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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

252 Göttweig, Klosterkirche 1550–1556

Epitaph des Abtes Leopold Rueber von Pixendorf, roter Marmor, in der Kirchenvorhalle an der Ostwand der zweite Stein von Süden, bis 1719 an nicht näher bekanntem Standort in der Klosterkirche, um 1777 möglicherweise bereits am heutigen Standort1). Hochrechteckige Platte, in den oberen zwei Dritteln in vertieftem Feld Relief des rechts in Pontifikalgewändern mit Mitra und Pedum im Gebet vor dem Gekreuzigten (I) in der linken Bildhälfte knienden Abtes, oben rechts dreizeilige gestaffelt zentrierte Inschrift (II). Im unteren Drittel Rollwerktafel mit neunzeiliger Inschrift (III). Zeilenlinierung sichtbar.

H. 186 cm, B. 94 cm, Bu. 3 cm. – Kapitalis.


Textedition
			

I. INRI II. MISEREREa) MEI DEV(S)b) MISEREREa) / MEI DEVS QVONIAM IN TE / CONFIDIT ANIMA MEA III. SVBa) HOC MARMOREc) DORMITd) REVE=/RE(N)D(VS) IN CHRISTO PATERa) AC D(OMI)N(V)S / DOMINVSa) LEOPOLD(VS)a) RVEBER ABBASe) / MONASTERII GOTWICENSISa) CVI / SI QVIDf) PROFVIT · DEO ADSCRIBITE / POSTERI EVM SEQVIa) NE DEDIG=/NABVNTVR OBIITg) AB IN CAR=/NATIONE CHRISTI · M D L <VI / QVINTO DIE AVGVSTI>

Anmerkungen
a) Anfangsbuchstabe vergrößert.
b) Befund der Kürzung: DEV mit (redundantem) us-Haken.
c) R in O eingeschrieben.
d) Anfangsbuchstabe vergrößert, R in O eingeschrieben.
e) Anfangsbuchstabe vergrößert, S klein am Zeilenende dicht neben rechtem Schrägschaft des A über der Basislinie.
f) D aus T korrigiert.
g) zweites I unter Balken des T eingestellt.

Erbarme dich meiner, Gott, erbarme dich meiner, Gott, denn auf dich vertraut meine Seele (II). Unter diesem Marmorstein ruht der in Christus ehrwürdige Pater und Herr, Herr Leopold Rueber, Abt des Klosters Göttweig; wenn er diesem zu Nutzen war, rechnet das Gott an. Die Nachfahren mögen nicht verschmähen, ihm zu folgen. Er starb (im Jahr) nach der Fleischwerdung Christi 1556 am 5. August (III).

Nach Ps 56,2 (II).


Kommentar

Der aus begüterter ritteradeliger Familie stammende Leopold Rueber von Pixendorf war 1542 Prior im Benediktinerkloster Altenburg und Pfarrer der inkorporierten Pfarre Röhrenbach. Die Postulation Ruebers nach Göttweig durch drei Kompromissare anstelle des Konvents nach dem Tod Abt Bartholomäus Schönlebens (s. Kat.-Nr. 208) bzw. dessen kurzzeitigen Nachfolgers Placidus (gest. 1542) erfolgte zu einer Zeit des Niedergangs im dortigen Konvent, der nur noch sechs Mitglieder zählte. Leopolds protestantisch gesinnte Brüder Christoph und Wolf unterstützten in durchaus eigennütziger Weise (s. Kat.-Nr. 249) dessen kostspielige Bewerbung um das Amt, das er am 5. Jänner 1543 antrat. Zumindest im Jahr 1548 scheint Rueber Baumaßnahmen an den Befestigungsanlagen im Süden der Klosteranlage ausführen haben lassen (vgl. Kat.-Nr. 230), im selben Jahr nahm er das kleine ehemalige Klostergebäude der Karmeliter in Gösing a. Wagram in Bestand. Rueber, der mit seiner vor 1555 verstorbenen Dienerin Anna zwei Söhne Erasmus (seit 1549 im Genuß der Göttweiger Pfarrpfründe von Kilb) und Veit hatte und das wirtschaftlich ohnehin seit Jahrzehnten angeschlagene Kloster durch einen aufwendigen Lebensstil mit großer Dienerschaft – als Klosterhauptmann fungierte bei Amtsantritt sein „vetter“ Wolfgang Meireser, als persönliche Diener des Abtes wurden vier oder fünf Personen besoldet – weiter schwer schädigte, starb nach 13-jähriger Sedenz am 4. August 1556 im Göttweigerhof in Stein, zwei Tage zuvor hatte ihm der evangelisch gesinnte verheiratete Pfarrer Kilian Meichsner von Mautern, ein ehemaliger Augustiner-Chorherr aus St. Nikola bei Passau und Hofmeister des Nikolaihofs in Mautern, die Sterbesakramente gespendet. Die Verwaltung des Klosters, das 1554 einen Schuldenstand von 27.870 fl. und 9.600 fl. Steuerrückstände aufwies und beim Tod Ruebers nur noch einen einzigen Konventualen zählte, hatte schon 1553, noch zu Lebzeiten Ruebers, der aus Bergamo stammende Herzogenburger Propst Bartholomäus (Venturini) de Cataneis, zunächst als Angehöriger einer landesfürstlichen Kommission, später als alleiniger Administrator (Superintendent) übernommen2).

Auch zu Abt Leopold, der von 1551–1553 NÖ Verordneter gewesen war, hatte um 1600 eine Darstellung im Rahmen einer geschlossenen Reihe von Göttweiger Äbtebildern existiert3). Der Text der Inschrift des zu Lebzeiten Ruebers (wie die bereits ursprünglich eingehauene Zehnerstelle der Jahreszahl vermuten läßt, nach 1550) angefertigten Epitaphs nimmt sich mit dem in der älteren Göttweiger Literatur fast durchwegs als posthume Anschuldigung des hinterlassenen Konvents mißdeuteten Bescheidenheit­stopos CVI SI QVID usw. höchstwahrscheinlich ein Vorbild an der Umschrift der Grabplatte des Abtes Andreas von Altenburg (gest. 1519), die Rueber als vormaliger Pfarrer von Röhrenbach und Prior des Waldviertler Klosters zweifellos aus eigener Anschauung gekannt hatte4).

In der älteren Literatur wurde eine Anfertigung des Epitaphs durch die Werkstatt des u. a. 1537 mit dem figürlichen Grabdenkmal Abt Bartholomäus Schönlebens (Kat.-Nr. 208) für Göttweig tätigen Konrad Osterer angenommen5). Neben der beträchtlichen zeitlichen Distanz und den auch qualitativen Differenzen in der bildlichen Gestaltung spricht auch die deutlich unterschiedliche Inschrift des gegenständlichen Steins gegen eine Gleichsetzung der ausführenden Künstler.

Die technisch recht sorgfältig eingehauene Kapitalis wirkt durch die überwiegend breiten Einzelformen und deren lockere Spationierung relativ plump. Schwächen bei der Festlegung des Layouts manifestieren sich in der durch mangelhafte Zeileneinteilung notwendig gewordenen störenden zweifachen O/R-Enklave in der ersten Zeile sowie durch weitere unharmonische Kürzungsmaßnahmen in den ersten drei Zeilen von Inschrift III, während der übrige Text ungekürzt blieb. Die bei insgesamt großer Strichstärke mit kaum merklichem Wechsel von Haar- und Schattenstrichen ausgeführte Schrift weist an beachtenswerten Einzelformen B mit minimal größerem unteren Bogen, C mit meist auf gleicher Höhe endenden und mit rechtsschräg abgeschnittenem Sporn versehenen Bogenenden, E mit verkürztem mittleren Balken, G mit bis zur Mittellinie reichender senkrechter Cauda, H mit sehr kleinem, nach unten weisenden Siculus, gerades M mit bis zur Basislinie reichendem Mittelteil, Q mit geschwungener und weit in den Unterlängenbereich ragender und R mit geschwungener und weit ausgestellter Cauda auf. Nicht auf das Unvermögen des Ausführenden zurückzuführen, sondern bewußt stilisiert ist die Manier, bei M und N den ersten Schaft mit dem Linksschrägschaft nicht in einem Punkt an der Oberlinie des Mittelbands spitz zusammentreffen zu lassen, sondern beide – waagrecht abgeschnitten – nebeneinander zu stellen, was zu einer übermäßigen Verbreiterung des Buchstabens führt. Freie Schaft-, Balken- und Bogenenden werden mit kräftigen Serifen versehen, am Balken des T sind sie beiderseits rechtsschräg abgeschnitten. Die spätere Ergänzung des Sterbedatums in den beiden letzten Zeilen wurde teilweise über eine bereits in Umriß und Schraffur aufgerissene Vorzeichnung des ursprünglich reicher konzipierten unteren Rollwerkrahmens eingehauen.

1) StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 172r: „Marmor hoc cernitur a parte dextra penes ingressum in ecclesiam“.
2) StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 81r-82v (Nachzeichnung des Abtsiegels) und unfol. Einlagebl. vor fol. 81 (Schreiben Ruebers an den Klosterhauptmann; 1543 Februar 17, Nürnberg), Dungel, Göttweig 567f., Lashofer, Professen 181 und Hödl, Göttweig 157 (hier mit falschem Sterbetag 8. August 1556), 159, 163f. und 171–174. Vgl. auch Zedinek, Göttweig 63 und 67 und Fux, Ortsgeschichte 58f. (die Administration Göttweigs hier ebenso wie bei Dungel, Göttweig 568 und Hödl, Göttweig 159 fälschlich erst zu 1556 Oktober 1 angegeben) und knapp Fischer, Atlas 40f. Zur Bestellung de Cataneis’ zum Göttweiger Kommissar bzw. Administrator vgl. StiA Herzogenburg, H. n. 666 (1553 Mai 15, Wien), zur Person vgl. Brusch, Supplementum 184. Die Angaben zu den Kindern Ruebers und zu Kilian Meichsner s. bei Maroli, Pest- und Totenbruderschaft 275 (Anm. 24) und 277, zu Meichsner s. auch Schönfellner, Krems 56–58. Angesichts der wirtschaftlichen Inkompetenz und konfessionellen Indifferenz Ruebers überraschend ist dessen wohl von der landesfürstlichen Kommission erzwungenes Bestreben, der Entfremdung von Einkünften der Klosterpfarre Göttweig 1553 durch Anlage eines neuen Jahrtagbuchs entgegenzuwirken und der klösterlichen Weinwirtschaft durch Abfassung einer Instruktion für den Göttweiger Kellermeister auf die Sprünge zu helfen, s. Fischer, Atlas 83 und 205. Die Kirche und das kleine Klostergebäude in Gösing a. Wagram, ursprünglich eine Pertinenz des Wiener Karmeliterkonvents Am Hof in Wien, hatte der Orden offenbar seit 1548 nicht mehr selbst verwaltet. Während die Seelsorge einem Weltgeistlichen übertragen wurde, gegen den die Kirchengemeinde 1551 Klage bei Kg. Ferdinand I. führte, hatte das Klostergebäude samt zugehörigen Einkünften Abt Leopold gegen eine jährliche Summe von 10 Metzen Weizen, 30 Metzen Korn, 36 Eimer Wien und 10 lb. den. in Bestand genommen, die entsprechenden Verträge (1548 August 30 und September 29) s. in StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), unfol. Einlagebl. vor fol. 81. Die Bezahlung des ausständigen Bestandgelds, die Rueber und de Cataneis in der Folge offenbar nicht geleistet hatten, forderte der Wiener Karmeliterkonvent (seit 1554 in der Vorstadt Mariahilf ) 1569 von Abt Michael Herrlich. Korr. nach dem Gesagten die unrichtigen Angaben über die Gösinger Kirche in Dehio Nord 295.
3) S. zur ständischen Funktion NÖLA, Hs. 66, pag. 20, zur bildlichen Darstellung die Aufzeichnungen Job Hartmann Enenkels (vor 1603) in NÖLA, Hs. 78/3, pag. 400 („Catalogus abbatum monastery in Gothwico, veluti ibi depicti videndi sunt“). Im Rahmen dieser Reihe von Äbtebildern (vgl. ausführlicher Kat.-Nr. 365†) war Leopold jedoch fälschlich als 40. Abt mit einer Regierungszeit von 1546 bis 1559 gezählt worden.
4) Der entsprechende Teil der Inschrift der Altenburger Platte lautet Cui si quid vsquam profvi deo adscribite celvmque mihi optate posteri meque sequi minor, S. Zajic, Grabdenkmäler (2000) 75. Auch sonst war dieser Bescheidenheitstopos bei Äbten des 16. Jahrhunderts ganz offensichtlich beliebt, wie ein weiterer Beleg aus Wilhering zeigt: Svb hoc marmore dormit Reverendissimus pater et dominus dominus petrus Rinckhaimer abbas hvius monastery Cvi si quid profvit, deo ascribite caeteri evm sequi ne dedignabvntur (...), s. Schraml, Grabinschrift 317, und vgl. Zajic, „Zu ewiger gedächtnis aufgericht“ 264f. (Anm. 149).
5) S. ÖKT 1, 29 („Schulzusammenhang“ mit der Arbeit Osterers) und 440f., Lechner, Stift 48 und 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 1320. Unbestreitbar ist zweifellos vor allem die Ähnlichkeit der Gesichtszeichnung auf beiden Grabdenkmälern. Unhaltbar ist dagegen die Theorie bei Adamek, Grabdenkmäler (1968) 47f. bzw. Dems., Grabdenkmäler (1969) 52f., das Epitaph Ruebers sei eine zunächst 1535 von Abt Bartholomäus Schönleben laut dessen Rechnungsbuch mit 15 lb. den. bezahlte Arbeit des Meisters Thomas von Burghausen gewesen, die nach der 1537 erfolgten Anfertigung des monumentalen Grabdenkmals für Schönleben durch Konrad Osterer (Kat.-Nr. 208) „unvollendet“ geblieben und nach dem Tod des „bei seinen Ordensbrüdern nicht gerade sehr beliebt(en)“ Rueber aus Kostengründen lediglich mit der auf Rueber bezogenen Inschrift versehen worden sei. Mitverantwortlich für diese krause Theorie dürfte einmal mehr das oben beschriebene Unverständnis für den Bescheidenheitstopos der Inschrift auf Rueber gewesen sein.
Literatur

StiA Göttweig Cod Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 137. – StiA Göttweig, Cod. Ser. nov. 91 (Schenggl), pag. 718. – StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 172r (ganzseitige Federzeichnung). – Dungel, Göttweig 496. – DASP, Nachlässe 5, Heft L, fol. 43r. – ÖKT 1, 29, 441f. (Fig. 327) und 471f. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 89 („17 Grabsteine in der Kirche und Vorhalle“). – Schaffran, Land 72. – ÖAW, NLH, 2.-4. 7. 1958. – Zedinek, Göttweig 63 und Anm. 60 (fehlerhafte Transkription und mißverstandene Deutung der Inschrift). – Adamek, Grabdenkmäler (1968) 47f. und Kat.-Nr. 68 (Abb. 61; fehlerhafte Übersetzung und mißverstandene Deutung der Is.).– Adamek, Grabdenkmäler (1969) 52f. – Lechner, Stift 48 (Abb. 30 [Tafelteil]). – Lashofer, Professen 181. – 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 1320 (Abb.). – Hödl, Göttweig 158, Anm. 10 (mißverstandene Deutung der Is.). – Fischer, Hellerhof 32 (Abb.). – Zajic, Grabdenkmäler (2000) 75. – Fischer, Atlas 131 (Abb.) – Dehio Süd 571.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 252,
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Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 123: Epitaph des Abtes
Leopold Rueber (1550-1556)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)