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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Imst

31† Stams, Stiftskirche 1496

Zwei Grabinschriften für Erzherzog Sigmund von Österreich, noch im frühen 17. Jahrhundert an nicht näher bekanntem Standort in der Stiftskirche. Während der erste Text vielleicht die Inschrift eines steinernen Grabdenkmals war, dürfte die zweite Inschrift nach Primisser offenbar „an einem Schilde gemahlt“ gewesen sein1).

Text nach Gay, Historia I, cap. 11, 92–93 (I) bzw. Stiftsarchiv Stams G VIIa n. 2 (Handschrift auf Papier, um 1530) (II).


Textedition
			

I. Faelix prae mente ferens Deum homo, Faelix qui suum praevidebit finem, Faelix quem cautum reddit alienum patens sepulchrum. Anno milleno quaterque centeno, Nongesmo sexto, die Martii quarta, Romana dum Rex Maximilianus Sceptra tenebat. Archidux obiit Austriae Sigmundus, Comes Tyrolis, cuius genus, forma Virtus et arma regiam testantur nobilitatem. Vtraque Coniunx ortu generosa, Cubat hic prior, Scotiae regina, Saxonum stirpe reliqua ducali Principem ornant. Hic licet terras regeret opimas, Et pace cunctis, donoque placeret, Nil horum iuvat, Heros hic putrescit, Sequere dixit. II. Quam stirps vana hominum sita) nobilitata per orbema) Quam stemma attollensa) Formaque fluxa magisa) Labilis atque etiam plusa) quaeb) generosa Viragoc) Gloria nempe virens concomitatur easd) Denique ab interitu nec vindicet ardua Virtuse) Aetatem extendat fabula seu minuatf) Vnusg) in orbe doceta) praeclara insignia cuius Sigmundi legis hic Principis Austriacih) Huic quamquami) iunxitj) Reginam Scotia nuptama) Quae cubat a dextris Coniugisk) Vmbral) suim) Altera Sassoniaen) Dux inclyta stemmate et auro Frigida calda seni membra tepore fovito) Non tamen immunem mortis fera Parca manere Passa fuita) quin et disceret ille morif) Quin et pacificusp), largusa) se digna supremo Fine canat,m) siquidem nunc eademque canith) Nam cum millesimus,p) quater et centesimus annus Extaret sexto iamq) nouiesr) decimim) Martius effudit quarta sub luce decentem Herois vocema) morte sonorus atrah) Ter foelixs) ille est solus vereque beatusa) Qui toto Numen pectore ferre soleth) O fortunatumt) crebro cui personat auremf) Temporis hoc puncto desinis esse carou) Sic homini certe spirantia busta loquuntur,f) Efferor,f) et funusa) qui legisv) ista veni.

Anmerkungen
a) Primisser, Grabstatt § 652: hinter dem Wort ein Beistrich.
b) Primisser: quo.
c) Primisser: virago,.
d) Primisser: eas;.
e) Primisser: virtus,.
f) bei Primisser folgt Doppelpunkt.
g) Primisser Unus.
h) Primisser: Punkt am Zeilenende.
i) Primisser: quanquam.
j) Primisser: junxit.
k) Primisser: conjugis.
l) Primisser: umbra.
m) bei Primisser folgt Strichpunkt.
n) Primisser: Saxoniae.
o) Primisser: fovet:.
p) kein Beistrich bei Primisser.
q) Primisser: jam.
r) Primisser: novies.
s) Primisser: felix.
t) Primisser: Fortunatum,.
u) bei Primisser folgt Ausrufezeichen.
v) legis in der Handschrift von gleicher Hand gestrichen und korrigiert in vides.

Glücklich der Mensch, der in seinem Denken Gott voranstellt, glücklich, wer sein Ende vorhersieht, glücklich, den das offene Grab eines anderen vorsichtig macht. Im Jahr 1000 und viermal 100, 90 und sechs, am vierten März, als König Maximilian das römische Szepter innehatte, starb Erzherzog Sigmund von Österreich, Graf von Tirol, dessen Stamm, Gestalt, Tugend und Kriegstaten den königlichen Adel belegen. Beide Ehefrauen, von edlem Geblüt – die erste, Königin von Schottland, ruht hier, die andere aus herzoglich-sächsischem Geschlecht – sind eine Zierde des Fürsten. Hier – auch wenn er herrliche Ländereien regierte und durch seine Friedensliebe und Freigiebigkeit allen lieb war; nichts von all dem hilft – hier verwest der Held. Er sprach: folge mir! (I)2).

Wie ein nichtiger Menschenspross auf der ganzen Erde berühmt geworden ist, wie eine sich hochrankende Stammreihe und unbeständige Schönheit ziemlich hinfällig ist, und umso mehr, wenn die edle Jungfrau namens Ruhm diese grünend begleitet, wie letztlich vor dem Untergang auch nicht hochragende Tugend rettet, die Erzählung das Alter verlängert oder verkürzt, das lehrt auf der ganzen Welt nur der eine, dessen hehre Wappen du hier siehst, des österreichischen Fürsten Sigmund. Wiewohl ihm Schottland seine Königin durch Heirat anverband, die als Schatten an der Seite ihres Gemahls liegt, die andere, eine Herzogin von Sachsen, berühmt durch ihre Abkunft und ihr großes Vermögen, dem Greis die kalten Glieder mit Glut erwärmte, duldete doch die grausame Parze nicht, dass er vom Tod gefeit blieb, so dass er vielmehr zu sterben lernte und dass er, friedliebend und freigiebig, in seinem Tode ihm Würdiges verkünden konnte, zumal auch sie jetzt dasselbe verkündet, denn als das 1400. Jahr, neunmal der Zehner und die sechs angebrochen war, erstickte der durch den schrecklichen Tod klangvolle Mars am vierten Tag die angemessene Rede des Helden. Dreimal selig ist alleine der und wahrhaft glücklich, der im ganzen Herzen Gottes Willen zu tragen pflegt. O glücklich, dem oft ans Ohr dringt: an diesem Zeitpunkt hörst du auf, Fleisch zu sein. So reden dem Menschen gewiss frische Grabhügel zu: ich werde zu Grabe getragen, und du, der du dies liest, komm zum Begräbnis (II).2)

Sapphische Strophe (I), Elegische Distichen (II).


Kommentar

Erzherzog Sigmund, für den das hier edierte Epitaph in Stams gefertigt wurde, starb am 4. März 1496. Bereits 1490 hatte Sigmund zugunsten Maximilians I. auf die Herrschaft in Tirol verzichtet, nachdem er mehr als fünfzig Jahre die Geschicke Tirols geleitet hatte.

Die Ereignisse um Sigmunds Tod und Beerdigung sind bei den Stamser Chronisten ausführlich dargelegt: Als Sigmund im Frühjahr 1496 ernstlich erkrankte, legte er die Beichte ab und empfing die Sterbesakramente. Da die herbeigerufenen Ärzte keinen anderen Rat mehr zu geben wussten, rieten sie zu einer Prozession zur Hl. Maria in Wilten. Am 4. März, gegen die elfte Stunde am Vormittag, starb Sigmund. In einem großartigen Leichenzug wurde sein Leichnam am folgenden Samstag in die Innsbrucker Pfarrkirche St. Jakob (den heutigen Dom) gebracht und vor dem Altar des Hl. Nikolaus aufgebahrt. Am Sonntag wurde der verstorbene Landesfürst dann nach Stams überführt und dort, bekleidet mit dem Erzherzogshut („pileo Archiducali“) und einem Kleid aus roter Seide, in der von ihm neu errichteten Fürstengruft neben seiner ersten Frau Eleonora von Schottland beigesetzt. Die Eingeweide Sigmunds verblieben in der St. Jakobs-Kirche in Innsbruck, wo sie ihrerseits beigesetzt wurden3).

Über die Rolle von Sigmunds Nachfolger Maximilian bei dieser Beisetzung berichten die Stamser Chronisten: So überliefert Primisser, Maximilian habe den Erzherzogshut und die drei Pferde, die den Schlitten mit dem Leichnam des Erzherzogs gezogen hätten, umgehend zurückgefordert; nach Lebersorg habe Maximilian mehr noch auch die Herausgabe des roten Samtkleides, in das der Tote gehüllt war, verlangt4). Diese Geschichte scheint, trotzdem selbst Lebersorg sich über ein solches Verhalten Maximilians wunderte, wahr zu sein. Nicht nur, dass wir sie bei beiden Stamser Chronisten vorfinden; Primisser gibt dazu auch das Antwortschreiben des Abtes von Stams an Maximilian wieder, in dem dieser verspricht, dem Ansuchen des Landesfürsten insofern zu entsprechen, als dass er ihm die drei Schlittenpferde zurücksende5). Allein, das rote Samtkleid wurde Maximilian nicht ausgehändigt6). Glauben wir der Beschreibung Lebersorgs, so hatte man anlässlich des Begräbnisses Erzherzog Sigmunds auch zahlreiche Schilde mit den Wappen der dem Haus Österreich unterworfenen Länder im Chor der Konversen aufgehängt und Fahnen aus schwarzer Seide mit denselben Wappendarstellungen an der Wand der Kirche aufgehängt7). Im zweiten Epitaph werden die beiden Frauen Sigmunds, Eleonora von Schottland und Katharina von Sachsen, genannt; mit ihnen hatte er keine männlichen Nachkommen, die sein Erbe hätten antreten können. Katharina von Sachsen heiratete nach dem Tod Sigmunds erneut, diesmal Herzog Erich I. von Braunschweig-Kalenberg8). Sowohl Eleonora von Schottland als auch Katharina von Sachsen sind als Stifterinnen für das Stift Stams mehrfach belegbar9).

Die Aufgeschlossenheit Sigmunds für die neuen geistigen Strömungen aus Italien wird in den hier edierten Epitaphien deutlich: Das klassisch anmutende Latein und das kunstvolle Versmaß deuten auf die humanistische Bildung des Dichters der Verse hin. Erzherzog Sigmund war in der Zeit seiner Vormundschaft durch Friedrich unter anderem von Eneas Silvius Piccolomini, dem späteren Papst Pius II., erzogen worden; nicht zuletzt diese Erziehung machte ihn mit dem Humanismus und den Ideen der Renaissance vertraut. Gerade die metrische Datierung des Todesdatums, das sich in beiden Inschriften vom Sigmund-Grab findet, entspricht der in der Frühzeit des Humanismus wieder aufkommenden Mode10); ein deutlich früheres Beispiel für eine metrische Datierung bietet die Grabinschrift Meinhards II. (Kat.-Nr. 3†).

Wann die beiden Inschriften vom Grabmal Erzherzog Sigmunds zerstört wurden, kann nicht mehr genau rekonstruiert werden. Zur Zeit der Abschrift aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die sich heute im Stiftsarchiv in Stams befindet, muss zumindest das zweite Epitaph aber noch vorhanden gewesen sein11). Offenbar lag auch Abt Paul II. Gay (1631–1638) noch das Original des ersten Epitaphs vor, was für dessen Erhaltung bis Anfang des 17. Jahrhunderts sprechen würde12).

1) Primisser, Grabstatt § 65.
2) Für die Übersetzungen der beiden lateinischen Inschriften danken wir Andreas Zajic (Wien) und Helmut Häusle (†) (Feldkirch-Tisis).
3) Primisser, Additiones V, 123; Primisser, Annales IV, cap. XXXI, § 28 und Primisser, Grabstatt § 65; vgl. Lebersorg, Chronik 222 (Haidacher 404f.) und Primisser, Index II, 29. Der Tod Sigmunds am 4. März ist auch im Nekrolog von Stift Stams vermerkt; Necrologium Stamsense 50.
4) „Porro pileus Archiducalis cum tribus equis, qui funus advenerunt, jussu regis Oenipontem remissus“; Primisser, Annales IV, cap. XXXI, § 28. Vgl. Primisser, Additiones V, cap. XXXI, 124 und Lebersorg, Chronik 222 (Haidacher 404f.). Die Übergabe der Pferde an die geistliche Gemeinschaft, die den Leichnam des Herrschers übernahm, spielte bei hochadeligen Bestattungen des Spätmittelalters eine wichtige Rolle; vgl. etwa die Anmerkungen dazu bei Giesey, Royal Funeral Ceremony 34f.
5) Primisser, Additiones V, cap. XXXI, 124.
6) Lebersorg, Chronik 222 (Haidacher 404f.).
7) Lebersorg, Chronik 222 (Haidacher 404f.).
8) Lebersorg, Chronik 222 (Haidacher 404f.). Vgl. Baum, Sigmund 521f.; Schmitz-Esser, Taler 237f. und 241–243; Schmitz-Esser, Persönliche Beziehungen; Schwennike, Stammtafeln 1, 45.
9) Dies geht etwa aus der Liste der Verluste durch die Plünderung von 1552 durch die Truppen des Moritz von Sachsen hervor, die sich bei Lebersorg findet. Danach seien zwei goldene Kaseln, eine Kasel aus braunem Samt und vier Levitenröcke gestohlen worden, die Eleonora dem Kloster gestiftet habe, sowie eine Kasel aus rotem Damast, die Katharina für die Mönche hatte anfertigen lassen; Lebersorg, Chronik 279 (Haidacher 524f.).
10) Kloos, Einführung 42.
11) Hs. auf Papier im Stiftsarchiv Stams von ca. 1530, Stiftsarchiv Stams G VIIa n. 2.
12) Gay, Historia I, cap. XI, 92f. Von Gay übernimmt den Text von Is. I auch Herrgott, Taphographia 209f.
Literatur

Stiftsarchiv Stams, G VIIa n. 2. – Putsch, Res Tyrolenses 172. – Lebersorg, Chronik 222 und 279 (Haidacher 404f. und 524f.). – Gay, Historia I, cap. XI, 92f. – Brandis, Geschichte 337. – Primisser, Grabstatt § 65. – Primisser, Annales IV, cap. XXXI, § 28. – Primisser, Additiones V, cap. XXXI, 124. – Primisser, Index II, 29. – Herrgott, Taphographia 209f. – Necrologium Stamsense 50. – Moeser/Dworschak, Münzreform 17. – Schwennicke, Stammtafeln 1, 45. – Baum, Sigmund 520–522. – Schmitz-Esser, Inschriften (2003) 73f. – Schmitz-Esser, Stift Stams 214f.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 31,
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Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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