalterischen Charakteristika der voll entwickelten epigraphischen Fraktur in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Bögen im Mittelband werden entweder spitzoval (b, d, o) wiedergegeben bzw. an der Oberlinie gebrochen, wobei der linke Teil als Anstrich am vorhergehenden Schaft ansetzt (m, n), Schäfte als spitz in den Unterlängenbereich auslaufende Schwellschäfte gebildet (f, s) oder als Schwellzug ausgeführt. Zur spannungsreichen Gestaltung des Mittelbands der Gemeinen (mit Schaftüberwölbungen etwa bei h, l und t) kommt auflockernd noch die in den Grundformen schlichte, aber durch eine Vielzahl an Haarzierlinien dekorative Gestaltung der zahlreichen Versalien.

1) Si NÖ 1, 383 (Rueber von Pixendorf und Grafenwert) und Taf. 215 (Stammwappen), vgl. auch NÖLA, Hs. 236/5, pag. 446.
2) Geviert: 1 und 4: ein mit fünf Rosen besetzter Lorbeerkranz; 2 und 3: hinter dreizinniger, mit drei Schießscharten versehener Stadtmauer zwei dreigeschossige Türme mit spitzen Zeltdächern, durch einen durchfensterten gedeckten Verbindungsgang im zweiten Geschoß miteinander verbunden.
3) Zwei gekreuzte Hauen.
4) S. NÖLA, Hs. 78/3, pag. 220. Christoph Rueber, 1500 im Streit mit Sebastian Hohenberger wegen des Erbes nach Sigmund Hohenberger (v. a. wegen der Burg Würmla), s. NÖLA, Hs. 236/5, pag. 447, hatte offenbar bereits 1537 als Fähnrich in der Kompanie des Hauptmanns N. Volkra zu Fuß an der in einer Niederlage endenden Schlacht von Esseg gegen die osmanischen Truppen teilgenommen, s. NÖLA, Hs. 78/1, pag. 628. 1524 hatte er zusammen mit Kaspar von Volkersdorf, Wolfgang Heidelberger zu Droß und Bartholomäus Kienast als Spruchmann im Streit zwischen Amalia, Witwe nach Wilhelm von Neidegg (?, vgl. jedoch Kat.-Nr. 223), und dem Zisterzienserkloster Zwettl um das Dorf Weißenalbern vermittelt, s. NÖLA, Hs. 5/8, fol. 98r, 1538 war er NÖ Verordneter gewesen, s. NÖLA, Hs. 66, pag. 16. 1547 fungierte er als landesfürstlicher Kommissär bei der Richter- und Ratswahl in Tulln, s. NÖLA, Privaturk. 5252 (1547 November 21, Wien). Wenigstens seit 1538 war er Inhaber von Pixendorf gewesen, s. NÖLA, Hs. 236/5, pag. 248 (recte: 448!), hier auch weitere Angaben zu ihm.
5) S. Treiber, Situation 36, 103 und Beilage 1. Der von einem der beiden weltlichen Brüder zu Jahresende 1542 versprochene und wohl auch tatsächlich geleistete Beitrag von 100 fl. zur Wahl Leopolds zum Abt von Göttweig (s. Kat.-Nr. 252) hatte sich damit in jedem Fall bezahlt gemacht: Christoph hatte von seinem Bruder Leopold das Bergrecht des Klosters in Katzelsdorf und 1547 einen Hof mit Zubehör in Großrust um 250 fl. weit unter dem Wert angekauft, um ihn für 1000 fl. an Georg Grabner zu Zagging weiterzuveräußern. Bei beiden Brüdern hatte Leopold als Abt von Göttweig Schulden gemacht, die Christoph mit 600 fl., Wolfs Erben mit 1350 fl. nach dem Tod Leopolds 1556 gegen das Kloster geltend machten, s. StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 82v.
6) Vgl. etwa Güteraustausche in StiA Herzogenburg, D. n. 463 (1581 April 6, Grafenwörth). Zum Epitaph von Hans’ erster Frau Anna von Hanon (gest. 1562) in Sonnberg vgl. Lind, Atlas 164f. (Taf. LXXXI, Fig. 3), DASP, Nachlässe 5, Buch B, pag. 352 und Dehio Nord 1097.
7) S. StiA Herzogenburg, D. n. 485b (1594 Dezember 4, Wien), vgl. Schmettan, Chorherrenstift 21 und Payrich/Penz, Dürnstein 59f.
8) Vgl. StiA Herzogenburg, D. n. 513–516 (1601 o. T. bis 1602 Juni 17, Grafenwörth), 519 (1602 September 27, Wien) und 526f. (1603 August 16 und 20). Im Schreiben Kniepichlers an Hans Rueber von 1600 September 5, Grafenwörth (D. n. 513, fälschlich zu 1601 datiert), wird die Kapelle in St. Johann als „durchs wasser verfallen (...)“ bezeichnet. Nach Plesser, Kirchengeschichte (1939) 455 hatte das Hochwasser die Kirche vor 1582 zerstört.
9) S. StiA Herzogenburg, H. n. 724 (1581 April 10).
10) S. NÖLA, Privaturk. 5255f. (1589 August 12, Raab bzw. Wien).
11) S. Thomas, Waffen (1959) 135 (Kat.-Nr. 436), Ders., Waffen (1963) 225f. (Abb. 2) und Gamber/Beaufort, Katalog 104 sowie Pfaffenbichler, Militärwesen 337f. (Kat.-Nr. 15.13). Weitere Angaben zu Hans Rueber s. in NÖLA, Hs. 236/5, pag. 249f. (recte 449f.). Ein jüngerer Verwandter, Ferdinand Rueber, vormals Truchseß K. Ferdinands I., starb 1602 und wurde in der Wiener Minoritenkirche bestattet, vgl. seine kopial überlieferte Grabinschrift in ÖNB, Cod. Ser. nov. 12.781, pag. 195.
Literatur

ÖKT 1, Beiheft 31f. – ÖAW, NLH, 3. 4. 1966. – Schmidtbauer, Grafenegg 7. – Dehio Nord 304.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 249,
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Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 122: Epitaph des
Wolf Rueber (1555)

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Abb. 124: Detail

©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)