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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich
Politischer Bezirk Krems
481 |
Göttweig, „Apothekergang“ |
1638 |
Ehemalige Gruftplatte der Mönchsgruft, roter Marmor, im sogenannten Apothekergang an der Nordwand der dritte Stein von Westen, ursprünglich in der südlichen (damals Gregors-, heute Altmanni-)Kapelle der Krypta der Klosterkirche vor dem Gregorsaltar im Boden. Schmucklose hochrechteckige Platte mit 13-zeiliger, gestaffelt zentrierter Inschrift in schwankender Zeilengröße. Ein waagrechter Sprung im oberen Drittel (Z. 1) und ein linksschräger Sprung im unteren Drittel der Platte unter teilweisem Schriftverlust mit Füllmaterial geschlossen, ebenso verfüllt die vier Bohrlöcher der Heberinge.
H. 201 cm, B. 104 cm, Bu. 6–8 cm. – Kapitalis.
Textedition
+ / DAVID GREGO-/RIVS CORNERVS / ABBAS GOTTVVI-/CENSIS /
SIBI SVISQ(VE) FRATRIB(VS) / HOCCE CONDIDIT /
DORMITORIVMa). / ANNO SALVTIS / M DCXXXVIIIb). / REQVI[E]SCANT
IN / PAC[E] / +
Anmerkungen
Kommentar
Dr. theol. David Gregor Corner1) wurde vermutlich um 1585 in Hirschberg in Schlesien als David, Sohn des Christoph und der Martha Körner geboren. Aus der Ehe stammten neben David Gregor und einer namentlich nicht bekannten Schwester drei Brüder Melchior, Christoph und Georg, letzterer später Almosenier in Göttweig. Nach dem Schulbesuch, wohl in Breslau, studierte Corner zunächst seit etwa 1606 an der jesuitischen Universität Prag, wo er am 28. April 1609 nach dem Erwerb des Bakkalaureats zum Magister der Freien Künste und der Philosophie promoviert wurde. Im Folgejahr erschien das von ihm kompilierte Gebet- und Erbauungsbuch „Promptuarium catholicae devotionis“ erstmals in Prag, das bis 1672 weitere sieben oder acht Mal in verschiedenen Überarbeitungen unter leicht variierenden Titeln aufgelegt wurde und in einer kürzeren Fassung als „Nucleus catholicae devotionis“ sieben Auflagen erlebte. Vermutlich seit 1610 setzte er seine theologischen Studien an der jesuitischen Universität Graz als Schüler Wilhelm Lamormainis fort, erreichte 1614 das theologische Bakkalaureat und wurde wahrscheinlich noch im selben Jahr in Wien zum Priester geweiht. Seine Prüfungsarbeit erschien 1616 in Graz unter dem Titel „Praepositiones theologicae de ss. trinitate“ im Druck. Im selben Jahr erhielt er für sich und seine drei Brüder einen Adels- und Wappenbrief. Lamormaini dürfte Corner seinem ehemaligen Schüler Abt Georg (II.) Falb von Göttweig (s. Kat.-Nr. 468) empfohlen haben, der ihn 1615 als Stadtpfarrer von Mautern einsetzte und dauerhaft förderte. Im Folgejahr trat Corner der Further Sebastiansbruderschaft bei und wurde auch Pfarrer der in gegenreformatorischer Hinsicht prominenten Pfarre Hainfeld, an der im 16. Jahrhundert unter dem Patronat der Jörger als wahrscheinlich erster niederösterreichischer Pfarre evangelischer Gottesdienst gefeiert worden war. 1618 betätigte sich Corner als gegenreformatorischer Prediger in St. Pölten, 1621 sandte ihn Falb, der ihn sogar als „theologus meus“ bezeichnete, zum Studium an die neugegründete Salzburger Ordensuniversität. 1624 oder 1625 wurde er in Wien zum Doktor der Theologie promoviert. Seit 1619 war Corner weiters Pfarrer von Retz, zwischen 1622 und 1624/25 auch von Unternalb. Erst 1625 trat Corner in das Kloster Göttweig ein und begleitete Abt Georg (II.) Falb auf dessen Reisen in Sachen der Gegenreformation im Land ob der Enns, wobei er in Freistadt von aufgebrachten Bauern tätlich bedroht wurde. Nach der Rückkehr nach Göttweig legte er am 8. September 1626 die Profeß ab, 1628 diente er bereits der neugegründeten österreichischen Benediktinerkongregation als Syndikus und wurde am 21. Jänner 1629 zum Prior, nach dem Tod Falbs, dessen gegenreformatorische Tätigkeit in den Dekanaten Melk und Krems er weiterhin begleitete hatte,
schließlich von 19 wahlberechtigten Professen am 15. Juli 1631 zum Abt gewählt.
1632 verkaufte er den Muestingerhof (auch: Mißlinghof ) in Spitz um 1.500 fl. an den Klosterhauptmann Hans Friedrich Stuber und kaufte 1637 den Hollerhof/Hellerhof in Paudorf um 3.400 fl. von der Witwe des Gabriel Gerhard(t) von Falbenstein, Pfleger von Brandhof/Niederranna, an. 1638/39 fungierte er als Rektor der Universität Wien und förderte wie sein Vorgänger in Göttweig, Georg Falb, die junge österreichische Benediktinerkongregation und die Ordensuniversität in Salzburg, an die er seinerseits u. a. den 1621 eingetretenen Göttweiger Novizenmeister und späteren Abt Gregor Heller 1638 als Professor für Philosophie und Moral entsandte. Während seiner Regierung wurden die unter Abt Georg (II.) Falb in Angriff genommenen Bauprojekte des neuen Konventsgebäudes im Norden der Anlage („Neues Kloster“) und an der Klosterkirche vom Kremser Baumeister Cipriano Biasino (?) und seit 1636 von dessen Verwandtem Domenico Sciassia umgesetzt. Für die künstlerische Ausstattung der Klosterkirche schaffte er den monumentalen Hochaltar und die neue Kanzel von Hermann Schmidt an (Kat.-Nr. 485 und 493), seit wenigstens 1635 besoldete er einen ständigen Hofmaler mit jährlich 80 fl. 1624 suchte er unter Berufung auf seine gegenreformatorische Betätigung für sich und seine Brüder Georg und Melchior um Erhebung in den Ritterstand und Wappenbesserung an. Seit 24. November 1637 führte er den Titel eines kaiserlichen Rats und fungierte in zahlreichen ständischen Ämtern vom Proviant- und Quartiermeister im Viertel ober Manhartsberg (1631/32) bis hin zum Verordneten des Prälatenstands (1641–45). Corner, der neben vier Manuskripten in der Göttweiger Bibliothek und zwölf kleineren Druckwerken (etwa eine „Vita domini nostri Jesu Christi divino-humana“ von 1642/43) vor allem als Autor des 1625 erstmals in Nürnberg als „Groß catholisch gesangbuch“, später gekürzt in Anklang an Friedrich von Spees „Trutznachtigall“ als „Geistliche nachtigal der catholischen Teutschen“ erschienenen Gesangbuchs hervortrat, starb nach längerer, durch zahlreiche Apothekerrechnungen ab dem Winter 1646 belegter und schließlich 1647 zu Sehausfällen und Lähmungen führender Krankheit am 9. Jänner 1648 um ein Uhr nachts, zuvor hatte er noch um seine Resignation zum 15. Jänner des Jahres angesucht. Die Beisetzung in der von ihm selbst errichteten Mönchsgruft in der Gregorskapelle (heute Altmannikapelle) im südlichen Seitenschiff der Krypta erfolgte am 13. Jänner, Corners Nachfolger wurde der damalige Pfarrer von Kilb und Propst in Tradigist, Gregor Heller.
Die Gruft, in der 1641 als erste Bestattung der Göttweiger Regenschori und Hausschulleiter P. Martin Pontussi beigesetzt wurde2), diente bis etwa in die Mitte des 18. Jahrhunderts als Begräbnisstätte der Konventualen. Noch vor 1777 mußten die Beisetzungen jedoch eingestellt werden, da wiederholte Wassereinbrüche in den Gruftraum auftraten. Die Platte wurde als Gruftabdeckung offenbar bereits im späten 19. Jahrhundert durch eine Neuanfertigung aus grauem Kotteser Marmor mit dem Wortlaut der Originalinschrift ersetzt3).
Die durchwegs mit minimalem Linksduktus ausgeführte Inschrift zeigt locker gesetzte, überwiegend breite Einzelformen mit moderatem Wechsel von Haar- und Schattenstrichen. An freien Schaft-, Balken- und Bogenenden werden Serifen oder kleine dreieckige Sporen angesetzt. Der Formenkanon weist mit Ausnahme des unharmonisch mit zwei breiten, unverbundenen V wiedergegebenen Lautwerts W keine Besonderheiten auf, B mit größerem unteren Bogen, C mit etwa gleich weit nach rechts reichenden Bogenenden, E mit deutlich verlängertem unteren und stark verkürztem Mittelbalken, G mit etwa bis zur Mittellinie reichender senkrechter und R mit geschwungener Cauda entsprechen dem zeitgemäß zu Erwartenden.
Literatur
Andreas Zajic
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich Politischer Bezirk Krems Göttweig, „Apothekergang“ • Gruftplatte • roter Marmor • Kapitalis • Inschriften des Totengedenkens • Errichtungsvermerk •
Alt, Magdalena •
Biasino, Cipriano •
Corner, David Gregor •
Falb, Georg II. •
Gerhard, Gabriel •
Heller, Gregor •
Jörger •
Körner, Christoph d. Ä., Christoph d. J., Georg, Melchior •
Lamormaini, Wilhelm •
Liechtenstein-Nikolsburg, Gundakar •
Martha •
Pontussi, Martin •
Schmid, Herman •
Sciassia, Domenico •
Spee, Friedrich •
Stuber, Hans Friedrich •
Widemann, Elias •
Breslau •
Freistadt •
Furth b. Göttweig •
Göttweig, Benediktinerkloster •
Graz •
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Niederranna •
Nürnberg •
Paudorf •
Prag •
Retz •
Salzburg •
Spitz •
St. Pölten •
Wien •
Tradigist
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David Gregor Corner, Abt von Göttweig, begründete für sich und seine Mitbrüder diese Ruhestätte im Jahr des Heils 1638. Sie mögen in Frieden ruhen.