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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

505† Göttweig, altes Konventsgebäude 1647

Gemälde, bis 1719 im Zimmer des Klosterkämmerers im Erdgeschoß des Westtrakts des alten Konventsgebäudes nahe dem Ofen an der Wand, 1777 an unbekanntem Standort noch erhalten. Darstellung eines außergewöhnlich großen Hausens, darüber siebenzeilige, gestaffelt zentrierte erklärende Beischrift (I) sowie etwas abgesetzt Gebetsspruch (II). Unter der Darstellung des Fischs Maßstab (10 Schuh).

Kapitalis (I) und schrägliegende Minuskelantiqua (II).

Standortangabe1) nach StiA Göttweig, Cod. Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 140, Beschreibung und Textwiedergabe nach StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 193r.


Textedition
			

I. AVDI . HOSPES . REM RARAM, ET A CONDITO / MONASTERIO IN HAC RVPE VIX VISAM, ANNO 1647. D(IE) 10. OCTOBRIS / IN VICINA DANVBII PARTE AD COENOBIVM PERTINENTE CAPTVS, ET / VIVVS HVC DEPORTATVS EST HVSO EIVS PLANE FORMA͜E, / CRASSITIEI, AC LONGITVDINIS QVA HIC DEPICTVS HABE=/TVR, PONDVS DEPINGI NON POTVIT: SED LIBRAS 200. EXACTE / PONDERAVIT. / II. Benedicite cete, et omnia, qua͜e moventur in aquis Domino.

Anmerkungen

Höre, Freund, von einer merkwürdigen und seit der Gründung des Klosters auf diesem Berg kaum da gewesenen Sache: Im Jahr 1647, am 10. Oktober, wurde in dem an das Kloster angrenzenden und diesem zugehörigen Abschnitt der Donau ein Hausen gefangen und lebend hierher gebracht, von genau jenem Aussehen, jener Dicke und Länge, wie er hier abgebildet ist. Sein Gewicht ließ sich nicht abmalen, doch brachte er genau 200 Pfund auf die Waage (I).
Preiset, ihr Meerestiere und alles, was sich in Gewässern regt, den Herrn (II).


Kommentar

Der heute nur mehr selten in der Donau laichende Hausen (Huso huso, auch: Beluga), eine vor allem in der Adria, dem Kaspischen und dem Schwarzen Meer beheimatete Störart, kann bei einer Lebenserwartung von bis zu 100 Jahren außerordentliche Amessungen von mehreren Metern Länge und ein Gewicht von bis zu 1200 kg erreichen2). Das auf dem Gemälde abgebildete Exemplar dürfte nach Maßgabe des darunter wiedergegebenen Maßstabs ungefähr drei Meter lang gewesen sein.

Inschriftlich kommentierte Abbildungen gefangener Fische von ungewöhnlicher Größe sind für die Frühe Neuzeit vor allem aus städtischem Umfeld häufig überliefert. Eine Wandmalerei in der oberen Rathausdiele in Schweinfurt gibt einen 1575 im Main gefangenen Stör mit kommentierender Beischrift wieder3), ein kopial überliefertes Gemälde im Rathaussaal von Hannover zeigte fünf unterschiedlich große Störe, die 1635 in der Leine gefangen worden waren4). Die jeweils beigebenen deutschsprachigen Inschriften bezogen sich wie im vorliegenden Fall auch auf die Länge bzw. das Gewicht der Tiere und den Umstand des Transports der noch lebenden Tiere.

Eine ältere, offenbar aus dem 15. Jahrhundert stammende inschriftliche Überlieferung für den Fang eines außergewöhnlich großen Huchens stammt aus dem Kloster Dürnstein (s. Kat.-Nr. 88†).

Als Beispiel für inschriftlich kommentierte bildliche Darstellungen anderer Kuriosa aus dem Waidwerk der Frühen Neuzeit vgl. etwa das Ölbild eines mit ungewöhnlich kräftigen Stangen versehenen einjährigen Hirschkalbs, das 1607 in der Khevenhüllerschen Herrschaft Landskron gefangen und in den Tiergarten der Burg Hochosterwitz verbracht wurde5).

1) „Ad hypocaustum P. Oeconomi erat depictus huso, longitudine circiter < . > pedes metiens, in crassitie < . > pedes, cum hac inscriptione: (...).“
2) Zum Hausen als begehrtem Speisefisch in Mittelalter und Früher Neuzeit vgl. Kunst/Galik, Essen 252f. (mit Verweisen auf die ältere Literatur) und Kat.-Nr. 22.17–22.19.
3) S. Maierhöfer, Inschriften 212 und 230 (Abb. 1) und zuletzt Koch, Editionen 251 und 253 (Abb. 10b).
4) DI 36, Kat.-Nr. 313†, die Wiedergabe nach der kopialen Überlieferung Johann Heinrich Redeckers von 1762 als Abb. 2 in Wehking/Wulf, Leitfaden 16. Die lebensgroße Wiedergabe eines 1545 in der Dänischen Wieck gestrandeten Wals als Wandmalerei an der Nordseite des Turmerdgeschoßes in der Greifswalder Pfk. St. Marien ist zwar heute inschriftlos, das ursprüngliche Vorhandensein einer erklärenden Beischrift ist jedoch angesichts der Seltenheit vergleichbarer Ereignisse wahrscheinlich. Schon Eberhard Windecke hatte für sein Sigismund-Buch einen bei Dünkirchen gestrandeten Wal in Augenschein genommen, abgemessen und abgemalt und eine indirekte Angabe über das Gewicht des Kadavers, aus dem angeblich 120 Tonnen Schmalz gewonnen wurden, aufgezeichnet, s. ÖNB. Cod. 13.975, fol. 108r, vgl. Johanek, Windecke 155f. (Abb.).
5) Vgl. zum Gemälde in der Burg Hochosterwitz DI 65, Kat.-Nr. 624.
Literatur

StiA Göttweig, Cod. Ser. nov. 90 (Schenggl), pag. 140. – StiB Göttweig, Cod. rot 896 (Dückelmann), fol. 193r (Federzeichnung).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 505,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj505.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 205: Kopiale Überlieferung:
Gemälde (1647)
©  ÖAW, Wien, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Andreas Zajic)