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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

347 St. Michael, Fk. Hl. Michael 2. H. 16. Jh.

Fragmente einer Wandmalerei mit Stifterdarstellung, außen an der Langhaussüdwand zwischen zweitem und drittem Strebepfeiler, 1994 im Zuge der Außenrenovierung freigelegt und restauriert. Monumentale, ursprünglich die gesamte Wandfläche vom Boden bis zu einem schützenden hölzernen Pultdach unterhalb des Fensteransatzes ausfüllende malerische Ausstattung. Mehrere einzelne, horizontal und vertikal durch Scheinarchitektur (Säulen, Gesimse etc.) gegliederte Bildfelder mit biblischen Szenen (links oben eherne Schlange, links mittig Herkules am Scheideweg [?] etc.), ein großer Teil der einzelnen Szenen sowie der Gesamtzusammenhang durch spätere Umbauten, vor allem die Anbringung eines mächtigen Epitaphs von 1833 in der Fensterachse, gestört, Malerei rechts des Fensters fast völlig verloren. Links unten in querrechteckigem Bildfeld mit schmaler Rahmenleiste in der linken Hälfte in einem Betstuhl kniende männliche Figur in langem, pelzverbrämtem Mantel, die Arme zum Gebet gefaltet. An der Oberkante der Vorderseite die den Stifter bezeichnende Namensbeischrift, unmittelbar vor dem Betstuhl linksgewendetes Vollwappen, rechts davon eine kniende Knabenfigur in enganliegenden Beinlingen, kurzem Wams mit Puffärmeln und kurzen Pluderhosen, die Hände mit dem kleinen Barett zum Gebet gefaltet. Im Bildhintergrund freie Landschaft mit Wiesen, Gebüsch und Einzelbäumen, etwa in der Bildmitte am Horizont Darstellung eines Galgens (?), ganz rechts im Vordergrund ein Obstbaum. Der Gegenstand der Anbetung der beiden Figuren, vormals in der rechten Bildhälfte, heute verloren. Erhaltung mäßig, Farbschichten teilweise stark reduziert. Zahlreiche eingeritzte Besuchervermerke des späten 16. und 17. Jahrhunderts.

H. (des linken unteren Bildfelds) 118 cm, B. 80 cm, Bu. 2,5 cm. – Kapitalis.


Textedition
			

MICHAL · GEBL

Wappen: Göbl1).


Kommentar

Michael Göbl (Gebl), Handelsmann (?) und Ratsbürger von Weißenkirchen, fungierte 1519 als „Baumeister“ (Kirchenbauaufseher) der von der Weißenkirchener Fronleichnamsbruderschaft erbauten Kapelle in der damaligen Filialkirche Weißenkirchen und 1525/27 als „Baumeister“ bei der Umgestaltung und Einwölbung des Chors der Kirche. Seit wenigstens 1522 war er Richter der Wachau und seit 1525 Inhaber des Teisenhoferhofs in Weißenkirchen (vgl. Kat.-Nr. 217). 1539 kaufte er vom Kloster Dürnstein, das unter Propst Urban Hanal zu umfangreichen Grundverkäufen gezwungen war, die Weingärten „Harasser“ und „Öder“ bei Dürnstein um 120 lb. den.2), zwischen 1521 und 1544 vom Kloster auch Dienste auf verschiedenen Häusern in Weißenkirchen, den Weingarten „Grieß“ und einen Wald in Weißenkirchen um insgesamt 399 fl.3). Ein mutmaßlicher Sohn Michael Göbls, Gebhard, war wie jener (zwischen 1549 und 1589) Ratsbürger von Weißenkirchen und fungierte zwischen 1552 und 1558 zeitweise auch als Richter der Wachau. 1558 verkaufte er mit seiner Frau Anna acht Weingärten in Weißenkirchen an Veit von Zelking zu Weinberg4). 1582 barg er als Richter der Wachau zusammen mit den Ratsbürgern Benedikt Luftenberger, Wolfgang Frü(h)wirt(h) und Georg Krautt die vormals in Verwahrung im Weißenkirchener (Kirch-)Turm befindlichen Urkunden des Tals Wachau5).

1573 hatte er die Herrschaften Dürnstein und Wachau von Reichard Streun von Schwarzenau in Bestand genommen. 1589 verfaßte er in Beisein des Weißenkirchener Prädikanten Sigmund Welzer, des Ratsbürgers Benedikt Luftenberger (s. Kat.-Nr. 259) und anderer sein Testament. Seiner Frau Anna, geb. Lindner, vermachte er nach deren Wunsch entweder den Weingarten „Grieß“ im Ausmaß von 32 Tagwerk oder seinen Hof in Marbach a. d. Kl. Krems, für den er von Streun die Umwandlung in einen Freihof erbat. Das übrige liegende und fahrende Gut sollten seine Witwe und die Kinder je zur Hälfte erben und nutzen. 1591 starb Göbl, nachdem die beiden Herrschaften während eines laufenden Prozesses an den Rat von Dürnstein übertragen worden waren. 1605 verkauften die Gerhaben seiner unmündigen Kinder den Teisenhoferhof an den Wachauer Rat, der das Gebäude sowie die beiden „zuhäusel“ (wohl die heutigen Häuser [Marktpl.] Nr. 18 und 20, ursprünglich zusammen mit Nr. 24 einen zusammengehörigen Komplex im Bereich Marktpl./Kremserstr. gegenüber dem Teisenhoferhof bildend) und weiteres umfangreiches Zubehör umgehend um 1866 fl. an Albrecht Enenkel von Albrechtsberg weiterverkaufte. Noch im späteren 17. Jahrhundert existierte jedoch Göblscher Besitz in Weißenkirchen, ein als „Gäblisch hauptbüchel“ bezeichneter Komplex an Gülten, die 1643, und ein Wirtshaus, das 1662 von der Herrschaft Dürnstein angekauft wurden6). Ob der 1552 aufscheinende Langenloiser Bürger Pankraz Gebl mit der Weißenkirchener Familie verwandt war, ist unklar7).

1) Hahn (?); geschlossener Helm; bärtiger Mannesrumpf in mi-parti-Kleidung: aus der Stirnbinde wächst ein Pfauenstutz.
2) S. Plesser, Kirchengeschichte (1939) 106 und Ders., Kirchengeschichte (1951) 539–542 und 587–589 (1533 Mai 1 und 1541 September 24). Die 1519 von der Fronleichnamsbruderschaft begonnene und durch den Baumeister Stephan von Mautern aufgeführte Bruderschaftskapelle dürfte kaum, wie von Plesser vorgeschlagen und noch von Dehio Nord 1257 übernommen, mit dem Chor der Kirche, sondern mit der kleinen, an das südliche Seitenschiff angebauten Kapelle zu identifizieren sein. Im jüngeren Kopialbuch des Klosters, StiA Herzogenburg D.2.B.82, fol. 47r, findet sich als Kaufpreis für den Weingarten Harasser alleine die Summe von 170 fl. Die oben geäußerte Mutmaßung über Gebls Beruf stützt sich auf die Rechnungen des Spitzer Pfarrvikars Fr. Viktor Lauser für 1522/23 (DASP, PA Spitz 7/1/1 [Kirchenrechnungen 1], unfol.), wo N. Gebl als Lieferant von „hostuech“, also Tuch für Hosen für Lauser und dessen Kaplan P. Innocentius, im Wert von 3 lb. den. aufscheint.
3) StiA Herzogenburg D.2.B.82, fol. 46. Vermutlich handelt es sich bei diesen Gülten um das Wachauer „grundbüchel“, das Göbl nach Plesser, Kirchengeschichte (1951) 562, 1537 März 5 vom Kloster ankaufte, und das 1630 Justina Maria Göbl, geb. Hörstorffer, anstelle ihres unvogtbaren und im Ausland befindlichen Sohns Ferdinand Albrecht um 50 fl. wieder an das Kloster verkaufte.
4) S. OÖLA, Herrschaftsarchiv Weinberg, Urkundensammlung Kt. 24, Nr. V/12 (1552 Juni 20) und 15 (1558 Jänner 2, Weißenkirchen). In der Urkunde von 1552 (s. Kat.-Nr. 149) siegelte Gebhard Göbl neben Richter und Rat der Wachau als Ratsbürger von Weißenkirchen, in der oben genannten Verkaufsurkunde von 1558 wurde er bereits als Richter bezeichnet. 1562 verkaufte er dem Dürnsteiner Klarissenkloster zur Versorgung der dort anwesenden landesfürstlichen Reformationskommissare acht Achtering Wein, s. StiA Herzogenburg, K. n. 346 ( Jahresrechnungen 1559–1562 des Hofmeisters des Klarissenklosters, Peter Seeauer) pag. 49. Noch 1578 erscheint er als Pfleger der Herrschaft Wachau, s. StiA Herzogenburg, D. n. 461 (1578 Juli 28, Weißenkirchen; Schreiben Gebls an Propst Adam Faber wegen der Holzernte des Klosters in den Herrschaftswäldern).
5) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 594 (1582 Jänner 3). Die von Plesser auf den Thurnhof (Weißenkirchen Nr. 76 und 77) bezogene Nachricht der Verwahrung der Urkunden im „thurn“ zu Weißenkirchen dürfte wohl eher auf den Kirchturm der befestigten (damaligen) Fk. Weißenkirchen zu beziehen sein.
6) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 594–596 (1589 Juli 11, 1605 September 7 und Oktober 24 bzw. 1662), Plöckinger, Dürnstein 17 und [Dworschak], Dürnstein 80, zur Funktion als Bestandinhaber und Grundbuchverwalter der Herrschaft Dürnstein vgl. auch Plesser, Kirchengeschichte (1932) 491 (1576 Juli 20) und Ders., Kirchengeschichte (1951) 594 (1582 Oktober 15). 1590 war bereits Wolf(gang) Frü(h)wirt(h) Verweser von Dürnstein, s. Plesser, Kirchengeschichte (1932) 493. Erstaunlicherweise dürfte bereits 1550 der Teisenhoferhof nicht im Besitz der Göbl, sondern des damaligen Richters Wolfgang Luftenberger (vgl. Kat.-Nr. 259) gewesen sei, der die Überdachung des Kirchensteigs, also der vom Marktplatz zur Pfk. führenden Stiege durchgeführt hatte, s. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 549 (1550 März 17).
7) S. seine Funktion als Siegelzeuge in NÖLA, Privaturk. 5254 (1552 März 22, Langenlois; Hans Stolzenberger und seine Frau Anna, Bürger von Langenlois, verkaufen Wolf[hart] Streun von Schwarzenau zu Hartenstein ihren halben Weingarten am Seeberg, zwischen den Weingärten des verstorbenen Kremser Bürgers Kaspar Geringer und des Langenloiser Bürgers Philipp Vinckher gelegen), vgl. Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Reg. 186.
Literatur

Goll, Michael, St. 549. – Plesser, Kirchengeschichte (1932) 491 („von etwa 1575 […] Fresken außen am Chor [?], die Kreuzigung und das jüngste Gericht darstellend“). – Eppel, Kunst 196. – Madritsch, St. Michael 313.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 347,
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Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 163: Wandmalerei
(2. H. 16. Jh.), Detail
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)