Inschrift-logo

  Suche         Druck     Hilfe  

 

Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

384 Göttweig, Klosterkirche vor 1609

Figürliche Gruftplatte (?) des Abtes Michael Herrlich, roter Marmor, in der Kirchenvorhalle an der Westwand der zweite Stein von Süden, bis 1719 an nicht näher bekanntem Standort in der Klosterkirche. Die schwarz nachgezogene Umschrift rahmt ein leicht vertieftes, mit flacher Hohlkehle eingefaßtes Feld mit Relieffigur des bärtigen Abtes in Pontifikalgewändern (statt Pluviale Kasel) mit Mitra und Pektorale, in der Rechten das Pedum mit Velum, in der Linken ein Buch an die Brust gepreßt, das Haupt auf einem quastenbesetzten Kissen ruhend. Zu Füßen der Figur links ein Kelch mit Hostie, rechts ein kleiner Wappenschild. An vier Stellen (im Bereich des Kissens bzw. über Kelch und Schild) Bohrlöcher der ehemals eingesenkten Heberinge.

H. 208 cm, B. 104 cm, Bu. 5,5 cm. – Kapitalis.


Textedition
			

SVBa) HOC MARMOREa) DORMIT · R(EVEREN)DVSa) / ADM(ODVM) IN CHR(IST)O P(A)T(E)R AC D(OMI)N(V)S D(OMINVS) MICHA͜EL HERRLICH ABBAS GÖTTWI=/CE(N)SISb) DIGNISS(IMVS) VITA FVNCT(VS) / EST ANNO DOMINI : MDC<VIIII> DIE <XXIII> MEN[SE] <MARTIO>c)

Anmerkungen
a) Anfangsbuchstabe vergrößert.
b) ursprünglicher Bestand: GÖTTWIC(ENSIS) / ABBAS; nach Erkennen des Fehlers (redundantes zweites ABBAS) wurden in den Bogen des C am Ende des zweiten Schriftbands zwei Abteilungsstriche eingehauen, das ABBAS des nächsten Schriftbandes zu CE(N)SIS korrigiert.
c) das eingehauene SE von MENSE heute mit Füllmasse verschmiert und schwarz aufgemalt; Worttrennzeichen annähernd quadrangelförmig.

Unter diesem Marmorstein schläft der in Christus wohlehrwürdige Pater und Herr, Herr Michael Herrlich, hochwürdiger Abt von Göttweig; sein Leben beendete er im Jahr des Herrn 1609, am 23. Tag im Monat März.


Wappen: Herrlich1).


Kommentar

Zu Abt Michael Herrlich s. Kat.-Nr. 304.

Der angesichts der mangelhaften Spationierung zunächst offensichtlich freigelassene Raum für das Sterbedatum Herrlichs im vierten Schriftband wurde auf der zu Lebzeiten des Verstorbenen angefertigten Platte noch von der die ursprüngliche Inschrift ausführenden Werkstatt ergänzt. Als tatsächliches Anfertigungsdatum kann daher wohl ein knapp vor Herrlichs Tod liegender Zeitpunkt angenommen werden2).

Ob der Stein bereits ursprünglich als Gruftplatte angefertigt worden war oder nachträglich für diese Funktion adaptiert wurde, ist unklar.

Die Inschrift, relativ dünnstrichig und linear ohne ausgeprägten Wechsel von Haar- und Schattenstrichen ausgeführt, weist außer einem singulären epsilonförmigen E (MARMORE) keine Besonderheiten auf. B mit geringfügig größerem unteren Bogen, C mit etwa gleich weit nach rechts reichenden Bogenenden, das obere stets, das untere teilweise mit rechtsschräg abgeschnittem Sporn versehen, E mit stark verkürztem Mittelbalken, G mit bis zur Mittellinie reichender senkrechter Cauda, teils mit i-Punkt versehenes I, gerades M mit nur etwa bis zur Mittellinie reichendem Mittelteil, R mit geschwungener, geschwellter und ausgestellter Cauda, schmales verschränktes W und X mit geradem Linksschrägschaft und geschwungenem Rechtsschrägschaft entsprechen dem zeitgemäß zu Erwartenden.

Zu einem möglichen Werkstattzusammenhang mit der Gruftplatte Abt Georg Schedlers s. dort (Kat.-Nr. 388).

1) Auf Dreiberg stehender Erzengel Michael mit ausgebreiteten Flügeln und zum Gebet gefalteten Händen, vgl. das Allianzwappen Kloster Göttweig/Herrlich mit leicht abweichender Darstellung des Erzengels (Kreuzdiadem) in StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 85r und Lechner, Klosterheraldik 772 (Zeichnung und Blason).
2) Bei Fischer, Atlas 58, dagegen die nicht näher erläuterte, vermutlich aber auf Verwechslung mit dem gemalten Epitaph (Kat.-Nr. 304) beruhende Angabe, Herrlich habe sein Grabdenkmal 1582 anfertigen lassen.
Literatur

StiA Göttweig, Cod. Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 137. – StiA Göttweig, Cod. Ser. nov. 91 (Schenggl), pag. 719. – StiB Göttweig, Cod. 896 rot (Dückelmann), fol. 179 (recto ganzseitiger Kupferstich, verso ganzseitige, nachträglich aufkaschierte Federzeichnung). – Dungel, Göttweig 496 und 570. – DASP, Nachlässe 5, Heft L, fol. 44r. – ÖKT 1, 470 und 472 (Fig. 359). – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 89 („17 Grabsteine in der Kirche und Vorhalle“). – Schaffran, Land 72. – ÖAW, NLH, 2.-4. 7. 1958. – Lechner, Stift 48 (Abb. 29 [Tafelteil]). – 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 1322 (Abb.). – Fischer, Hellerhof 34 (Abb.). – Fischer, Atlas 41 und 55 (Abb.). – Dehio Süd 571.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 384,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj384.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Göttweig, Klosterkirche    •  Gruftplatte  •  roter Marmor  •  Kapitalis  •  Inschriften des Totengedenkens  •  Herrlich, Michael  •  Göttweig, Benediktinerkloster

Abbildungen

 zum Vergrößern anklicken
Abb. 167: Gruftplatte des
Abtes Michael Herrlich (vor 1609)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)