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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

482 Straß i. Straßertale, Pfk. Mariä Himmelfahrt 1638

Bauinschrift, Sandstein (?), außen über dem Nordportal der gesüdeten (!) Kirche. Über der einfach profilierten Ohrenrahmung des Portals ein von einer aus Knorpelwerk, Voluten und Schuppenbändern gebildeten Wappenkartusche (über dem bekrönten Schild im Scheitel ein Cherubskopf, unten eine Groteskmaske) gesprengter Segmentbogengiebel, auf zwei flachen Kämpferblöcken mit je zwei schwarz nachgezogenen Inschriftzeilen (I) aufruhend, in der Frieszone zwischen diesen ehemals schwarz gefaßte Sandsteintafel mit achtzeiliger gestaffelt zentrierter Inschrift (II), besonders deren beide oberste Zeilen stark verwittert, schwarze Farbe stark abblätternd.

Bu. ca. 9 cm (I) bzw. 7 cm (II). – Kapitalis.


Textedition
			

I. ANNO // DOMINI / 1 . 6 · // 38a) · II. INb) HONOREM / DE[I] / TER OPT(IMI) MAX(IMI) SVB INVOCATIONE GLORIOSA͜E VIRGINIS / MATRIS MARIA͜E ASSVMPTA͜E / IOAN(N)ESb) BAP(TISTA)b) COMESb) DE VERDENBERGb) ET NAMESTb) / BARO IN GRAVENEG (et) C(ETERA) SAC(RAE)b) CA͜ES(AREAE)b) MA(IESTA)TISb) INTIMVSb) / CONSILIARIVSb) ET CAMERARIVSb) A FVNDAMENTIS / EXTRVXIT ET DOTAVIT

Anmerkungen
a) Textabschnitte zeilenweise jeweils von einem zum anderen Kämpferblock wechselnd; Anfangsbuchstaben vergrößert.
b) Anfangsbuchstabe vergrößert.

Zu Ehren Gottes, des dreifach Besten und Größten, hat unter Anrufung der in den Himmel aufgenommenen glorreichen Jungfrau und Mutter Maria Johann Baptist Graf von Verdenberg und Namiest, Freiherr auf Grafenegg usw., der kaiserlichen Majestät Geheimer Rat und Kämmerer, (diese Kirche) von Grund auf errichtet und bestiftet.


Wappen: (Verda von) Verdenberg1).


Kommentar

Johann Baptist Verda von Verdenberg2) wurde 1582 als zweiter Sohn des einer ursprünglich aus der Gegend um Como oder Lugano stammenden und in Görz ansässigen bürgerlichen Familie angehörigen Juristen Dr. Jakob Verda und der Renata Croneschall geboren. Nach Besuch des Grazer Jesuitenkollegs (1602) und Erlangung des juristischen Doktorats in Pavia (1603) fungierte er seit 1607 als innerösterreichischer Rat „in cameralibus“, 1611–1619 als innerösterreichischer Kammerprokurator in Graz. Mit der Kaiserwahl Erzherzog Ferdinands von Innerösterreich begann eine erfolgreiche Laufbahn Verdas in kaiserlichen Hofämtern. Mit den Titeln eines Erbstallmeisters in Görz (seit 1625/26) und Geheimen Rats war er von 1620 bis 1637 österreichischer Hofkanzler. 1622 in den NÖ Ritterstand erhoben, wurde er schon im Folgejahr mit dem Prädikat „von Verdenberg“ in den alten NÖ Herren- sowie Reichsfreiherren-, 1630 während des Regensburger Reichstags unter Gewährung des Prädikats „wohlgeboren“ mit seiner Herrschaft Namiest in den Grafenstand erhoben. Mit der Fülle seines politischen Einflusses unterstützte er 1626 die mit der Wiener Pfarre St. Michael betrauten Barnabiten bei der Überwindung der meisten Widerstände der ersten Jahre. Die Barnabiten, die ihn als ihren größten Wohltäter nach dem Kaiser bezeichneten, gewährten ihm dagegen 1626 bis 1629 weitestgehende Freiheiten bei der Umgestaltung des Nordchors der Michaelerkirche zur Gruftkapelle. Ein im Auftrag des Barnabitenkonvents nach dessen Tod 1648 angefertigtes Ölporträt Verdenbergs befindet sich im Michaelerkolleg. Aus seiner 1614 geschlossenen Ehe mit Maria Katharina, Tochter des Johann Philipp Coronini Freiherrn von Cronberg, stammten ein Sohn Johann Ferdinand (geb. 1625) und drei Töchter, von denen Lucia Petronilla unverheiratet starb, Anna Kamilla (1615–1636) mit dem kaiserlichen Generalwachtmeister Adrian Reichsgraf von Enckevoirt, und Maria Cäcilia (1617–1636) mit Hans Christoph von Herberstein seit 1635 verheiratet war.

Als katholischer Aufsteiger der Gegenreformation und Vertreter des neuen „gesamtösterreichischen“ Adels betätigte sich Verdenberg als kunstsinniger Förderer und Bauherr zahlreicher Kirchen im Bereich seiner in mehreren habsburgischen Erbländern gelegenen ausgedehnten Herrschaften, die vor allem in Mähren teilweise aus den großen Konfiskationen nach 1620 bzw. aus dem ehemaligen Žerotínschen Besitz stammten. Die heutige Straßer Pfarrkirche wurde 1637/38 von Verdenberg unter finanzieller Beteiligung der Straßer Bürger als Ersatz für die damals offenbar beschädigte kleine gotische Pfarrkirche nördlich der Ortschaft im Straßertal (seit 1787 profaniert als Wohnhaus Nr. 142) errichtet, 1644 stiftete Verdenberg ein Spital in Straß. Die beim Schwedeneinfall 1645 an der neuen, in der Fassadengestaltung an Il Gesù in Rom orientierten Kirche entstandenen Beschädigungen wurden im Folgejahr umgehend durch Verdenbergs Hofbaumeister (1636–41) Matthias Piazoll beseitigt3). Das Altarblatt des Straßer Hochaltars mit der unter einer Marienkrönung im Gebet knienden Stifterfamilie wird Verdenbergs Hofkammermaler Friedrich Stoll zugeschrieben, der Mitte Mai 1636 für verschiedene Arbeiten, darunter vier Altarblätter für die Schloßkapelle Grafenegg sowie die Kirchen Namiest, Rossitz und Straß bezahlt wurde4).

1) S. OÖ 532 und Taf. 119 (Wappen III) und NÖ 2, 450 und Taf. 214f, vgl. auch die tingierte Darstellung in NÖLA, Hs. 236/2, pag. 525.
2) S. zu Verdenbergs Leben, seinen Funktionen und Stiftungen sowie seinem dreibändigen „Giornale“, umfangreichen familiengeschichtlichen und finanziellen Aufzeichnungen ab dem Jahr 1624, Bergmann, Medaillen 2, 345–354 (teils fehlerhaft; hier auch zu einer Medaille auf Verdenberg von 1630 mit Porträt und Wortdevise „Fato sapientia maior“ im Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien, vgl. auch Schulz, Medaillen 526 [Kat.-Nr. 23.24]), Posch, Sarginschriften 29–43, Kuba-Hauk, Bildwerke 191 und 195 (Kat.-Nr. 204), Schemper-Sparholz, Grabdenkmäler 237–239 (Abb. des Verdenberg-Epitaphs in St. Michael), Perger, Zusammensetzung 38–40 (Kat.-Nr. 1.09f.), Tersch, Selbstzeugnisse 634–646, Winkelbauer, Fürst 344, Knoz, Državy 17–19, 314–325 und 361–377 sowie Ders., Krankheit 95f., 99–101, 103f. und 115 (Abb. 10). Zu seiner Leichenpredigt in Don Florentius Schillings „Todten-Gerüst“ vgl. Knoz, Todten-Gerüst 126f. Weitere Angaben zu Bautätigkeiten und Kunstaufträgen Verdenbergs s. ÖKT 1, 538f. und Beiheft 2–9, zur Wiener Michaelerkirche und der Verdenberg-Gruft neben den genannten Stellen auch Posch, Geschichte 245f. (Abb. der Verdenberg-Gruft), Hengerer, Dimension 280 und 299, zum Epitaph auch Tüchert, Renaissancegrabmäler 44–47. NÖLA, Hs. 236/2, pag. 526 nennt als Datum für die Aufnahme in den NÖ Herrenstand erst den 15. März 1624, hier auch Angaben zum Ankauf einzelner Herrschaften, dieselben Daten auch bei Si OÖ 532 und NÖ 2, 450.
3) S. zu Bautätigkeiten die entsprechenden Aufzeichnungen aus dem „Giornale“ in ÖKT 1, 538f. und Beiheft Grafenegg 2–10, Dehio Nord 1148 und Knoz, Državy 360–363.
4) S. ÖKT 1, 540 und Beiheft 4f., Winkelbauer, Fürst 434, Anm. 136, Knoz, Državy 363 und Knoz, Krankheit 104 und 112 (Abb. 7). Zu den mährischen Besitzungen Verdenbergs, der gegen Ende des Dreißigjährigen Kriegs gemessen an der Untertanenzahl an elfter Stelle der vermögendsten Grundherren in Mähren stand, vgl. Knoz, Državy 17–19 und 299–369 und Ders., Konfiskationen 48f. mit Verweisen auf die einschlägige ältere Literatur.
Literatur

ÖKT 1, 539. – ÖAW, NLH, 4. 4. 1966. – Dehio Nord 1148.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 482,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj482.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 195: Bauinschrift (1638)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)