Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
368 |
Maria Laach a. Jauerling, Pfk. Mariä Heimsuchung |
1604 |
Totenschild des Hans Wilhelm von Kuefstein, polychromiertes Holz, im zweiten Chorjoch an der Nordwand, der dritte Schild von Westen, die Inschriftkartusche spätestens 1907 und noch 1932 fälschlich an der Chorsüdwand unter dem Totenschild des Hans Lorenz von Kuefstein angebracht1). Längsoblonge Tafel mit Rahmenfragmenten aus Rollwerk und Volutenspangen, im Zentrum auf blauem Grund ein plastisch geschnitztes und tingiertes Vollwappen, hinter das Oberwappen von links ein vollplastischer hölzerner Bidenhänder (Griff umgebogen) gesteckt. Auf dem umgebenden breiten bombierten Ring (nach außen durch gedrehte Schnurleiste, nach innen durch Blattleiste abgesetzt) acht geschnitzte und tingierte Ahnenwappen auflängsoblongen Schilden sowie Kriegstrophäen: Zuoberst ein plastisch geschnitzter Morion mit Straußenfedern, von gekreuzten Schwertern hintersteckt, beiderseits die Wappen der Eltern des Verstorbenen, mit jeweils den Wappenbildern entlehnten vollplastischen Waffen aus Holz (heraldisch rechts ein Panzerstecher, heraldisch links ein Morgenstern) hintersteckt. Weiter nach unten beiderseits je eine Heerpauke, dann beiderseits je drei weitere Schilde, mit weiteren Waffen hintersteckt (heraldisch rechts von oben nach unten ein kurzes Schwert und ein Degen, ein Panzerstecher (?), eine „breite Wehr“ und eine Streitaxt; heraldisch links eine Helmbarte und artilleristisches Besteck (?) sowie ein Degen), ganz unten mittig ein Totenschädel über gekreuztem Gebein. Unter der Tafel eine queroblonge Kartusche in Voluten- und Rollwerkrahmung mit Fruchtfestons, darin gold auf grün zehnzeilig aufgemalte Inschrift. 1958 (1978?) restauriert.
H. ca. 250 cm (gesamt), B. ca. 150 cm, Bu. ca. 4 cm. – Fraktur.
Textedition
Hie Ligt Begraben Weiland͜t der Wolgeborne Herr, Herr / Hanß Wilhalm Herr
Khueffstainer Freiherr Zu Greilnstain v(n)d Herr / Zu Spitz, d͜ er · Röm(ischen)
Kay(serlichen) Ma(ies)t(at) Bestelter Hauptman vber ein Fendl Hoch/Teutsches
Kriegsvolckh, Welcher nach dem er . 3 . Fendl getragen, vnd Zwo /
Hauptmanschafft Ritterlichen Bedientt, seines alter . 22 . Jar . 10 . Monatt / 4 .
tag . Jm Christlichen veltLeger vor Gran . A(nn)o . 1604 . d͜e(n) . 20 . Octob(ris)
/ Zwischen . 4 . v(n)d . 5 . vhr abents, Verschieden, Dem Der All=/mechtigea)
Gott ein Fröliche / Auferstehung Verleiche(n) / Wölle, Amen.
Anmerkungen
Kommentar
Hans Wilhelm von Kuefstein, geboren entweder am 11. Dezember 1581 oder am 16. Jänner 1582 als drittältester der die Kindheit überlebenden Söhne des Hans Georg (III.) von Kuefstein und der Anna Kirchberger (s. Kat.-Nr. 377 und 408), starb knapp nach seinem Vater im Feldlager vor Gran im Oktober 1604 und wurde in der Gruft der Pfarrkirche Maria Laach am Jauerling beigesetzt10). Die verbleibenden drei Brüder Hans Jakob, Hans Lorenz und Hans Ludwig einigten sich im Frühjahr 1605 auf die Übernahme der Schulden und der Begräbniskosten des Verstorbenen11). Nach der Aufstellung der Ausgaben für den Kondukt nahmen an den Exequien auch Trommelschläger und Heerpauker in eigens bei einem Wiener Schneider, Georg Schneider, angefertigten Livreen teil. Für Malerarbeiten, vermutlich die auf Pappe gemalten Totenwappen der Bahre, hatte der Kremser Maler Matthias Hölzl 65 fl. verrechnet12). Zum Großteil scheint man aber auf die schon für Hans Wilhelms Vater verwendeten Utensilien für die Begräbnisfeierlichkeiten zurückgegriffen zu haben13).
Die an ein breiteres potentielles Publikum gerichtete Inschrift des im jedermann zugänglichen Kirchenraum angebrachten Totenschilds erweckt beim Leser zusammen mit dem martialischen Dekor den Eindruck, Hans Wilhelm sei als Kriegsheld den Folgen einer Verwundung im Kampf gegen die osmanischen Belagerer Grans erlegen. Die ausführlichere Inschrift seines Sargs (Kat.-Nr. 369†) in der normalerweise nur den Familienangehörigen und ausgewählten Gästen zugänglichen Kuefsteiner Gruft der Pfarrkirche überlieferte, wie gerade für Sargtafelinschriften häufig festzustellen ist14), eine intimere und offenbar nur für einen kleinen Kreis Verwandter gedachte Information zu den tatsächlichen, weniger ruhmvollen Sterbeumständen des jungen Mannes.
Die qualitätvolle Inschrift weist sämtliche Charakteristika und den gesamten Formenkanon der Fraktur auf dem Totenschild Hans Georgs (III.) von Kuefstein (Kat.-Nr. 359) auf, eine Entstehung beider Objekte in derselben Werkstatt (der des Kilian Fuchs?) steht dadurch und angesichts der Gestaltung des gesamten Schilds außer Frage. Zur Schriftbeschreibung und zu möglichen Werkstattzusammenhängen s. Einleitung S. LXXIII f. Form, Gestaltung und Dekor der Schrifttafel stehen der unteren Schrifttafel vom Epitaph des Sebald Janer (Kat.-Nr. 338) bis in Details hinein so nahe, daß auch hier ein Werkstattzusammenhang gegeben scheint.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Maria Laach a. Jauerling, Pfk. Mariä Heimsuchung • Totenschild • polychromiertes Holz • Fraktur • Inschriften des Totengedenkens •
Fuchs, Kilian •
Hölzl, Matthias •
Janer, Sebald •
Kirchberger, Anna •
Kuefstein, Hans Georg III., Hans Jakob, Hans Lorenz, Hans Ludwig •
Schneider, Georg •
Gran •
Greillenstein •
Maria Laach a. Jauerling
Abbildungen
 Abb. 156: Totenschild des Hans Wilhelm von Kuefstein (1604)
 Abb. 157: Detail
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