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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

499 Göttweig, „Apothekergang“ 1645

Reliefstein mit Wortdevise und apotropäischer Inschrift sowie Jahreszahl und Initialen des Abtes David Gregor Corner, roter Marmor, im sogenannten Apothekergang an der Ostwand der erste Stein von Norden, ursprünglich entweder über dem Eingangstor in das frühbarocke Konventsgebäude des „Neuen Klosters“ im Norden oder über dem äußeren Tor des Vorwerks im Süden der alten Klosteranlage, im Apothekergang ( jedoch zunächst nahe dem Abgang zur Krypta) seit 1777. Hochrechteckige Tafel mit frontalem Hüftbild Maria (Platytera-Typus) in seichter Rundbogennische, ein längsovales Medaillon mit dem nimbierten Christusknaben (in Segensgestus mit Sphaira) mit den Fingerspitzen vor die Brust haltend. Über dem Bogen und dessen Kontur folgend, Inschrift (I), unter der Nische sechszeilige, gestaffelt zentrierte Inschrift (II).

H. 94,5 cm, B. 64,5 cm, Bu. 3,5 cm (I) bzw. 2,5 cm (II, Z. 1–4) und 1,8 cm (II, Z. 5–6). – Kapitalis.


Textedition
			

I. SVB TVVM PRA͜ESIDIVM. II. HOSTISa) ABI HINC; DAMNVM / HVIC LOCO NE INFERAS NI / PESSIME PERIRE VOLVERIS: / NAM IN TVTELA EST MAGNA͜E / MATRIS VIRGINIS. / D(AVID) G(REGORIVS) C(ORNER) A(BBAS) G(OTTWICENSIS) A(NNO) MDCXLV

Anmerkungen
a) Anfangsbuchstabe vergrößert.

Unter deinen Schutz (I).
Kehr dich von hier ab, Feind! Sieh zu, daß du diesem Kloster keinen Schaden zufügst, wenn du nicht jämmerlich zugrundegehen willst; denn es steht unter dem Schutz der großen Mutter und Jungfrau. David Gregor Corner, Abt von Göttweig, im Jahre 1645 (II).

Mariengebet bzw. Hymnus (I).


Kommentar

Die Lokalisierung des ursprünglichen Standorts in der kopialen Überlieferung ist mehrdeutig1). Möglicherweise bezeichnet „monasterium“ das unter Abt Georg (II.) Falb 1623 begonnene, hauptsächlich aber unter Abt David Gregor Corner aufgeführte „Neue Kloster“ (vgl. Kat.-Nr. 481), also das im Norden der alten Klosteranlage situierte frühbarocke Konventsgebäude, das auch auf dem Kupferstichaufrißplan mit der Bausituation von 1718 (s. Einleitung S. XXIV) in Relation zum spätmittelalterlichen Bestand als „recentius monasterium“ bezeichnet wird. Der Stein, der in diesem Fall zeitlich wohl ungefähr die Fertigstellung des „Neuen Klosters“ unter Corner dokumentierte, könnte sich am über einige Stufen führenden Übergang von der Nordostecke des spätmittelalterlichen Kreuzgangs zum frühbarocken Kreuzgang als Vorraum des damaligen Refektoriums über der Tür (die Treppen im genannten Kupferstich mit „Z“ bezeichnet) befunden haben.

Andererseits wurde das äußere Klostertor im Vorwerk im äußersten Süden der Klosteranlage ebenfalls erst 1777 abgetragen, der Stein könnte also, ebenso wie ein 1777 beim Abbruch aufgefundener Wappenstein Abt Leopold Ruebers von 1548 (Kat.-Nr. 230) auch von diesem Torbau stammen. Das Abbruchjahr 1777 spricht jedenfalls nicht zwingend gegen die Lokalisierung im „Neuen Kloster“ Falbs und Corners. Obwohl Nordtrakt und Vestibültrakt (Cäcilientrakt) Abt Gottfried Bessels anstelle der frühbarocken Anlage bereits im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts errichtet worden waren, könnte noch ein Rest der alten Gebäude bis dahin intakt gewesen sein. Auch der ursprünglich in Verlängerung der Achse der Klosterkirche in unmittelbaren Anschluß an deren Westfassde in west-östlicher Richtung verlaufende Kanzleitrakt Abt Bartholomäus Schönlebens war wenigstens teilweise noch 1777 aufrecht (vgl. Kat.-Nr. 207†), obwohl die abschließende Errichtung der Freitreppe zur neuen Kirchenfassade bereits 1764/65 durchgeführt worden war.

Die in harmonischem Wechsel von breiten und schmalen Einzelformen unter kräftiger Verstärkung der Senkrechten und Linksschrägen spannungsreich wirkende Inschrift wurde sorgfältig ausgeführt. B weist geringfügig größeren unteren Bogen, gleich weit nach rechts reichende Bogenenden (das untere spitz auslaufend), E verkürzten mittleren Balken, G kurze senkrechte Cauda, H nach unten weisenden Siculus am Balken, gerades M einen fast bis zur Basislinie reichenden Mittelteil auf, R hat geschwungene Cauda. Eine starke Tendenz zur dekorativen Gestaltung der Schrift ist in den zahlreichen Haarzierlinien deutlich (vgl. die schleifenartig geschwungenen Haarlinien an den Bogenenden des S am Beginn der Inschrift und in EST sowie den als verschlungene Haarzierlinie gestalteten Balken des H in HOSTIS, und eingerolltes haarfeines Ende der geschwungenen R-Cauda in INFERAS).

1) StiA Göttweig Cod Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 140: „Supra extimam portam ingressus in monasterium“; StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 194r: „Lapis iste cernitur immediate supra portam primam qua ingreditur in monasterium. Estat ex marmore rubro et, ut inscriptio exhibet, existentiam suam debet reverendissimo domino Davidi Gregorio Cornero. Porta haec anno 1777 fuit destructa et lapis hic ad antiquum ambitum penes cryptam cum alys translocatus fuit“. Vgl. die vorsichtige und ebenso mehrdeutige Standortangabe in 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 1331: „über dem Eingangsportal zur Göttweiger Stiftsanlage“, zuletzt Lashofer, „Unter deinen Schutz“ 30: „über dem Eingangsportal des Stiftes“.
Literatur

StiA Göttweig Cod Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 140. – StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 194r (Federzeichnung). – ÖKT 1, 443 und 481. – Riesenhuber, Kunstdenkmäler 89 („18 Grabsteine und Reliefs […] im sogenannten Apothekergange“). – ÖAW, NLH, 2.-4. 7. 1958. – Lechner, Stift Abb. 31 (Tafelteil). – 900 Jahre Stift Göttweig, Kat.-Nr. 1331 (Abb.). – Fux, Ortsgeschichte 85. – Fischer, Atlas 11. – Dehio Süd 572. – Lashofer, „Unter deinen Schutz“ 30 (Abb. 5).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 499,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj499.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich  Politischer Bezirk Krems  Göttweig, „Apothekergang“    •  Reliefstein  •  Wortdevise  •  Jahreszahl  •  Initialen  •  roter Marmor  •  Kapitalis  •  Bessel, Gottfried  •  Corner, David Gregor  •  Falb, Georg II.  •  Rueber, Leopold  •  Schönleben, Bartholomäus  •  Göttweig, Benediktinerkloster

Abbildungen

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Abb. 203: Reliefstein (1645)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Michael Malina)