Die Inschriften des Bundeslandes Tirol
Politischer Bezirk Imst
113 |
Stams, Stiftssammlungen |
(1646–1660) |
Portrait des Abtes Bernhard II. Gemelich, Öl auf Leinwand, in der Klausur im Obergeschoß. Hochrechteckiges Gemälde in modernem schlichten vergoldeten Rahmen, als Fortsetzung einer älteren Reihe von Abtbildern (Kat.-Nrr. 99–106) konzipiert. In Dreieckskomposition Hüftbild des stehenden bärtigen Abtes in Kukulle, den Betrachter anblickend, die Rechte umfasst das über die Schulter gelehnte Pedum, die Linke hantiert mit einem Reißzirkel auf einem Grundriss der Konventsgebäude des Klosters (Nordtrakt), der auf einem Tisch in der rechten unteren Ecke liegt. Vor dem Riss liegen ein Graphitstift und ein Lineal, links des Risses steht ein schwarz eingebundenes Buch mit goldenen Schließen und Cameo auf dem Hinterdeckel, vor diesem ist ein verschnürtes Paket mit achtzeiliger schwarz auf weiß aufgemalter Adresse an den portraitierten Abt schräg aufgestellt. Ganz rechts ist ein weiterer, mit einem Siegel unter Papier verschlossener Brief zu erkennen. Weiters sind auf dem Tisch hinter der linken Hand des Abtes dessen Mitra und eine vergoldete astronomische Uhr zu erkennen. Der Bildhintergrund öffnet sich mit zwei Fenstern beiderseits eines zentralen Pfeilers zu einer Ansicht der Stamser Klosteranlage in der linken oberen Ecke bzw. zu einer Ansicht der Pfk. Stams in der rechten oberen Ecke. Unmittelbar rechts des Gesichtes ist auf dem Pfeiler ein kleiner Wappenschild unter Mitra, mit Pedum linksschräg hinterlegt, zu sehen. Die am Unterrand fünfzeilig schwarz auf weißem Grund aufgemalte Inschrift des 18. Jahrhunderts überdeckt die ursprüngliche und somit verlorene erklärende Beischrift1).
Bu. 0,4 cm. – Deutsche Schreibschrift (Kurrent) und Frakturkursive (Halbkurrent).
Textedition
Dem Hochwierdigen in got(t)a) // Herrn Herrn Bernhardt Abbtnb) / vndt Jro
regierenden herren Prelaten des Löbl(ichen) osterreichischen / auch eximierten
Gotteshausß vndt Closters zue Stambs (etcetera) der Erzfürstl(ichen)
d(ur)chl(aucht) / Ferdinand(en) Carl(en) Erzherzogenn zu Osterreich (etcetera)
O(ber) O(sterreichischen) CamerPraesidenten / vnd der Co(n)gregat(ion) Sanct(i)
Ordin(is) Cisterciensis durch ober Teütsch-/landt vicario generali (etcetera)
Meinem ge(nedigen) vndt gebietenden / herrnc) / Stambsd)
Anmerkungen
Kommentar
Eine ähnliche Selbstinszenierung im Portrait wie sein Vorgänger Paul Gay beabsichtigte wohl auch der Stamser Abt Bernhard II. Gemelich, der ebenfalls dominierenden Einfluss auf die Ausgestaltung des Bildes nehmen konnte. Ganz offensichtlich wurde dem Maler des qualitätvollen Portraits das entsprechende Abtbild Pauls Gays als verpflichtendes gestalterisches Vorbild vorgeschrieben (Kat.-Nr. 106). Dabei legte er nicht nur besonderen Wert auf die Betonung seiner Rolle als barocker Bauherr im Stift durch die prominente Abbildung des Grundrisses des neuen Stamser Konventtraktes (er entspricht tatsächlich mit nur minimalen Abweichungen dem ausgeführten, heute aufrechten Baubestand) und eines Zirkels in seiner Hand. Er unterstreicht seine Würde als Abt auch durch eine epigraphische Botschaft: Das Paket vor ihm am Tisch zeigt seine Anschrift und fügt damit wie beiläufig seine umfangreiche Titulatur als Abt in das Bildsujet ein. Diese subtile Botschaft passt auch zu anderen Details des Gemäldes: So erkennt man hinten auf dem Tisch mit dem Plan und dem Paket auch eine astronomische Uhr, bei der es sich um die vor 1582 entstandene Yllmer-Uhr handeln dürfte, die bis heute in Stams aufbewahrt wird. Damit hat zugleich ein sehr persönlicher Gegenstand des dargestellten Abtes in das Bild Aufnahme gefunden: er war der Enkel Yllmers3). Die am unteren Bildrand annähernd mittig über der erklärenden Beischrift aufgemalte Position Abt Bernhards innerhalb des Stamser Äbtekatalogs, XXVI., wurde ebenso wie die heute lesbare Inschrift am Unterrand erst im 18. Jahrhundert aufgemalt. Die oben angesetzte Datierung ergibt sich aus dem Abbatiat Gemelichs (1638–1660) und dessen inschriftlich referierter Funktion als oberösterreichischer Kammerpräsident Erzherzog Ferdinand Karls (reg. 1646–1662); das Gemälde entstand also sicher nach 1646 und wohl vor 1660.
Literatur
Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol Politischer Bezirk Imst Stams, Stiftssammlungen • Portrait • Öl auf Leinwand • Deutsche Schreibschrift (Kurrent) • Frakturkursive (Halbkurrent) •
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Gay, Paul •
Gemelich, Bernhard •
Yllmer, Andreas •
Innsbruck •
Stams, Konventsgebäude
Abbildungen
Abb. 89: Portrait des Abtes Bernhard Gemelich (1646–1660)
Abb. 90: Detail
©
ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Werner Köfler)
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