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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Imst

29 Imst, Pfk. Mariä Himmelfahrt 1494

Wappengrabplatte der Margarethe von Weichs, roter Marmor, innen an der westlichen Langhauswand. Hochrechteckige Platte mit vertieft erhaben ausgeführter Inschrift an der oberen Schmal- und beiden Breitseiten, die zwei Eheallianz(voll-)wappen unter einem Astwerkbogen. Unter diesem Allianzwappen sieht man eine Kröte, einen Totenkopf und eine Schlange. Die Umschrift wird an den beiden Längsseiten durch das Wappenrelief unterbrochen. Der gesamte Stein ist stark abgetreten.

H. 182 cm, B. 91 cm, Bu. 7–9 cm. – Gotische Minuskel mit Versal.


Textedition
			

1 · 4 · 9 · 5 · Jar · am · mitich vor · der / beschneidvng chr(i)s(ti)a) st//arbb) di(e)c) edel · / fraw mar[g]ret vo(n)c) weichs / herr jorig // puhle[r]b) fraw [witib]ind)

Anmerkungen
a) Nomen sacrum; Bestand: xps.
b) Unterbrechung durch das Wappenrelief.
c) kein Kürzungszeichen erkennbar.
d) Ende des Schriftbands extrem stark abgetreten; Lesung unsicher; erg. nach dem Sinnzusammenhang.

Datum: 1494 Dezember 311).

Wappen: Puhler2), Weichs3).


Kommentar

Die Grabplatte wurde in der Literatur stets fälschlich Walter Hendl, Sohn des Reinprecht Hendl, Pfleger zu Starkenberg, zugeordnet4). Tatsächlich zeigt die Inschrift, dass es sich um die Grabplatte einer Frau, der Margarete von Weichs, handelt, die offenbar am 31. Dezember 1494 verstarb5). Ihr inschriftlich genannter Mann, Jörg Puhler (oder Pichler), scheint in mehreren Urkunden (1489 und 1504) als Pfleger zu Imst auf und erhielt 1479 die Pflege über das Gericht Naudersberg; sein Wappen ist ein schwarzer Eber in Gold6).

Die fehlerhafte Zuschreibung des Steins an Walter Hendl basiert offenbar auf der ungenauen Lesung der Angaben in der Handschrift von Josef Resch, der die Grabmonumente in der Imster Pfarrkirche beschreibt; hierbei spricht er von zwei ganz ausgetretenen Grabplatten, von denen eine zwei Wappen zeige: ein Wildschwein und ein Wappen wie jenes der Weichs oder Liechtenstein7). Diese Wappenkombination stimmt eben mit jener der hier besprochenen Grabplatte überein. Eine Inschrift nennt Resch jedoch für diese Grabplatte nicht – die ausgetretene Schrift war wohl schon im 18. Jahrhundert nur mehr schwer zu entziffern. In der Forschung wurde nun offenbar kurzerhand die Inschrift eines weiteren, von unserer Grabplatte unabhängigen Grabmonumentes (Kat.-Nr. 32) aus dem Werke Reschs dieser Grabplatte zugeschrieben, wodurch sich der Irrtum, es handle sich um das Denkmal des Walter Hendl, ergab.

Bis zur Renovierung der Kirche 1969/70 wurde die umgedrehte Grabplatte als Altarmensa benützt. Sie wird dem Innsbrucker Künstler Sebald Bocksdorfer zugeschrieben. Dieser Künstler gilt als ein typischer Vertreter der Kunst aus der Zeit Maximilians I., des Übergangsstils zwischen der Spätgotik und der Frührenaissance in Tirol. Bocksdorfer kann zwischen 1496 und 1519 in den Innsbrucker Raitbüchern nachgewiesen werden; sein hauptsächliches Schaffen galt der Sepulkralkunst (insbesondere Grabplatten und Totenschilde)8). Die hier edierte Wappengrabplatte zeigt die in dieser Zeit in der Sepulkralkunst gebräuchlichen Vanitas-Symbole: Den Totenkopf, die Schlange und die Kröte.

1) Angesichts der in Tirol im 15. Jahrhundert gängigen Weihnachtsdatierung ergibt sich der 31. Dezember 1494 als Sterbetag; eine Datierung auf 1495 ist freilich nicht gänzlich auszuschließen.
2) Geringfügig abweichend zu Si BayA1, 31 und Taf. 26 („Büchler“: ein Eberkopf ) und Si WüA 84 und Taf. 49: ein oberhalber Eber; bekrönter Spangenhelm mit einem aus der Helmdecke wachsenden Eber als Helmzier.
3) Si Bay 62 und Taf. 67 (Stammwappen).
4) Ammann, Kunst in Imst 42; Ammann, Oberland 165; Dehio Tirol 353 (bei Dehio wird nur Walter Hendl genannt, dieser aber nicht als Sohn Reinprecht Hendls vorgestellt) und Neumann, Kirchen 294 (hier als „Grabplatte des Imster Bürgers Walter Hendl und seiner Frau“). Vgl. auch Kat.-Nr. 32. Zu Walter Hendl vgl. Mayrhofen, Genealogien 1, 38.
5) Die genauere Einordnung Margarethes in die Genealogie der Herren von Weichs ist vorerst unklar. Eine Identifizierung als Margarethe Hendl, wie noch bei Schmitz-Esser, Herrschaftsrepräsentation 66f. und 81 vorgeschlagen, ist aber aufgrund des Inschriftentextes und des Wappens abzulehnen.
6) Fischnaler, Wappen-Schlüssel 3, 51; Hölzl, Gemeindearchive Landeck 30/6; Hölzl, Gemeindearchive Imst 24/16; Hölzl, Stadtarchiv Imst S55; Stolz, Landesbeschreibung 521 (demnach ist Jörg Pichler zwischen 1488 und 1493 als Pfleger in Imst greifbar) und 735; Comploy, Burgen 76 und 80. Nach Comploy wurde „Jörg Püchler“ 1488 durch Hans Neuhauser als Pfleger von Naudersberg abgelöst.
7) Resch, Monumenta 99. Vgl. dazu auch Brandstätter, Geschichte 24, der zu einem ähnlichen Schluss kommt.
8) Krumpöck, Bocksdorfer 53; Semper, Bocksdorfer 162 und Egg, Kunst in Innsbruck 35–50. Zu Sebald Bocksdorfer vgl. auch Kat.-Nr. 27, 140–142 und 160†. Dieser Zuschreibung an Bocksdorfer widersprach allerdings jüngst Miller, Bocksdorfer 86.
Literatur

Resch, Monumenta 99. – Comploy, Burgen 76 und 80. – Ammann, Kunst in Imst 42. – Ammann, Oberland 165. – Dehio Tirol 353. – Praxmarer, Imst (TKK). – Neumann, Kirchen 294. – Brandstätter, Geschichte 24. – Schmitz-Esser, Herrschaftsrepräsentation 66f. und 81.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 29,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/imst/tirol-1-obj29.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 45: Wappengrabplatte der
Margarethe von Weichs (1494)
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Gerhard Watzek)