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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Imst

27 Stift Stams, Kreuzgang 1493

Wappengrabplatte des Sigmund von Neydeck, roter, weiß geäderter Marmor, im Osttrakt des Kreuzgangs in die Ostwand eingemauert, hier schon um 1756 „links neben dem Thore der Mutter Gottes“. Die den hochrechteckigen Stein umziehende, vertieft erhaben gearbeitete Umschrift (in der rechten oberen Ecke und in beiden unteren Ecken von je einer Rosette unterbrochen) umschließt ein stark vertieftes, hochrechteckiges Feld mit einem Vollwappen unter einem knorrigen Kielbogen aus Astwerk. Durch das offene Visier des Helms ist das Profil eines Männerkopfes deutlich zu erkennen, die Helmdecke greift zu beiden Seiten auf den Rahmen über und unterbricht die Umschrift. Zwischen dem Astwerkbogen und der Helmdecke zu beiden Seiten der Helmzier ein seicht reliefiertes Blendmaßwerk. Unter dem Schild ein Totenschädel, der rechts und links von zwei sich windenden, ihm zugewandten Schlangen flankiert wird. Das dritte Schriftband der Umschrift ist nur mehr zu einem Drittel erkennbar, da der Unterrand von Bodenfliesen verdeckt wurde.

H. 204 cm, B. 105 cm, Bu. 9 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.

Standortangabe und Textergänzung nach Stiftsarchiv Stams, G VIIa n. 16, fol. 1 (Zeichnung von Josef Schöpf).


Textedition
			

· Annoa) · dom(ini) · 1 · 4 · 9 · 3 · iarb) · / starb · de(r) · Edel · Vnd · Vest · // Sigmu(n)dc) · v(o)n · / [Neidegk · An · Sant · Tomas]d) · / Abent · Voee) · // Veinachc) · de(r) · sel · got · gned(ig) · se(i) ·

Anmerkungen
a) Trennzeichen quadrangelförmig.
b) es folgt eine Rosette als Trennzeichen.
c) Unterbrechung durch die ausladende Helmdecke.
d) die oberen zwei Dritteln des Schriftbands im Fußboden vermauert; erg. nach der Zeichnung von Schöpf; es folgt eine Rosette als Trennzeichen.
e) sic!

Datum: 1493 Dezember 20.

Wappen: Neydeck1).


Kommentar

Sigmund von Neydeck, der Mundschenk des späteren Kaisers Maximilian I.2), starb nach dieser Inschrift am 20. Dezember 14933). Lebersorg berichtet von Sigmund, dass dieser „ob generis sui nobilitatem huc devectus ac iuxta alios nobilitate illustres in ambitu honorifice sepultus est“4). Zur weit verzweigten Familie des Sigmund von Neydeck (auch Neidegg, Neudeck usw.), die eigentlich dem niederöster­reichischen Niederadel entstammte5), gibt Primisser einige Angaben, doch scheinen sie widersprüchlich und wenig vertrauenerweckend; so nennt er die Frau Sigmunds einmal Anna, dann Ursula Epserin aus Bayern6). Ein Wappenstein des Tridentiner Bischofs Georg von Neydeck von 1513, der das auch auf der Grabplatte Sigmunds vorhandene Wappen neben dem Adler von Trient zeigt, hat sich im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum erhalten7). Die Jahreszahl auf der Grabplatte wurde aufgrund der spitzen 3 häufig falsch gelesen; so datiert Dehio Tirol den Stein irrtümlich auf 14978). Wahrscheinlich ist auch die von der Inschrift abweichende Datierung zu 1492, die sich bei Lebersorg und Primisser findet, auf einen solchen Lesefehler zurückzuführen9).

Die reiche, plastische Arbeit zeigt, besonders im Bereich des gut erhaltenen Wappens und der reich ausladenden Helmdecke, die Hand Sebald Bocksdorfers, eines hervorragenden Künstlers maxi­milianischer Grabplastik im Tiroler Raum (vgl. dazu Kat.-Nr. 29). Ein Vanitas-Motiv wie an der Unterseite dieser Grabplatte (der Totenschädel mit den Schlangen) wurde von Bocksdorfer gerne verwendet10). Interessant ist die Detaillösung des Helmes im Vollwappen, dessen Visier geöffnet ist und den Blick auf einen darin steckenden Männerkopf freigibt. Das Motiv entnahm Bocksdorfer wohl ganzfigurigen Darstellungen von Rittern im Harnisch auf Grabplatten und Tumbadeckeln seiner Zeit, wie sie sich etwa in Lienz erhalten haben11), und die auch in weiteren Werken Sebald Bocksdorfers vorkommen12). Ungewöhnlich erscheint beim Grabdenkmal des Sigmund von Neydeck aber, den Helm des Wappens selbst mit offenem Visier und Gesicht des Trägers zu zeigen. Damit verschmelzen hier auf ungewöhnliche Weise die nur mehr angedeutete, ganzfigurige Ansicht des Ritters mit dem großzügigen Wappenrelief; das Bildnis des Verstorbenen tritt vor seinem Symbol, dem Wappen, zurück, doch bleibt der Hinweis auf die Individualität des Verstorbenen durch das aufgeklappte Visier mit dem dahinter liegenden Gesicht für den aufmerksamen Betrachter des Grabmonumentes erhalten.

1) Si NÖ1, 314 und Taf. 166 (Stammwappen).
2) Lebersorg, Chronik 216 (Haidacher 394f.) und Primisser, Annales IV, cap. XXXI, § 20. Nach Hohenbühel lässt sich 1456 bereits ein Martin von Neydeck als Kämmerer und Truchsess Erzherzog Sigmunds nachweisen; Hohenbühel, Beiträge 113f.
3) Sigmund von Neydeck wurde aber bereits für den 18. Dezember im Nekrolog des Stiftes eingetragen; Necrologium Stamsense 59 (vgl. Primisser, Additiones V, cap. XXXI, 84).
4) Lebersorg, Chronik 216 (Haidacher 394f.).
5) S. dazu mit Korrekturen älterer Literatur DI 72, Kat.-Nr. 31.
6) Primisser, Additiones V, cap. XXXI, 84.
7) Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Inv. Nr. P 543. Der Wappenstein stammt aus dem Schloss Selva bei Levico Terme.
8) Dehio Tirol 755.
9) Lebersorg, Chronik 216 (Haidacher 394f.); Primisser, Annales IV, cap. XXXI, § 20 und Primisser, Index II, 30.
10) Das bekannteste Beispiel einer solchen Grabplatte Bocksdorfers stellt wohl das Grabdenkmal des Haller Münzmeisters Bernhard Beheim d. Ä. dar, das sich bei der Pfk. Hall in Tirol erhalten hat; Moser/Tursky, Münzstätte 7–47; Egg, Kunst in Hall 198; Friedrich/Schmitz-Esser, Hall 40. Auch der ehemals in der Waldaufkapelle der Pfk. aufgehängte und heute im Haller Stadtmuseum aufbewahrte Totenschild Florian Waldaufs wird Bocksdorfer zugeschrieben; Moser, Waldaufstiftung 40; Friedrich/Schmitz-Esser, Hall 28. Allerdings wurden alle diese Zuschreibungen an Sebald Bocksdorfer zuletzt von Miller, Bocksdorfer 86, abgelehnt oder in Frage gestellt.
11) Zu nennen sind etwa das Grabmal Leonhards II. von Görz und jenes des Michael von Wolkenstein und der Barbara von Thun in der Lienzer Pfarrkirche, sowie das Grabmonument des Hermann von Graben in der Michaelskirche in Lienz (alle zwischen 1506 und 1509); vgl. Mannhart, Bildnis Taf. IX, Abb. 23–25; Taf. X, Abb. 26 und Taf. XI, Abb. 27. Ein früheres Beispiel einer solchen Darstellung findet sich in der Bozner Pfk. mit dem Grabmonument des Wilhelm von Henneberg (um 1490); vgl. Mannhart, Bildnis Taf. VII, Abb 18.
12) Etwa am Grabdenkmal des Sigmund von Welsberg (um 1515) in der Pfk. Taisten; vgl. Mannhart, Bildnis Taf. VIII, Abb. 22.
Literatur

Lebersorg, Chronik 216 (Haidacher 394f.). – Gay, Historia I, cap. XII, 97. – Stiftsarchiv Stams, G VIIa n. 16 fol. 1. – Primisser, Annales IV, cap. XXXI, § 20. – Primisser, Additiones V, cap. XXXI, 84. – Primisser, Index II, 30 (unter Neudeck). – Necrologium Stamsense 59. – Hohenbühel, Beiträge 113f. – Semper, Bocksdorfer 162. – Halm, Studien 1, 261. – Egg, Kunst in Innsbruck 49. – Dehio Tirol 755. – Köfler, Land 601. – Krumpöck, Bocksdorfer 53. – Schmitz-Esser, Inschriften (2003) 90. – Schmitz-Esser, Stift Stams 221. – Schmitz-Esser, Herrschaftsrepräsentation 66.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 27,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/imst/tirol-1-obj27.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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Abbildungen

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Abb. 44: Wappengrabplatte des
Sigmund von Neydeck (1493)
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Gerhard Watzek)