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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

434 Schwallenbach Nr. 27 (Schloß) 1623

Sargtafel der Susanna Elisabeth Speth von Zwiefalten, Messing oder Kupfer feuervergoldet, im Obergeschoß in der Kapelle an der Wand, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Antiquitäten­handel erworben, um 1770 in der oberen Abteilung der Göttweiger Kunstkammer aufbewahrt1), Provenienz unbekannt. Längsovale Tafel, in der oberen Hälfte zwei aneinandergeschobene Eheallianzwappen in längsovalen Kartuschenrahmen, von einer kettenartigen 16er-Ahnenprobe (die Wappen der heraldisch rechten Seite linksgewendet) mit Beischriften (II–IX [heraldisch] rechts von oben nach unten, X–XVII [heraldisch] links von oben nach unten) über den Schildoberrändern fast zur Gänze umschlossen, am oberen Rand zwischen den beiden Schilden eine Rose emporwachsend, von einem Wolkenband überschnitten. Über diesem am oberen Rand der Tafel, deren Krümmung folgend und die Linie der Ahnenprobe schließend, zweizeilige Inschrift (I). In der unteren Hälfte balkenartig aufgelegtes Schriftfeld mit zehnzeiliger Inschrift (XVIII). Darstellungen und Schrift eingraviert und geschwärzt. Am Rand ringsum sieben Schraublöcher.

H. 23 cm, B. 16 cm, Bu. 0,5 cm (XVIII). – Schrägliegende Minuskelantiqua mit schreibschriftlichem Einfluß (I–XVII) und Kapitalis (XVIII).


Textedition
			

I. Diß Blümlein ist Verwelcht alhie, / Das es im himel Ewig Blüe. II. Spett · III. Pentzenau IV. Buechenau V. Frieling VI. Pflueg · VII. Schönfeld VIII. Ende IX. Eichlberg X. Greussen XI. Erdmanstorf XII. Mörsperg. XIII. Trautmanstorf. XIV. Schönkirchen. XV. Grasser · XVI. Zintzentorf XVII. Pottentorf XVIII. HIERINNa) RVHET DAS EDLE LEIBLEIN, FREYLEIN / SVSANNAa) ELISABETa), DES EDLEN VND GESTRENGE(N) HERR(N) / IOHANNa) SEBASTIAN SPETTEN, ROM(ISCHER) KAY(SERLICHER) MAY(ESTAT) FERDINAND(I)a) II (ET) C(ETERA)b) / BESTELTEN REVTER OBRISTEN, VND DER WOLGEBORNEN / FRAVEN FRAVEN POTENTIANA EIN GEBORNE FREYHER[RIN]c) / VON GREVSSEN SEE(LIGEN) EHELICHES TÖCHTERLEINd) / IST VERSCIDENe) IN WIENN DEN 16 . IVNII IM 1623. IAH[R]c) / HAT GELEBT 7 . MONAT 25 : TAG 10 . STVNDf), / GOTT VERLEIHE IHR MIT ALLEN GLAVBIGEN, EIN FRÖ=/LICHEg) AVFFERSTEHVNG AMENh) .

Anmerkungen
a) Anfangsbuchstabe vergrößert
b) (ET) C(ETERA) verkleinert, der darüberliegende Kürzungsstrich noch unter der Oberlinie der Z.
c) Beschädigung durch Rostfleck.
d) zur Markierung des Diphthongs über O kleines hochgestelltes e; Rest der Z. leer.
e) sic!
f) Rest der Z. leer.
g) zur Markierung des Diphthongs über O kleines hochgestelltes e.
h) Rest der Z. leer; alle Trennzeichen quadrangelförmig.

Deutsche Reimverse (I).



Kommentar

Einzelne Mitglieder der in mehreren Linien in Südwestdeutschland lebenden Speth hatten infolge einer gewissen Orientierung nach dem Wiener Kaiserhof schon in früheren Generationen Angehörige des österreichischen Adels geheiratet18). Der Vater der Verstorbenen, Hans Sebastian Speth von Zwiefalten, wurde 1651 durch Heirat mit einer Tochter des Johann Reinhard von Ow Inhaber der Pfalz-Neuburgischen Hofmark Fünfstetten. Möglicherweise war (Hans) Sebastian Speth in erster (?) Ehe mit Sabina, Tochter des Maximilian Leisser zu Weyerburg und Neunzen und der Regina Hager von Allentsteig, verheiratet gewesen19).

Die Sargtafel könnte ursprünglich aus der Gruft der Pfarrkirche Pyhra stammen, in der die Familie der Mutter der Verstorbenen, die Greiß von Wald, als Patronatsinhaber ihre Erbgrablege samt Gruft hatte20). Eine weitere Sargtafel in der Schwallenbacher Schloßkapelle, die als Sterbeort der Toten das Schloß Wald nennt (Kat.-Nr. 394), könnte gemeinsam mit dieser aus der Pfarrkirche Pyhra entfernt worden sein.

Die Interpretation der Ahnenprobe bereitet besonders für die väterlichen Ahnen Schwierigkeiten. Das Wappen der Mörsberg in der mütterlichen Ahnenreihe bezieht sich wohl auf die 1539 verstorbene Barbara von Mörsberg, die mit dem königlichen Rat Ferdinands I. und Oberstjägermeister, Wilhelm (d. Ä.) von Greiß zu Wald (gest. 1533), verheiratet gewesen war21).

Die Schrift des tröstlichen Verses (I) am Oberrand der Tafel und die Wappenbeischriften entspringen einer Amalgamierung von inschriftlicher Minuskelantiqua mit Elementen einer schreibschriftlichen Cancelleresca formatella. An Großbuchstaben tritt etwa neben die regulären kapitalen Formen ein schreibschriftliches epsilonförmiges E (Ewig, Z. 2 in Inschrift I). Vor allem ist cancelleresker Schwung aber im leichten Rechtsduktus der Inschriften und in den mit deutlichem Links-unten/rechts-oben-Schwung in die Zeilenzwischenräume ausgreifenden langen s und f (deren Schäfte in leicht keulenartige Verstärkungen auslaufend) zu spüren. Schreibschriftliche Usancen treten auch in der unterschiedlich stark ausgeprägten Ligierung der Einzelbuchstaben klar zutage. Die Kapitalis der Grabbezeugung weist bei leicht schwankendem Duktus moderaten Wechsel von Haar- und Schattenstrichen auf. Schaftenden werden an Basis- und Oberlinie mit breiten Deckstrichen, Bogenenden mit kräftigen rechtsschrägen Serifen versehen, einzelne Balkenenden weisen dreieckige Ansätze auf. Bei R existieren zwei Ausprägungen der Cauda: einerseits eine gerade bis leicht durchgebogene, auf der Basislinie endende Variante, andererseits eine stachelförmige, mitunter extrem weit in den Unterlängenbereich ragende Form.

1) S. zwei Federzeichnungen der Sargtafel in StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), unfol. Bl. zwischen fol. 215 und 216 sowie fol. 216r mit Standortangabe: „(…) habetur in superiori nostro musaeo Gottwicensi“.
2) S. Si Wü 12 und Taf. 14.
3) S. Si NÖ 1, 136 (Greiss oder von Greissen, Fhren) und Taf. 67 (Frh. Wappen).
4) S. Si 5, 11.
5) S. Si BayA 3, 165 und Taf. 115.
6) Drei auffliegende Schwäne (?).
7) S. Si AnhA 44 und Taf. 25.
8) S. Si AnhA 86 und Taf. 51.
9) S. Si Anh 2, Taf. 2.
10) S. Si PrE 58 (Eichelberg II) und Taf. 49.
11) S. Si BraA 25 und Taf. 14.
12) S. Si 1, 27.
13) S. Si OÖ 491 (Wappen V) und Taf. 114 (Wappen III) und NÖ 2, 379 und Taf. 184 (Wappen III).
14) S. Si NÖ 2, 65 und Taf. 30 (Schneidpeck zu Schönkirchen; Wappen I), auf der Sargtafel jedoch das Jagdhorn auf einem Kissen liegend.
15) Ein gestürzter Heusack (?).
16) S. Si OÖ 700 und Taf. 137 (Wappen IX) und NÖ 2, 636 und Taf. 313 (Wappen V).
17) S. Si NÖ 1, 356 und Taf. 195.
18) Vgl etwa das Grabdenkmal des 1583 verstorbenen Hans Ludwig Speth von Höpfigheim und seiner 1576 verstorbenen Frau Anna von Herberstein in Höpfigheim, s. DI 25, Kat.-Nr. 379. Zur Repräsentation der Speth von Zwiefalten in ihren Grabdenkmälern in Zwiefaltendorf u. a. vgl. neuerdings Hengerer, Grabmäler passim.
19) S. NÖLA, Hs. 236/4, pag. 222.
20) Zu den Grabdenkälern in der Pfk. Pyhra s. Dehio Süd 1784.
21) Vgl. die Inschrifttafel zum figürlichen Grabdenkmal Wilhelms in Pyhra bzw. einen von den Söhnen aus dieser Ehe angebrachten bemerkenswerten Wappenstein von 1541 am Schloß Wald, dessen gereimte Beischrift sich auf einen offenbar hirschförmig gestalteten Willkommbecher bezieht, s. Dehio Süd 2527.
Literatur

StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), unfol. Bl. zwischen fol. 215 und 216 sowie fol. 216r (zwei Federzeichnungen). – Zajic, Zentrum, Abb. 6.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 434,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj434.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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