Inschrift-logo

  Suche         Druck     Hilfe  

 

Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

498 Göttweig, „Apothekergang“ 1643

Wappengrabplatte der Elisabeth Gerhard(t) (von Falbenstein), roter Marmor, im sogenannten Apothekergang an der Südwand der dritte Stein von Osten, bis 1719 an nicht näher bekanntem Standort in der Gotthardskirche, unter Abt Magnus Klein in den Apothekergang versetzt, am heutigen Standort seit wenigstens 17771). In der oberen Hälfte neunzeilige Inschrift (die drei letzten Zeilen gestaffelt zentriert), in der unteren Hälfte Vollwappen (Eheallianzwappen in einem Schild) in leicht vertieftem quadratischen Feld, in den Zwickeln oben zwei Cherubsköpfe, unten vegetabiles Ornament.

H. 186 cm, B. 88 cm, Bu. 5 cm. – Fraktur.


Textedition
			

Hie Ruhet die Edle Gestrenge / Frau Elisabeth geborne Ger/hardtin von Falbenstain · Herrn Dionisy Atztzya) Röm(isch) / khäy(serlicher) May(estät) Haubtmans / Ehegemahl Jst Christlich / gestorben den 25 / Augusti im Jahr / · 1643 ·

Anmerkungen
a) sic! Die graphematisch verfestigte Ligatur tz für das Phonem z verwendet.

Wappen: Gerhard(t) (von Falbenstein)/Azzi2).


Kommentar

Elisabeth Gerhard(t) (von Falbenstein), Tochter des Göttweiger Kastners und Kellners am Göttweigerhof in Stein, Niklas (Nikolaus, d. Ä.) Gerhard(t) und der Salome Falb (von Falbenstein), Schwester des Göttweiger Abtes Georg (II.) Falb (s. Kat.-Nr. 468), war in erster Ehe mit dem 1637 verstorbenen Klosterhauptmann Kaspar Thoman von Frankenberg (s. Kat.-Nr. 478) verheiratet gewesen. In zweiter Ehe vermählte sie sich mit dem kaiserlichen Hauptmann Dionisio Azzi, der seinerseits nach dem Tod seiner Frau eine zweite Ehe mit Maria Katharina N. einging, 1645 der Further Sebastiansbruderschaft beitrat und vor 1647 starb3).

Anders als ihr Bruder Gabriel, der offenbar neben seinem ererbten väterlichen Namen das mütterliche Prädikat „von Falbenstein“ und das entsprechende Wappen (Falb) führte (vgl. Kat.-Nr. 440†), bevorzugte Elisabeth einen aus den Wappenbildern ihres Vaters, ihrer Mutter und ihres zweiten Ehemanns als Eheallianzwappen zusammengesetzten Schild, wie er auf der vorliegenden Platte dargestellt ist.

Die mit überwiegend breiten Einzelformen locker gesetzte Inschrift wirkt unharmonisch und starr. Während die nicht übermäßig kompliziert gestalteten Versalien dem Gesamtbild einen gewissen Schwung verleihen, sind alle Buchstabenbestandteile der Gemeinen im Mittelband gebrochen. Zwar entsprechen durch die relativ konsequente Vermeidung von tatäschlich rund ausgeführten Bögen viele Formen völlig jenen der Gotischen Minuskel (etwa i, m, n, r, u), doch behalten andere Buchstaben trotz Brechung breitere Proportionen bei, wodurch die in Gotischer Minuskel organisch zu bloßen Quadrangeln reduzierten gebrochenen Bogenabschnitte hier zu kurzen Schrägschäften verformt werden (vgl. etwa die Bögen von a, b, d, o u. a.). In Fraktur meist als Schwellzüge gestaltete Buchstaben­bestandteile erscheinen – da ohne merkbare Verstärkung des Strichs – lediglich durchgebogen (g, h). In den Oberlängenbereich ragende Schäfte werden regelmäßig nach rechts umgebogen bzw. durchgebogen, der in einen Haarzierstrich auslaufende Schaft des h biegt nach links um und überschneidet schlingenartig den Schaft. Als diakritische Zeichen über u bzw y erscheinen ohne erkennbare Unterscheidung abwechselnd zwei Quadrangeln, ein kurzer durchgebogener Strich oder zwei kurze rechtsschräge Striche. Dieselben Schriftformen weist die offenbar aus derselben Werkstatt stammende Grabplatte des Kremser Ratsbürgers und Handelsmanns Christoph Gollner (gest. 1648) in der Kremser Stadtpfarrkirche auf4).

1) S. StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 222r: „In eodem loco quo prius [sc. monumentum], nempe in ambitu antiquo penes cryptam“.
2) Geviert mit Herzschild: 1 und 4 (Azzi?): von der Spaltlinie zum Schildrand hervorbrechender, halbierter gekrönter Adler; 2 und 3 (Falb): Linksschrägbalken, mit Lilie belegt; Herzschild (Gerhard[t]): zwei mit den Spitzen nach oben senkrecht gestellte, abgekehrte Sensenblätter.
3) Maroli, Pest- und Totenbruderschaft 306 und Ders., Häuserchronik 649 sowie Fischer, Hellerhof 42. 1644 lieh er dem Kloster Göttweig 3000 fl., s. Tropper, Stift 273, Anm. 220 (1644 Juni 20).
4) S. vorerst Zajic, Aeternae Memoriae Sacrum, Kat.-Nr. 121 und vgl. in Zukunft den vom Bearbeiter für die DI vorbereiteten Band mit den Inschriften der Statutarstadt Krems an der Donau.
Literatur

StiA Göttweig Cod Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 127. – StiA Göttweig, Cod. Ser. nov. 492 (Krenner), pag. 179. – StiB Göttweig, Cod. rot 895 (Dückelmann), fol. 222r (Federzeichnung). – StiB Göttweig, Cod. rot 891, fol. 207v. – DASP, Nachlässe 5, Heft L, fol. 39r. – ÖKT 1, 481. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 89 („18 Grabsteine und Reliefs […] im sogenannten Apothekergange“). – ÖAW, NLH, 2.-4. 7. 1958. – Lechner, Stift 49 („Elisabetha Gerazdin“). – 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 1330. – Fischer, Atlas 58. – Dehio Süd 572.



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 498,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj498.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Göttweig, „Apothekergang“    •  Wappengrabplatte  •  roter Marmor  •  Fraktur  •  Inschriften des Totengedenkens  •  Azzi, Dionisio  •  Falb, Georg II.  •  Falb, Maria Salome  •  Gerhard, Elisabeth  •  Gerhard, Niklas  •  Gollner, Christoph  •  Klein, Magnus  •  Maria Katharina  •  Thoman von Frankenberg, Kaspar  •  Furth b. Göttweig  •  Göttweig  •  Krems a. d. Donau

Abbildungen

 zum Vergrößern anklicken
Abb. 202: Grabplatte der
Elisabeth Gerhar(d)t von Falbenstein (1643)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)