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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

363† Göttweig (1564–1603?)

Gemälde Privilegienverleihungen an Göttweiger Äbte mit erklärender Beischrift, 1777 mit unbekanntem Standort im Kloster aufbewahrt. Querrechteckige Darstellung, durch eine zentrale tordierte Säule mit korinthischem Kapitell, zwei am oberen Bildrand angeschnittene Rundbögen stützend, in zwei Bildfelder geteilt. In beiden Feldern zentralperspektivischer Einblick in einen Saal mit drei Fensterachsen und geschachtem Steinfußboden. Links Szene päpstliche Privilegienverleihungen an Göttweiger Äbte: Am linken und rechten Rand je ein Papst in Pontifikalgewändern, jedoch ohne Pluviale, auf dem Haupt den Pileolus, auf erhöhtem Thronsessel unter Baldachin, dem jeweils vor ihm knienden barhäuptigen Abt in Pontifikalgewändern mit Pedum eine Urkunde mit der einen Hand überreichend, die andere zum Segensgestus erhoben. Im Bildhintergrund Zuseher in schematisch dargestellten nichtliturgischen Klerikergewändern, im Bildvordergrund zu beiden Seiten sitzende Kardinäle mit Birett bzw. barhäuptig stehende Assistenzfiguren in Rückenansicht, teils in Rochett. Die Päpste durch zweizeilige Namens­beischriften und Jahresangaben (links I, rechts II) auf dem über den Fenstern auf kannelierten Säulen mit dorischen Kapitellen ruhenden breiten Gesims bzw. den Kapitellen selbst bezeichnet. Die beiden Papsturkunden sechs- bzw. fünfzeilig beschriftet (links III, rechts IV), unter der linken Abtfigur zweizeilige Namensbeischrift (V), die rechte durch zweizeilige, senkrecht nach oben verlaufende Namensbeischrift (VI) neben dem Pluviale bezeichnet. Rechts Szene kaiserliche Privilegienverleihungen an Göttweiger Äbte: Am linken und rechten Rand je ein Kaiser in Krönungsmantel, auf dem Haupt eine Mitrenkrone mit einfachem Kreuzbügel, auf erhöhtem Thronsessel unter Baldachin, dem jeweils vor ihm knienden barhäuptigen Abt in reich gefältelter Kukulle mit Pedum eine Urkunde mit der einen Hand überreichend, die andere hält ein Szepter. Im Bildhintergrund Leibgarden in Wämsern mit Helmbarten als Zuseher, im Bildvordergrund stehende Leibgarden mit Partisanen in kurzen Mänteln und geschlitzten Pumphosen. Die Kaiser durch Namensbeischriften und Jahreszahlen (links VII, rechts VIII) auf dem über den Fenstern auf kannelierten Pilastern mit korinthischen Kapitellen ruhenden breiten Gesims bezeichnet. Die beiden Kaiserurkunden fünf- bzw. sechszeilig beschriftet (links IX, rechts X), unter den beiden Abtfiguren zweizeilige Namensbeischriften (links XI, rechts XII). Offenbar unterhalb der gesamten bildlichen Darstellung siebenzeilige (?) erklärende Beischrift (XIII). Ausführungstechnik unbekannt.

Kapitalis (I, II, IV–VIII, XI und XII) und Minuskelantiqua (?) (III, IV, V, VII, VIII–XIII).

Beschreibung und Textwiedergabe nach Federzeichnung in StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 190r.


Textedition
			

I. VRBANVS II · P(ONTIFEX) M(AXIMVS) / A(NN)O 1099 II. BONIFACIVS . IX . P(ONTIFEX) M(AXIMVS) / A(NN)O // 1399a) III. Confir-/matio / Fundat/ionis / Monast(erii) / Gottwic(ensis) IV. BVLLA / Exemtio/nis Mon/astery / Gottwic(ensis) V. HARTMANNVS / Primus Abbas VI. JOANNES ABBAS VII. HENRICVS . V . IMP(ERATOR) A(nn)o 1105. VIII. FRIDERICVS · II · A(nn)o 1232 · IX. Confirm/atio / Privi/legiorum / Monast(erii) / Gottw(icensis) X. Monasteriu(m) / Gottwicense / in protec-/tionem Im/peratoriam / suscipitur XI. HARTMANNVS / Abbas XII. HENRICVS / Abbas XIII. Monasterium Gottwicense duplici Sedis Apostolice robore nimirum Sub Abbate Hartmanno ab Urbano 2do P(ontifice) M(aximo) A(nn)o 1099. Bulla confirmatoria fundationis et Sub Abbate Joanne A Bonifacio Nono P(ontifice) M(aximo) 1399. Bulla Exemtionis munitur, item ab Henrico Vto Rom(anorum) Imperatore Confirmationem Privilegiorum A(nn)o 1105 Jdem Hartmannus Abbas et a Friderico IIdo Rom(anorum) Imper(atore) Henricus Abbas A(nn)o 1232. Protectionem Imperatoriam impetrarunt.

Anmerkungen
a) Jahresangabe auf die beiden nebeneinanderliegenden Kapitelle aufgeteilt.

Papst Urban II. im Jahr 1099 (I).
Papst Bonifaz IX. im Jahr 1399 (II).
Bestätigung der Gründung des Klosters Göttweig (III).
Exemtionsbulle des Klosters Göttweig (IV).
Hartmann, erster Abt (V).
Abt Johannes (VI).
Kaiser Heinrich V. im Jahr 1105 (VII).
Friedrich II. im Jahr 1232 (VIII).
Bestätigung der Privilegien des Klosters Göttweig (IX).
Das Kloster Göttweig wird in kaiserlichen Schutz genommen (X).
Abt Hartmann (XI).
Abt Heinrich (XII).
Das Kloster Göttweig wird mit zweifacher Kraft des Heiligen Stuhls gestärkt, nämlich unter Abt Hartmann von Urban II. seligen Angedenkens im Jahre 1099 durch die Bestätigungsbulle der Gründung und unter Abt Johannes von Bonifaz IX. seligen Angedenkens 1399 mit einer Exemtionsbulle. Außerdem erlangte vom Römischen Kaiser Heinrich V. derselbe Hartmann 1105 eine Bestätigung der Privilegien und Abt Heinrich im Jahre 1232 vom Römischen Kaiser Friedrich II. kaiserlichen Schutz (XIII).


Kommentar

Anders als die erst nach 1108 gefälschten Besitzbestätigungen Bischof Ulrichs von Passau für Göttweig (zu 1096 und 1099 datiert) ist die von Göttweigs erstem, aus St. Blasien stammenden Abt Hartmann (1094–1114) entgegengenommene Bestätigungs- und Exemtionsbulle Papst Urbans II. (aufgrund des Calculus Pisanus der Indiktionsangabe zu 1098 statt, wie in der Inschrift angegeben, zu 1099, zu datieren) als seltener Fall eines feierlichen päpstlichen Privilegs um 1100 ebenso echt wie die in der Inschrift fälschlich zu 1105 datierte Urkunde mit der umfangreichsten Göttweiger Besitzbestätigung Kaiser Heinrichs V. von 11081). Die auf dem Gemälde wohl in Verwechslung mit einer Urkunde Herzog Friedrichs II. fälschlich zu 1232 gesetzte Urkunde Kaiser Friedrichs II., durch die Göttweig mit seinem Besitz in den kaiserlichen Schutz aufgenommen wurde, datiert tatsächlich erst zu 1237. 1399 gewährte Papst Bonifaz IX. der Göttweiger Klosterkirche einen Ablaß für bestimmte Feste (u. a. auch die Marienhauptfeste), die in der Inschrift genannte Exemtion Göttweigs datiert erst zu 14012).

Daß es sich bei der Vorlage der gegenständlichen Zeichnung um ein verlorenes Gemälde und nicht etwa um eine Buchillustration oder eine Druckgraphik gehandelt hat – im Rotelbuch von 1626/1669 behandeln fol. 8r und 9r in der Darstellung der geistlichen und weltlichen Wohltäter des Klosters ebenfalls indirekt die Priviliegienverleihungen, explizit tun dies drei Kartuschenszenen des Göttweiger Altmanni-Thesenblatts von 16913) – geht daraus hervor, daß sie mit den beiden auf den Folgeblättern überlieferten Bildern eines thematisch zusammengehörigen Gemäldezyklus mit Ereignissen aus der Klostergeschichte in eine Reihe von Nachzeichnungen verschiedener inschriftlicher Quellen des Klosters eingebunden ist. Die zeitmodische Gewandung der im Bild dargestellten Figuren, soweit Dückelmanns stets sehr penible Zeichnungen diesen Rückschluß erlauben, läßt auf eine Entstehung des Gemäldes gegen Ende des 16. Jahrhunderts, also in der Zeit Abt Michael Herrlichs, schließen. Wahrscheinlich gehörte das verlorene Bild zu einer ganzen Serie von Gemälden zu Daten und Ereignissen aus der Klostergeschichte (s. Kat.-Nr. 362† und 364†)4). Ob die spätcancellereske Schrift Dückelmanns für lateinische Texte auf Minuskelantiqua als Schriftart der Vorlage hinweist, ist unklar, doch muß es sich wenigstens um eine Minuskelschrift gehandelt haben.

1) S. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 10f. (1096 [September 9, Göttweig]), 12 (1098 April 3, Rom), 13 ([c. 1099]) und 18 (1108 September 6, Tulln), vgl. Zedinek, Göttweig 60 und Hödl, Göttweig 24 und 63f.
2) S. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 103 (1232 März 3, Erdberg), 118 (1237 Jänner, Wien), 882 (1399 Juni 2, Rom) und 908 (1401 Oktober 11, Rom), vgl. Lechner, Stift 18, Hödl, Göttweig 87 und 104–106 und Vavra, Suche Kat.-Nr. 3.3.8 (teils fehlerhaft). Ebenfalls 1401 bestätigte Bonifaz die Inkorporation der Göttweiger Pfarren Unternalb, Hofstetten-Grünau und Mautern pleno iure, s. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 903 (1401 März 31, Rom). Bereits 1390 hatte Bonifaz eine Bestätigung aller Göttweiger Rechte sowie eine Bestätigung des Göttweiger Besitzstands ausgestellt, s. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 812f. (1390 April 15, Rom), s. Hödl, Göttweig 104. 1399 trug Propst Gerung Puschinger von St. Pölten einem drei Jahre zuvor ergangenen päpstlichen Exekutionsmandat Rechnung und forderte alle Herrschafts- und Amtsträger der Diözesen Salzburg und Passau auf, veruntreute Güter dem Kloster Göttweig zu restituieren, s. Fuchs, Urkunden (1901) Nr. 860 (1396 Dezember 8, Rom) und 885 (1399 Oktober 17, St. Pölten), vgl. Hödl, Göttweig 105.
3) S. 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 26 (Benedikt Wagner) und (fehlerhaft) Vavra, Suche Kat.-Nr. 3.3.8 bzw. Lechner, Schatzkammer 72–75 (Kat.-Nr. 39b), zuletzt „Unter deinen Schutz“ Kat.-Nr. I 21 (Michael Grünwald).
4) Schon das nach dem Tod Abt Georg Schedlers aufgenommene Inventar des Klosters (1610 März 13, Göttweig), verzeichnete etwa 150 „gemalte tafeln“, also Bildwerke aller Art, von denen die meisten wohl von den Äbten Michael Herrlich und Georg Schedler angeschafft worden waren, s. Tropper, Stift 249.
Literatur

StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 190r (Federzeichnung).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 363,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj363.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 158: Kopiale Überlieferung: Gemälde
(1564 -1603?)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Andreas Zajic)