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Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich

Politischer Bezirk Krems

520 Spitz, Schiffahrtsmuseum (Erlahof, Auf der Wehr 21) M. 17. Jh. (?)

Allegorisch-emblematisches Gemälde Gerechtigkeit als christliche Tugend mit belehrenden Spruchbeischriften, Öl auf Leinwand, im Prälatensaal im Obergeschoß in der Schausammlung, ursprünglich aus dem Alten Rathaus Spitz stammend, mit den Beständen der Sammlung Otto Meißinger dem 1970 eröffneten Museum einverleibt, Inv.-Nr. 63. In schlicht profiliertem, schwarzlackiertem Rahmen unter Benützung von Dreieckschema und Bilddiagonalen konzipiertes hochrechteckiges Gemälde: Vor dunkelrotbraunem Hintergrund als zentrale Figur in der senkrechten Mittelachse Justitia in rosafarbenem Kleid und blaugrauem Mantel mit weißem Kopftuch und transparentem Schleierband auf hohem steinernen Postament stehend, den Blick leicht nach rechts oben gerichtet, in der ausgebreiteten Linken eine silberne Waage mit goldenen Waagschalen, in der Rechten ein Schwert haltend. Über ihrem Kopf unmittelbar am oberen Bildrand zweizeilige gestaffelt zentrierte Beischrift (I), erste Zeile schwarz, zweite weiß aufgemalt. Im linken Bilddrittel auf dem Boden neben dem Postament der Justitia stehende Figur Horologium als mit rotem Mantel bekleideter, ansonsten nackter Jüngling, der linke Arm ruht, ein Stundenglas an die Brust drückend, auf der Kante des Postaments auf, die Rechte streckt eine gelbe gesichtete Sonnenscheibe auf einem szepterartigen Stab in die Höhe. Über der Sonnenscheibe in der linken oberen Bildecke, mit Beischrift I auf gleicher Höhe und in gleicher Ausführung, zweizeilige Beischrift (II). In der rechten oberen Bildecke gelber gesichteter Vollmond, darüber, mit Beischrift I auf gleicher Höhe und in gleicher Ausführung, zweizeilige Beischrift (III), mit Beischrift II inhaltlich zusammengehörig und mit dieser ein Reimpaar bildend. Am linken Bildrand in der Mittelachse, auf Schulterhöhe der Horologium-Figur und dieser inhaltlich zugeordnet, siebenzeilige gestaffelt zentrierte Beischrift (IV), mit den ersten beiden Zeilen schwarz, sonst weiß aufgemalt. Parallel zu dieser Figur an der rechten Seite des Postaments stehende Figur der Caritas als Frau in dunkelblauem Kleid und gelborangem Mantel mit weißem Kopftuch, ein puttenartiges, auf der rechten Kante des Postaments sitzendes Kleinkind in weißem Lendentuch vor dem Zugriff eines rechts unten am Boden stehenden geflügelten Puttos mit grünem Umhang schützend und in ihrem Arm bergend. Am rechten Bildrand auf Kopfhöhe der Caritas-Figur und in gleicher Höhe wie Beischrift IV sechszeilige gestaffelt zentrierte Beischrift (V), die erste Zeile schwarz, sonst weiß aufgemalt. Unten in der Bildmitte an die Vorderseite des Postaments mit Stricken und eisernen Ketten angebundene, halb kniend kauernde vollbärtige und langhaarige männliche, bis auf einen blaßroten, offenbar sekundär hinzugemalten Umhang nackte Figur Divitiae, den Oberkörper nach links auf ein silbernes zylindrisches nach Art eines Füllhorns mit Gold- und Silbermünzen gefülltes Gefäß unter der rechten Achsel aufgestützt, das rechte Bein und das Münzgefäß überschneiden die als Basislinie der gesamten Darstellung fungierende schmale graue Leiste. Über dem Kopf der Figur am Postament schwarz aufgemalte Beischrift (VI). Am unteren Bildrand auf der Basislinie bzw. auf dem darunterliegenden dunkelgrauen Feld fünfzeilige linksbündige Beischrift (VII), der Divitiae-Figur zugeordnet und von deren Bein und dem Münzgefäß bis auf die vierte, in der linken Hälfte endende und die ganz unten durchlaufende letzte Zeile unterbrochen. Die erste Zeile schwarz auf der Basisleiste, die übrigen weiß im dunkelgrauen Feld aufgemalt.

H. (mit Rahmen) 122 cm, B. 110 cm, B. 1,5–2 cm. Fraktur und Kapitalis.


Textedition
			

I. IVSTITIAa) . / Thue Recht vnd Schewe Niemandt. II. SOLa) . / Justitia sole Scheinen Hell / vnd Clar gleich wie / die Sonn. III. LVNAa) . / Reich vnd Armen gerecht, / alß wie der Monn. IV. HOROLO=/GIVMa) . / Wer Stoltz wird / in Glüksselligkheit / dem ist Schon / vnglükhsfahl / bereith. V. CHARITASa) . / Weder Lieb noch / Freündschafft / sihe an. / Ehr, Glickh auf / Erden wirstu han. VI. DIVITIA͜Ea) VII. Khein Vnrecht neidt vnd Guetth. // Las dich verführen. / Dardurch mancher Thuet daß seinige // verlihren / Wehe dem der Recht vnd gerechtigkheit // in Beutel vergrabt. / vnd ihm darbey ein schwäres gwüssen macht. / Mit Strickh vnd Ketten Lig ich ietz gebu(n)den, Justitia hatt mich überwundenb) .

Anmerkungen
a) Anfangsbuchstabe vergrößert. b) Z. 1–3 von Figur der Divitiae unterbrochen; bei überwunden in der Is. v mit diakritischen Zeichen.

Deutsche Reimverse.


Kommentar

Der mit deutschsprachigen, häufig gereimten belehrenden Spruchinschriften kommentierte Bildvorwurf der Justitia-Allegorie gehört zum Standardrepertoire frühneuzeitlicher Rats- und Rathausikonographie (vgl. Kat.-Nr. 460). Im vorliegenden Fall scheint eine druckgraphische Vorlage, möglicherweise aus einem Emblembuch, mittelbar verarbeitet worden zu sein. Während der provinzielle und recht derbe Stil des Gemäldes an sich eine nähere Datierung erschwert, könnte die modernere Gestaltung der Puttenköpfe – soferne es sich nicht um eine spätere Übermalung handelt, auf das spätere 17. oder frühe 18. Jahrhundert hindeuten. Allenfalls wäre auch eine Entstehung des Bildes im 18. Jahrhundert nach einer älteren Vorlage denkbar1).

Inschriftenpaläographische Merkmale lassen jedoch mit Vorsicht noch auf den oben angegebenen Zeitraum schließen. Während etwa die konsequente Verwendung von V in den kapitalen Beischriften alleine kein ausreichendes Datierungskritierium darstellt, deuten der allgemeine Eindruck der gegenüber den oft leblos und steif wirkenden Inschriften der zweiten Jahrhunderthälfte noch recht lebendigen und mit einer gewissen inneren Spannung (teils ausgeprägte Schwellschäfte, weitgehend runde, scharfe Brechungen vermeidende Bogenlinien) ausgeführten Frakturinschriften auch mit ihren teils kompliziert gebauten und mit zahlreichen Haarzierlinien versehenen Versalien auf eine Entstehung in der Mitte des 17. Jahrhunderts hin.

1) Für sein kritisches Urteil danke ich herzlich Friedrich B. Polleroß (Institut für Kunstgeschichte, Universität Wien).
Literatur

Schöner, Geschichte 2, 57f. (1. H. 17. Jh.). – Schiffahrtsmuseum 19 (17. Jh.). – Dehio Nord 1109 (17. Jh.).



Andreas Zajic

Zitierregel:
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems, ges. u. bearb. v. Andreas Zajic
(Die Deutschen Inschriften 72. Band, Wiener Reihe 3. Band, Teil 3) Wien 2008, Kat. Nr. 520,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/noe-3/teil4/noe-3-obj520.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
72. Band, Wiener Reihe 3. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Niederösterreich - Teil 3
Die Inschriften des Politischen Bezirks Krems

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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