Inschrift-logo

  Suche         Druck     Hilfe  

 

Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

417 Oberranna, Burgkirche Hl. Georg 1617

Altar mit Beischriften, polychromiertes und vergoldetes Holz, in der Apsis der Kirche sekundär auf älterer Hausteinmensa aufgesetzt, ursprünglicher Standort unbekannt, hier seit wenigstens 1907, danach zu nicht näher bekanntem Zeitpunkt von der Schloßbesitzerin Anna Baronin Hammerstein veräußert, 1932 vom damaligen Schloßbesitzer (seit 1930) Laurent Deleglise im Kunsthaus Dorotheum in Wien ersteigert und 1934 wieder in Oberranna aufgestellt1). Dreiachsiger Aufbau: Im Zentrum zwischen zwei mit golden aufschablonierten Mustern versehenen, am unteren Schaftende mit je drei Groteskmasken besetzten Säulen mit goldenen Kompositkapitellen Ölbild auf Leinwand Anbetung der Hirten, in den vier Ecken des Rahmens golden aufschabloniertes Dekor. In den beiden Seitenachsen in Muschelnischen ehemals (noch 1962) zwei heute fehlende vergoldete Statuen des Hl. Eusebius (links) und des Hl. Ulrich (rechts) mit Beischriften (II und III) unter den Füßen. Über den Nischen je ein Cherubskopf, nach außen angesetzte Rahmenfragmente mit Akanthus. Die Mittelachse ruht über schmalem Gesims auf einem breiten, durch die stark vortretenden marmorierten Postamente der Säulen begrenzten Sockel mit ehemals erhaben appliziertem, jetzt grob erneuert aufgemaltem Jesugramm (IV) als Predella, die beiden Seitenachsen werden in der Sockelzone durch Volutenspangen abgeschlossen. In der mit Zahnschnitt versehenen Frieszone des breiten Gebälks (die Kämpfer stark vortretend) zweizeilige Inschrift mit Chronodistichon (I) in der Mittelachse, in den Seitenachsen golden aufschablonierte Ornamente, die noch 1907 vorhandenen muschelartigen Medaillons mit Darstellungen des Hl. Koloman und des Stifterpaars (?) fehlen. Im gesprengten Dreieckgiebel längsoblonge Kartusche mit erhabenem Jesugramm (V), darüber Rollwerkkartusche mit vollrundem Wappen, beiderseits des Giebels über den Seitenachsen Fruchtfestons.

H. (gesamt) ca. 330 cm, B. ca. 250 cm, Bu. 3,5 cm (I) bzw. 4 cm (II und III) und 9 cm (IV und V). – Kapitalis.


Textedition
			

I. VIRGO ORTV ET PARTV DANS ORBI FESTA BEATA, / NOSa) ALTERNA MONET FESTA REFERRE POLO II. S(ANCTVS)a) EVSEBIVS III. S(ANCTVS)a) VDALRICVSa) IV. IES(VS)b) V. IES(VS)c)

Anmerkungen
a) Anfangsbuchstabe vergrößert.
b) Nomen sacrum; Bestand: IHS; aus dem durchgebogenen Balken des H ein Kreuz wachsend.
c) Nomen sacrum; Bestand: IHS; aus dem durchgebogenen Balken des H ein Kreuz wachsend, darunter Herz Jesu.

Die Jungfrau, die durch die Geburt und Niederkunft der Erde selige Feste schenkt, gebietet uns, die wechselnden Feste dem Himmel abzustatten.

Elegisches Distichon (I).


Wappen: Hoyos2).


Kommentar

Der Altar dürfte kaum aus der Burgkirche Oberranna stammen, da die Hoyos an der Besitzgeschichte Rannas keinen Anteil haben und auch andere Verbindungen nicht herzustellen sind. In einer Beschreibung der Burgkapelle zum Jahr 1836 werden zudem zwei andere Altäre aus der Mitte des 17. Jahrhunderts erwähnt, die jedoch beide heute nicht mehr existieren3).

Die sehr diszipliniert ausgeführte Inschrift wirkt durch den Wechsel von breiteren und schmäleren Formen, deutliche Unterscheidung von Haar- und Schattenlinien, den Wechsel von haarfeinen Serifen und kräftig dreieckigen Sporen an freien Schaft-, Balken- und Bogenenden, moderate Bogen­schwellungen (etwa an der geschwungenen Cauda des R) und spezifische Merkmale wie die konsequent linksschräge Schattenachse des O spannungsreich. Die Serifen an den Balkenenden des T sind ungewöhnlicherweise parallel linksschräg abgeschnitten.

1) S. Plesser, Kirchengeschichte (1951) 45f.
2) S. Si OÖ 136 und Taf. 40. (Wappen II).
3) S. Tschischka, Kunst 104f.: „Die niedliche Capelle hat zwei schöne Altäre. Der Hochaltar gehört der Ferdinandischen Zeit [gemeint wohl Kaiser Ferdinand III.] an, ist geschmackvoll gebauet und hat zwei schöne Bilder, deren Helldunkel meisterhaft ist. Der andere stellt, aus Holz sehr wacker geschnitzt, Maria, den Leichnam ihres göttlichen Sohnes im Schoosse haltend, vor. Oben steht: Ex voto D. Joannis Chrysostomi Wenigg a Greifenfels, Dm. [recte wohl Dni] in Viehofen et Oberranna 1653“.
Literatur

ÖKT 1, 335 (Fig. 225). – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 210. – Plesser, Kirchengeschichte (1951) 44f. – ÖAW, NLH, 17. 4. 1962. – Eppel, Waldviertel 175. – Eppel, Kunst 195. – Dehio Nord 828.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 417,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj417.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Oberranna, Burgkirche Hl. Georg    •  Altar  •  Beischriften  •  vergoldetes Holz  •  Jesugramm  •  Chronodistichon  •  Kapitalis  •  Deleglise, Laurent  •  Ferdinand III.  •  Hammerstein, Anna  •  Hoyos  •  Wenig, Johannes Chrysostomos  •  Oberranna  •  Viehofen  •  Wien