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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

278 Paudorf, Ortskapelle Schmerzhafte Muttergottes 1569

Glocke mit Gußvermerk, seit 1948 im Turm der Kapelle, angeblich aus Ungarn (?) stammend. Am Hals Umschrift zwischen zwei begrenzenden Stableisten, unmittelbar darunter an der Flanke breiter Palmettenfries. An der Flanke weiters kleiner Wappenschild in vollrunder Rahmung aus Lorbeer­blattleiste. Oberfläche teilweise oxidiert.

H. (ohne Krone) 38 cm, D. 49 cm, Bu. 2,5 cm. – Kapitalis.


Textedition
			

WOLFF HILGER ZV FREIBERGCK GOS MICH · M · D · LXIXa) ·

Anmerkungen
a) Trennzeichen rautenförmig.

Wappen: unbekannt1).


Kommentar

Die beiden ursprünglich in der Paudorfer Ortskapelle vorhandenen, 1887 und 1896 angekauften Glocken mußten 1917 bzw. im Zweiten Weltkrieg abgeliefert werden. Nach dem Kriegsende konnte die Pfarre Göttweig „durch Vermittlung einiger Monteure“ die gegenständliche Glocke im sowjetischen Militärlager in Mautern erwerben, die offenbar mündlicher Tradition nach „aus einem deutschen (!) Ort in Ungarn oder aus einem Glockenlager mitgebracht“ worden sein soll. Im Rahmen einer schlichten Feier wurde die Glocke am Ostermontag (29. März) 1948 im Turm der Paudorfer Ortskapelle aufgezogen. 1988 wurde ein elektrisches Läutwerk installiert2).

Ähnliche Buchstaben- und Ornamentmodeln fanden offenbar auf mehreren Glocken der Werkstatt des Wolf(gang) Hil(li)ger in Freiberg Verwendung. Ganz ähnlich, aber schon aufgrund der größeren Dimensionen nicht modelidentisch, erscheinen sowohl Schriftformen als auch Palmettendekor etwa auf der 1570 datierten Kleinen Glocke Hil(li)gers im „Faulen Turm“ der Freiberger Petrikirche3). Die ungeklärte Provenienz der gegenständlichen Glocke ist besonders bedauerlich, da die Glocken der Hil(li)ger-Werkstatt außerhalb Sachsens keine große Verbreitung gefunden zu haben scheinen4). Wolfs Sohn Martin Hilger (geb. 1538), der die väterliche Gießerei in Freiberg fortführte und auch die kurfürstliche Gießerei in Dresden leitete, war jedoch zwischen 1577 und 1587 auch an der Grazer Gießerei vor dem Paulus- und Sacktor tätig5).

1) Wappenbild infolge starker Oxidation nicht mehr erkennbar. Ob es sich möglicherweise um das Wappen Hil(li)gers, das etwa auf der oben genannten Freiberger Glocke oder einer 1559 gegossenen Glocke in Kleingörschen (s. DI 63, Kat.-Nr. 145, mit weiterführenden Literaturangaben zur Freiberger Werkstatt) als Vollwappen in einem vollrunden Medaillon mit Gießervermerk als Umschrift angebracht ist, gehandelt hat, ist nicht festzustellen.
2) S. Brugger, Kapellen 10f.
3) Vgl. die Abbildung unter http://www.petri-nikolai-freiberg.de/gebaeude/glocke_klein_schrift.jpg (September 2005).
4) Eine Sichtung der bereits erschienenen Bände der DI ergab mit Ausnahme der in Anm. 1 genannten Glocke ein durchwegs negatives Ergebnis. In Österreich haben sich nach Ausweis des Katalogs bei Weißenbäck/Pfundner, Erz, keine anderen Glocken dieser Werkstätte erhalten.
5) S. zur Grazer Gießerei Martin Hilgers, aus der neben Geschützen sechs steirische Glocken stammen, Weißenbäck/Pfundner, Erz 135 und 156f. und Wernisch, Glockenkunde 165.
Literatur

Brugger, Kapellen 10f. – Fischer, Atlas 72 und 75.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 278,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil3/noe-3-obj278.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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