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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

259 Krems, WEINSTADTmuseum (ehem. Dominikanerkloster, Körnermarkt 14) 1560

Portalvertäfelung mit Initialen, Bibelzitat als belehrende Spruchinschrift und Jahreszahl, Weichholz und verschiedene Harthölzer (Eiche, Ahorn, Erle), intarsiert, gebeizt und lackiert, früher in der Schausammlung des Museums („Kapplerstube“), derzeit unzugänglich im Depot, ursprünglich in der Rats- bzw. Gerichtsstube des Rathauses Weißenkirchen (zugleich ehem. Bürgerspital, [Seiberstr.] Nr. 32), 1916 aus dem Besitz des Wiener Malers Robert Russ in das Museum gelangt (Inv.-Nr. M 146)1). Über Türrahmen (die Tür selbst mit zwei hochrechteckigen, mit architektonischem bzw. vegetabilem Dekor intarsierten Feldern gegliedert und mit originalen Beschlägen bzw. Schloß versehen) aus zwei schlicht profilierten Pilastern breiter Fries zwischen zwei hochrechteckigen Kämpferblöcken, über mehrfach profiliertem und seicht verkröpftem Gesims Dreieckgiebel mit Zahnschnittleiste, am Scheitel und an beiden Schenkeln außen je eine kleine schellenartige Kugel aufgesetzt. Im Giebelfeld unter intarsiertem Dekor (Kreis, durch exzentrisch eingelegte kleinere hellere und dünklere Kreise eine perspektivisch aufgefaßte Vertiefung andeutend, bzw. vegetabile Ranken) trapezförmige weiß grundierte Schrifttafel mit zwei dunkelbraun eingelegten Monogrammen (I). Im Fries zwischen den mit geschachten Rauten dekorierten Kämpfern zwei rundbogige dunkelbraun aufgemalte Schriftleisten (II), auf drei zentralperspektivisch dargestellten geschachten Bodenfeldern auflagernd. In den Zwickeln darüber je ein Kreis, durch exzentrisch eingelegte kleinere hellere und dünklere Kreise eine perspektivisch aufgefaßte Vertiefung andeutend. In den Bogenfeldern darunter je ein aufschabloniertes Ornament und je zwei Stellen der Jahreszahl (III)2).

H. (des Aufsatzes) 120 cm, B. (des Aufsatzes) 135 cm, H. (Schrifttafel I) 6,5 cm, B. (Schrifttafel I) 27 cm, Bu. 5,5 cm (I), 2,8 cm (II) und 9 cm (III)3). – Kapitalis.


Textedition
			

I. G(EBHARD) . G(EBL) . · W(OLF) . L(VFTENBERGER) . II. SAP(IENTIAE) I. DILIGITE · IVSTITIAM · // QVIa) · IVDICATIS · TERRAM · III. 1 · 5 // 6 · 0b)

Anmerkungen
a) Übergang auf das rechte Bogenfeld.
b) Übergang auf das rechte Bogenfeld; alle Trennzeichen auf Zeilenmitte: Rauten mit angesetzten Zierstrichen.

Schätzt die Gerechtigkeit, die ihr die Erde beherrscht (II).

Sap 1,1 (II).


Kommentar

Zu Gebhard Göbl s. ausführlich Kat.-Nr. 357.

Wolfgang Luftenberger war wenigstens 1550 Richter der Wachau und in jenem Jahr offenbar auch Inhaber des ansonsten seit 1525 im Besitz der Göbl erscheinenden Teisenhoferhofs in Weißenkirchen. Im genannten Jahr hatte er den Kirchensteig, also die vom Marktplatz zur Pfarrkirche führende Stiege decken lassen und den Prädikanten Hieronymus Reuter von Großreinprechts nach Weißenkirchen berufen4). Ein jüngerer Verwandter (Sohn?) Wolfgangs, der Wachauer Ratsbürger Benedikt Luftenberger, war seit mindestens 1573 Streunscher Pfleger bzw. 1580 Bestandinhaber der Herrschaft Hartenstein und ersuchte Richter und Rat von Enns, ihm die Errichtung eines Holzstadels in Weißenkirchen „in des Luegerhofs garten“ an der Donau gegen jährlichen Zins zu gestatten5). 1582 barg er zusammen mit den Ratsbürgern Wolfgang Frü(h)wirt(h) und Georg Krautt und dem damaligen Richter Gebhard Göbl die vormals in Verwahrung im Weißenkirchener (Kirch-)Turm befindlichen Urkunden des Tals Wachau6). Im selben Jahr war Benedikt Luftenberger zusammen mit dem Spitzer Bürger Paul Gerstl Hauptgläubiger des Weißenkirchener Bürgers Friedrich Preuer. 1585 war Luftenberger Richter und Steuereinnehmer der Wachau, im Folgejahr erlangte er eine kaiserliche Wappenbesserung7). 1589 war er, hier als Inhaber eines Freihofs in Haindorf (vielleicht heutiges „Oberes Schloß“ in Langenlois, Haindorferstr. 78) bezeichnet, neben anderen Zeuge der Testamentsabfassung Gebhard Göbls8).

Die perspektivisch aufgefaßten und eine flache schüsselartige Vertiefung vorgebenden, wohl ursprünglich den Oculi der Architektur nachempfundenen vollrunden Ornamente der Vertäfelung gehörten zum dekorativen Gemeingut der Renaissancetischlerei. Nicht intarsiert, sondern seicht einge­schnitzt und darum überzeugender perspektivisch wirkend erscheinen sie etwa auf einer Truhe von 1607 im Schloßmuseum Straßburg9). Dieselbe Grundform erscheint auch als pseudoarchi­tektonisches Dekorversatzstück auf dem Epitaph des Kaspar von Hohberg in Straß i. Straßertale (Kat.-Nr. 306).

1) Nach ÖAW, NLH 28. 8. 1961 (Gerhard Lindbichler), stammte das Objekt aus dem Nachlaß Russ’, was jedoch unrichtig sein muß, da Russ erst 1922 verstarb, s. zu ihm knapp Frodl, Russ 333f. Dieselbe Provenienz gab jedoch schon Dworschak, Krems-Stein 90, an.
2) Beschreibung nach Windisch-Graetz, Tischlerhandwerk 328 und 336–338 (Kat.-Nr. 332), Abb. 60.
3) Abmessungen nach ÖAW, NLH, 28. 8. 1961.
4) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 549 (1550 März 17).
5) S. Topographie 4, 97 und Plesser, Kirchengeschichte (1951) 593 (1580 Mai), vgl. auch Fux, Land 36. Plöckinger, Dürnstein 17, nennt als Dürnsteiner bzw. Wachauer Bestandinhaber Streuns zum Jahr 1573 Gebhard Göbl.
6) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 594 (1582 Jänner 3). Die von Plesser auf den Thurnhof (Weißenkirchen Nr. 76 und 77) bezogene Nachricht der Verwahrung der Urkunden im „thurn“ zu Weißenkirchen dürfte wohl eher auf den Kirchturm der befestigten (damaligen) Fk. Weißenkirchen zu beziehen sein.
7) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 595 (1582 Oktober 15, 1585 Oktober 24, 1586 Oktober 6, Prag). Topographie 4, 97 führt ohne nähere Angaben einen Adelsbrief Luftenbergers zum Jahr 1585 an.
8) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 595f. (1589 Juli 11).
9) S. DI 65, Kat.-Nr. 621.
Literatur

Dworschak, Krems-Stein 90. – ÖAW, NLH, 10./11. 7. 1959 bzw. 28. 8. 1961. – Windisch-Graetz, Tischlerhandwerk 328 und 336–338 (Kat.-Nr. 332; Abb. 60).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 259,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil3/noe-3-obj259.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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