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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
304 |
Göttweig, Prälatur |
1582 |
(Teil vom) Epitaph des Göttweiger Abtes Michael Herrlich, Tempera auf Lindenholz (?), in der Prälatur an der Wand, bis 1719 an nicht näher bekanntem Standort in der Gotthardskirche an der Wand. In sekundärem Holzrahmen mit roten achtstrahligen Sternen auf goldenem Grund zwischen graubraunen Hohlkehlleisten hochrechteckige Tafel. Im Vordergrund Darstellung des in Pontifikalgewändern (Mitra am Boden abgesetzt, Pedum mit weißem Velum über die linke Schulter gelehnt) vor dem Gekreuzigten (I) in der rechten Bildhälfte im Gebet knienden tonsurierten bärtigen Abtes. Über dem Saum des roten, mit goldenen Borten besetzten Pluviale am unteren Bildrand annähernd mittig sekundär schwarz aufgemalte Namensbeischrift (II). Hinter dem Abt Johannes d. T. in braunem Hemdkittel und rosa/grünem Mantel stehend, die rechte Hand auf die Schulter Herrlichs gelegt, mit der linken auf den Gekreuzigten weisend. Im Bildmittelgrund links auf einem Hügel vor Zeltlager Szene Moses mit der Ehernen Schlange, in der Mitte ein nach links sprengender Reiter in orientalischer (?) Gewandung (weißer Turban, kurze grüne Jacke, roter Umhang, weiße Pluderhose), einen Krummsäbel bzw. Yatagan (?) schwingend, als Begleitung ein weißer Jagdhund, hinter dem Reiter eine Figur mit federbekrönter Sturmhaube und goldenem Harnisch zu Fuß in Rückenansicht, über die Schulter eine Lanze gelegt, um die Hüfte einen Krummsäbel/Yatagan in schwarzer Scheide. Im Hintergrund kolossale antikisierende Architekturkulisse mit Ausblick auf felsige Küsten- und Meereslandschaft unter düsterem Gewitterhimmel. Die ursprünglich zugehörigen Inschriften (III†–VI†) befanden sich wohl auf dem heute verlorenen Rahmen des erhaltenen, nach 1907 restaurierten Tafelteils.
H. (mit Rahmen) 120 cm bzw. 107,5 cm (ohne Rahmen), B. (mit Rahmen) 98 cm bzw. 85,5
(ohne Rahmen), Bu. 2,8 cm (I) und 0,9 cm (II). – Kapitalis (I und II) und Minuskelantiqua (II).
Textwiedergabe und Beschreibung1) von III†–VI† nach StiA Göttweig, Cod. Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 125.
Textedition
I.
I.N.R.I
II.
MICHAELa) HERLICHa) / Abbasa) GottWICENS(IS)
III†.
Sicut Moses exaltavit Serpentem in deserto ita exaltari oportet filiu(s) hominis,
ut omnis qui credit in Eu(m), non pereat, sed habeat vita(m) aeternam. Joa(nnis)
3. C(apitulo)
IV†.
Hac Situs est Michael Herlich venerand(us) in urnis
Praesul, qui Christo praestitit obsequium.
Qui virtute dec(us) sibi non mortale paravit,
dum dedit hoc caeli Numine parca frui.
Praebuit huic primas Weinhemia Patria Cunas
Clara Palatinis Conspicienda Jugis.
Nobilitas famae superest, mens ivit ad astra,
Candida marmoreus contegit ossa lapis.
V†.
Scio enim quod Redemptor me(us) vivit [et in novissimo de terra surrecturus
sim et rursum circumdabor pelle mea et in carne mea videbo Deum quem
visurus sum ego ipse et oculi mei conspecturi sunt et non alius reposita est haec
spes mea]b) in sinu meo. ex Hiob. 1582.
VI†.
Miserere mei De(us), Miserere mei, quoniam in te confidit anima mea. ps(almo)
LVI.
Anmerkungen
Kommentar
Michael Herrlich, geb. um 1520, stammte aus Weinheim in der Pfalz und war zu nicht näher bekanntem Zeitpunkt im Kloster Melk eingetreten, dessen Prior er zwischen 1550 und 1562 gewesen war und dessen Pfarre Ravelsbach er vorstand, als er nach dem Tod des in Göttweig zum Administrator (Superintendenten) bestellten Herzogenburger Propstes Bartholomäus de Cataneis am 28. Juni 1564 von einer landesfürstlichen Kommission, der er selbst (anstelle des wenige Tage zuvor verstorbenen Melker Abtes), Propst Johann Pölzer von Herzogenburg, die Äbte Johannes Schröttl vom Wiener Schottenkloster und Leopold Lasberger von Altenburg, Franz von Sinzendorf, der Kremser Schlüsselamtmann Georg Bayer und der Pfarrer von Mautern angehörten, zum 42. Abt von Göttweig postuliert wurde. Herrlich, dem der Wiederaufbau des zunächst völlig konventlosen, zu Jahresende 1564 wieder mit einem Prior und einem weiteren Konventualen versehenen Klosters – der Frauenkonvent war 1557 nach St. Bernhard bei Horn abgesiedelt worden – trotz einer Schuldenlast von fast 13.000 fl. durch behutsame Verpfändungen gelang, resignierte als längstregierender Abt der Klostergeschichte nach 40-jähriger Sedenz am 21. November 1603 im Kapitel aus Alters- und Krankheitsgründen. 1604 wurden ihm als Altersversorgung der Getreidezehent in Hainfeld und weitere Naturalleistungen, eine kleine Wohnung beim inneren Klostertor (wohl im alten Kanzleitrakt westlich der Klosterkirche) sowie das von ihm erbaute Haus beim Further Pfarrhof samt den dazugehörigen Gärten eingeräumt, wo Herrlich am 23. März 1609 starb. In seiner Regierungszeit zerstörte ein Brand am 29. Mai 1580 Teile der alten Klosteranlage, die Wiederherstellung, deren Kosten mit über 12.000 fl. veranschlagt wurden, ging schleppend vor sich. Entgegen allen bisherigen Annahmen dürfte von den Beschädigungen nicht die Klosterkirche, sondern die von Herrlich in den auf den Brand folgenden Jahren mit mehreren Altären und Tafelbildern neu ausgestattete Gotthardskirche (s. Kat.-Nr. 325†, 329†, 330†, 331† und 357†) beeinträchtigt gewesen sein. Eine auf den 19. Juni 1594 datierte Weiheurkunde nennt die rekonziliierte Kirche im Klosterbereich nicht explizit, doch scheint der Bezug auf die Gotthardskirche – nicht die Klosterkirche – unzweifelhaft. In Herrlichs Regierungszeit wurden auch die Kirchtürme in den Klosterpfarren Kilb und Nappersdorf renoviert oder neu errichtet sowie das spätgotische Chorgewölbe der Pfarrkirche Furth ausgebessert (s. Kat.-Nr. 270† und 321†). Im November 1581 verweigerte er dem Passauer Offizial und Propst von St. Stephan in Wien, Melchior Klesl, die von Erzherzog Ernst gewünschte Übergabe der gesamten Altmannreliquien aus der ausgebrannten Göttweiger Klosterkirche für St. Stephan in Wien mit Ausnahme kleiner Partikel. 1590 wurde eine Silbermedaille auf ihn mit Porträt und seinem Wappen samt Wortdevise „Deus refugium meum“ aufgelegt2).
Herrlich, der schon zu Lebzeiten nach seiner Resignation als „secundus fundator“ des Klosters nach dem Zusammenbruch des mittleren 16. Jahrhunderts verehrt wurde, begann unmittelbar nach Amtsantritt zwar mit der Sanierung der wirtschaftlichen Situation des Klosters, setzte jedoch erst gegen Ende der 1590er Jahre erste Schritte zur Gegenreformation im Bereich des Klosters. Zuvor war er konfessionell tolerant bis indifferent und etwa 1579 zur Hochzeit des als Grundherrn benachbarten und mit Göttweig in Wirtschaftsbeziehungen stehenden Protestanten Helmhard Jörger und der Judith von Liechtenstein-Nikolsburg auf Schloß Zagging geladen gewesen. Wegen seines mangelnden Einsatzes im Streit um das Patronat über die Göttweiger Pfarren (Unter-)Nalb und Rossatz (um letztere mit dem protestantischen Inhaber der Herrschaft, Hans Christoph Geymann) kritisierte ihn Melchior Klesl scharf3). Seinem Nachfolger, dem vormaligen Prior Georg Schedler (s. Kat.-Nr. 388), hinterließ Herrlich einen durch insgesamt 42 Neueintritte unter seiner Regierung allmählich wieder angewachsenen, durch eine Pestepidemie (?) von 1596 mit neun bis 14 Todesopfern zwischenzeitig aber wieder reduzierten Konvent von sieben Personen.
Die Überreste des offenbar in seinen Pontifikalgewändern beigesetzten Abtes Michael Herrlich und des ebenfalls in der Gotthardskirche bestatteten Abtes Wulfing (Wolfgang, I.) von Altenburg (s. Kat.-Nr. 521†) wurden bei der Demolierung des Gebäudes 1719 in einer Kiste geborgen und in die Gruft vor dem Erzengelaltar der Klosterkirche übertragen4).
Das Epitaph, an das sich eine in der älteren Literatur häufig referierte, quellenmäßig jedoch schlecht belegte Legende aus der Haustradition über die Ermutigung des angesichts der Schuldenlast verzweifelten Abtes durch einen zahlungswilligen Untertanen knüpft, in Göttweig zugleich „das älteste Abtporträt mit individuellen Gesichtszügen“, wurde mit einer vermuteten Datierung um 1570 als „charakteristischer Nachzügler der Donauschule“ gewertet5).
Die Identifizierung des erhaltenen Tafelbilds als Mittelteil des von Schenggl beschriebenen Epitaphs ist durch die Übereinstimmung der Darstellung und die als Bilderläuterung zu verstehende Inschrift III hinreichend gesichert. Auffällig ist jedoch, daß der ansonsten sehr genau transkribierende Schenggl die Namensinschrift II nicht überliefert. Vermutlich wurde diese erst nach 1719 angebracht, um die Identifizierung des dargestellten Abtes nach Wegfall der weiteren Inschriften zu ermöglichen. Vielleicht wurde die Rahmung des Bilds mit den Inschriften schon im Zuge der Demolierung der Gotthardskirche im genannten Jahr beschädigt und entfernt. Um 1600 hatte vermutlich auch dieses Gemälde Job Hartmann Enenkel in Göttweig besichtigt und an das Ende einer Reihe von Äbtebildern des Klosters gestellt6).
Das auf Herrlichs Vaterstadt Weinheim bezogene Distichon klingt an darstellerische Topoi der
zeitgenössischen humanistischen Hodoeporica und Städtebeschreibungen an7).
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Göttweig, Prälatur • Epitaph • Tempera auf Lindenholz • Kapitalis • Minuskelantiqua • Inschriften des Totengedenkens •
Bayer, Georg •
Cataneis, Bartholomäus •
Enenkel, Job Hartmann •
Ernst •
Geymann, Hans •
Gold von Lampoding, Erasmus •
Herrlich, Michael •
Hueber, Barbara •
Jörger, Helmhard I. •
Klesl, Melchior •
Lasberger, Leopold •
Liechtenstein-Nikolsburg, Judith •
Pölzer, Johann •
Reiß, Utilo •
Schedler, Georg I. •
Schröttl, Johannes •
Sinzendorf, Franz •
Trenbach, Sixtus •
Trenbach, Urban •
Wolfgang •
Altenburg, Benediktinerkloster •
Furth b. Göttweig •
Göttweig, Benediktinerkloster •
Hainfeld •
Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenkloster •
Kilb •
Mautern a. d. Donau •
Melk, Benediktinerkloster •
Nappersdorf •
Ravelsbach •
Rossatz •
St. Bernhard, Zisterzienserinnenkloster •
St. Nikola bei Passau, Augustiner-Chorherrenkloster •
Unternalb •
Weinheim •
Wien •
Zagging
Abbildungen
Abb. 141: Teil vom Epitaph des Abtes Michael Herrlich (1582) ©
Bundesdenkmalamt, Wien, Fotoarchiv
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Michael Herrlich, Abt von Göttweig (II).
Wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöht hat, so muss auch der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren ginge, sondern das ewige Leben habe. Johannes im dritten Kapitel (III).
Hier ruht im Grab der ehrwürdige Abt Michael Herrlich, der Christus Gefolge leistete. Er bereitete sich durch seine Tüchtigkeit unsterblichen Ruhm, da ihm das Schicksal jene himmlische Gabe verlieh, göttlichen Zuspruch zu genießen. Weinheim bot ihm als Vaterstadt zuerst die Wiege, weithin sichtbar auf den Pfälzer Hügeln. Es bleibt der edle Ruhm, der Geist strebte nach den Sternen, ein Marmorstein bedeckt die weißen Knochen (IV).
Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und daß ich am jüngsten Tag von der Erde auferstehen werde und wieder mit meiner Haut umgeben werde, und ich werde in meinem Fleisch Gott sehen, ich selbst werde ihn sehen und meine Augen werden ihn sehen und niemand anders. Diese meine Hoffnung ruht in meinem Schoß. Aus Ijob. 1582 (V).
Erbarme dich meiner, Gott, erbarme dich meiner, denn auf dich vertraut meine Seele. Psalm 56 (VI).
Io 3,14f. (III); Iob 19, 25–27 (V); Ps 56,2 (VI).
Elegische Distichen (IV†).