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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
365† |
Göttweig, alter Kapitelsaal |
(1564–1603?) |
Idealporträt des Abtes Martin Matschauer von Göttweig, bis 1719 im Kapitelsaal (Barbarakapelle) im Ostflügel des alten Kreuzgangs. Darstellung eines Abtes mit Kelch und Hostie samt erklärender Beischrift.
Beschreibung und Textwiedergabe nach StiA Göttweig, Cod. Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 134.
Textedition
XXXIV. Martinus El(ectus) an(no) MCCCCLVII. Hic Religione singulari erga
Missae sacrificium ductus impetravit privilegium, ut omnes abbates
Gottwicenses in Altari portatili quovis loco Missam facere vel audire possint.
Praefuit annis undecim. Obyt magno fratrum Luctu. A(nn)o. M.CCCC.LXVIII.
Anmerkungen
Kommentar
Nach Resignation Abt Wolfgangs (II.) von Retz (s. Kat.-Nr. 367†) wurde die Wahl eines neuen Abtes aufgrund der im Konvent herrschenden Auseinandersetzungen unter Preisgabe der Göttweiger Exemtions- und Abtwahlprivilegien an Bischof Ulrich von Passau übertragen, der am 16. März 1457 den Göttweiger Professen Martin Matschauer zum 34. Abt ernannte und bestätigte. Von seinem Vorgänger, der anläßlich der Resignation vom Konvent der Verantwortung für die Rechnungslegung seiner Amtszeit entbunden worden war, übernahm Abt Martin einen Schuldenstand von 1800 fl. und die Verpflichtung, die Kontributionen zur Heimsteuer der Königin von Polen, Elisabeth, Schwester König Ladislaus’, sowie die Türkensteuer im Ausmaß von 1300 lb. den. zu leisten. Noch im selben Jahr machte er offenbar seinen leiblichen Bruder Stephan, zuvor Diener des Propstes von Herzogenburg, zum Göttweiger Hofrichter (bis 1464?) und sorgte durch Aufnahme des Tibold Pimisser als Klosterhauptmann und Reparaturarbeiten an den Maueranlagen des Klosters durch den (Kremser?) Steinmetz Meister Niklas für die Kriegsrüstung des Klosters. Im Folgejahr war er an der Organisation der ständischen Abwehrmaßnahmen gegen die böhmischen Truppen beteiligt, die auch die Stadt Krems/Stein belagerten. 1459 ließ ihm Kaiser Friedrich III. aufgrund der erlittenen Einkunftseinbußen des Klosters ausständige Vogthaferzahlungen nach, die folgenden Jahre brachten aber durch die Kriegsereignisse weitere schwere wirtschaftliche Schäden, die durch zahlreiche Güterveräußerungen – mehrfach erscheinen auch liturgisches und profanes Trinkgerät – und Verpfändungen gemildert werden, den wirtschaftlichen Zusammenbruch um 1464 aber nicht verhindern konnten. An den Landtagen und anderen ständischen Beratungen der Jahre 1458 und 1462/63 im Streit zwischen Friedrich III. und Albrecht VI. hatte Martin, der wenigstens zeitweise den Titel eines kaiserlichen Rats führte, jeweils in bedeutender Position, an letzterem offenbar auf albertinischer Seite teilgenommen1). 1466 verzichtete Matschauer zusammen mit Prior Erhard und dem ganzen Konvent zugunsten des Zisterzienserklosters Lilienfeld, dem er schon 1459 den Göttweiger Zehent in Radlbrunn um 50 lb. den. und 200 fl. ung. auf Wiederkauf verkauft hatte, auf die dem Kloster Göttweig 1441 im Rahmen eines Vergleichs zugesprochenen Rechte an der zur Göttweiger Pfarre St. Veit a. d. Gölsen gehörigen Wolfgangskapelle in Fahrafeld. 1458/59 hatte er die Konföderation Göttweigs mit Lambach und 1461 die mit der deutschen Provinz des Dominikanerordens eingerichtet, 1465 die Supplik an den Papst wegen der Kanonisierung Markgraf Leopolds III. mitunterzeichnet. Im Frauenkloster hatte er um insgesamt 19 lb. den. durch Meister Jörg eine Dachfläche reparieren und einen Gang eindecken sowie das Refektorium und die Stube der Priorin erneuern lassen. Abt Martin starb am 1. Mai 1468, sein Amtsnachfolger wurde Lorenz Gruber2).
Die im vorliegenden Gemälde inschriftlich referierte Urkunde, die dem Abt bzw. jedem von diesem beauftragten geeigneten Priester gestattete, auf einem Tragaltar noch vor Tagesanbruch die Hl. Messe zu feiern, hatte der Kardinallegat Bessarion 1461 während seines Aufenthalts im Reich zur Kreuzzugswerbung in Wien ausgestellt3).
Das von Schenggl beschriebene Bild gehörte zu einer wahrscheinlich unter Abt Michael Herrlich angefertigten geschlossenen Reihe von Äbtebildnissen (s. auch Kat.-Nr. 366† und 367†), die den Konventualen einen kurzen und summarischen Unterricht in Göttweiger Hausgeschichte vermitteln sollten. Vermutlich 1602/03 besichtigte der bekannte genealogische Sammler und Kompilator Job Hartmann Enenkel von Albrechtsberg diese bzw. vermutlich eine ähnliche zweite Bilderserie in Göttweig und stellte wohl nach den Beischriften der Darstellungen eine fehlerhafte Äbteliste in seinen Kollektaneen zusammen4).
Jedes Gemälde scheint ein Idealporträt des jeweiligen Abtes und eine schematisch-formelhaft abgefaßte Inschrift, die auf die wichtigsten Leistungen des jeweils Dargestellten Bezug nahm, enthalten zu haben. Noch 1719 wurden einzelne Stücke aus der Serie (neben dem vorliegenden Objekt Kat.-Nr. 366† und 367†) im alten Kapitelsaal in der Barbarakapelle aufbewahrt. Ob die übrigen, von Schenggl nicht überlieferten Porträts dieser Serie zu jenen 49 Abtporträts gehörten, die beim Großbrand Göttweigs 1718 zerstört worden waren, ist unklar5). Die Datierung ergibt sich aus der Regierungszeit Abt Michael Herrlichs.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Göttweig, alter Kapitelsaal • Idealporträt • Beischrift •
Albrecht VI. •
Bessarion, Basilius •
Elisabeth •
Enenkel, Job Hartmann •
Erhard von Steyr •
Friedrich V. •
Gruber, Lorenz •
Heinrich •
Herrlich, Michael •
Jörg •
Kaspar •
Leopold III. •
Matschauer, Martin •
Matschauer, Stephan •
Niklas •
Nußdorf, Ulrich •
Pimisser, Tibold •
Schedler, Georg I. •
Schenggl, Gregor •
Wolfgang II. •
Fahrafeld •
Göttweig, Benediktinerkloster •
Herzogenburg, Augustiner-Chorherrenkloster •
Krems a. d. Donau •
Lambach, Benediktinerkloster •
Lilienfeld, Zisterzienserkloster •
Radlbrunn •
St. Veit a. d. Gölsen
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Der 34. (Abt): Martin, gewählt im Jahr 1457. Dieser erlangte aus besonderer Verehrung des Messopfers ein Privileg, wonach alle Göttweiger Äbte mittels eines Tragaltars an jedem beliebigen Ort Messe feiern oder hören dürfen. Er stand (dem Kloster) elf Jahre vor und starb zur großen Trauer seiner Mitbrüder im Jahre 1468.