Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
381 |
Göttweig, Sammlungen |
1608 |
Tischplatte mit Wappen, Jahreszahl und Namensinschrift, Solnhofer Plattenkalk, wohl seit wenigstens 1733 im heutigen Archiv im Erdgeschoß des Nordtrakts (Cancellaria). Vollrunde Scheibe, im Zentrum ein geätztes, in Resten tingiertes Vollwappen, von erhaben geätzter Umschrift zwischen zwei schmalen begrenzenden Leisten umschlossen. Stein in ein 1733 von Abt Gottfried Bessel1) angefertigtes achteckiges Tischgestell mit runder Platte aus verschiedenen dunkelbraun gebeizten Hart- und Weichhölzern (vor allem Eiche und Fichte oder Tanne) mit Ladenauszügen und Türen, als Teil einer den Raum quer durchziehenden balustradenartigen hölzernen Schranke eingelegt.
D. 124,5 cm, Bu. 1,8 cm. – Fraktur.
Textedition
Reuerendus adm(odum) in Christo P(ate)r ac D(omi)nus D(ominus) Georgius
Schetlerus Abbas Monastery Gottwicensis Anno Domini M:DCviii:
Anmerkungen
Wappen: Kloster Göttweig/Schedler2).
Kommentar
Der Tisch wurde in der älteren Literatur als Zahl- und Richtertisch, die Platte als Gerichtsstein bezeichnet3). Während über die ursprüngliche Funktion der für zeitgenössische Begriffe äußerst modernen und repräsentativen Steinplatte – eine vergleichbare, jedoch wesentlich reicher ausgestatte Tischplatte von 1591 aus dem Benediktinerkloster Melk heute in der Franzensburg in Laxenburg4) – Unklarheit herrscht, scheint die sekundäre (?) Verwendung als Zahl- oder Gerichtstisch durch den Einbau in die Schrankenanlage der alten Kanzlei 1733 plausibel.
Die äußerst qualitätvoll ausgeführte Inschrift zeigt jene Feinheiten in der Gestaltung der Zierelemente, die durch die Herstellungstechnik geätzter Inschriften (vgl. Kat.-Nr. 282) möglich sind. So weisen die an der Oberlinie des Mittelbands rechtsschräg abgeschnittenen oberen Schaftenden bzw. die rechtsschrägen Ansatzstriche gebrochener Bögen jene für qualitätvolle handschriftliche und Druckfrakturschriften des 16. Jahrhunderts charakteristischen haarfeinen Hornansätze auf, ebenso erscheinen durchgebogene Haarlinien, die etwa den Schaft des h im Oberlängenbereich begleiten. In tropfenförmigen Verdickungen endende, weit ausholend durchgebogene Haarlinien können auch an zahlreichen freien Schaft- und Bogenenden in den Ober- oder Unterlängenbereich ziehend und die innere, die Inschrift nach unten abschließende Stableiste ebenso wie Haarstriche als Schaftverlängerungen im Unterlängenbereich überschneidend angesetzt sein, die teils kompliziert gebrochenen und wieder zusammengesetzten Versalien begleiten sie oft in mehreren Schlingen. Durch einen harmonischen Wechsel von stärker gebrochenen und runderen Buchstabenbestandteilen sowie moderat ausgeprägte Schwellzüge und Schwellschäfte wirkt die Inschrift insgesamt spannungsreich und belebt.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Göttweig, Sammlungen • Tischplatte • Jahreszahl • Namensinschrift • Solnhofer Plattenkalk • Fraktur •
Bessel, Gottfried •
Schedler, Georg I. •
Göttweig, Benediktinerkloster •
Laxenburg, Franzensburg •
Melk, Benediktinerkloster
Abbildungen
 Abb. 170: Tischplatte (1608) ©
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Der in Christus wohlehrwürdige Pater und Herr, Herr Georg Schedler, Abt des Klosters Göttweig, im Jahr des Herrn 1608.