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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Imst

39 Nassereith, Pfk. Hl. Drei Könige 1507

Taufstein, weißer Marmor (?), innen rechts unter der Empore, vermutlich aus dem Vorgängerbau der 1846/47 neu errichteten heutigen Pfk. stammend. In den leicht vertieften, nahezu quadratischen Feldern des oktogonalen Beckens sind acht tartschenförmige Wappenschilde erhaben herausgearbeitet. Der ebenfalls oktogonale, mehrfach profiliert abgetreppte Fuß bildet an der mit rautenförmigen Buckeln besetzten Basis unterhalb des Wolkensteinschen Wappens ein querrechteckiges Feld mit erhaben gearbeiteter Jahreszahl aus. Sie ist zusätzlich in schwarzer Farbe hervorgehoben. Der Stein weist am Übergang zur Basis einen sekundär verfugten, horizontalen Schnitt auf, der ein Hinweis auf eine spätere Manipulation etwa im Zuge eines Transports an den heutigen Standort sein könnte.

Bu. 6 cm.


Textedition
			

1507

Wappen1): Wolkenstein2), Schrofenstein3), Melauner4), Tänzl5), Laubenberg6), Winden oder Freiberg7) (?), Österreich (Bindenschild), Landgericht Imst9).


Kommentar

Der horizontale Schnitt am Hals des Taufbeckens legt den Schluss nahe, dass das Becken mit den Wappen einstmals anders gedreht über der Basis mit der Inschrift gestanden haben könnte. In diesem Fall könnte man den Bindenschild als Anfang der Wappenreihe annehmen, der damit einstmals prominent über der Jahreszahl gestanden hätte. Diese Vermutung wird durch die Neigungen der acht Schilde gestützt: Während der Bindenschild senkrecht ausgerichtet ist, sind die umliegenden Wappen der Winden oder Freiberg9) und von Imst dem Bindenschild zugewendet und gelehnt. Eine ähnliche Gruppe bilden das Wappen der Tänzel (senkrecht) und die Wappen der Laubenberger und der Melauner, die diesem zugewendet und gelehnt sind. Da die Achtzahl des Weihwasserbeckens nur zwei Dreiergruppen zugelassen hat, wurden die Wappen der Schrofensteiner und der Wolkensteiner ohne Mittelwappen einander zugewendet dargestellt. Der Taufstein legt also einen Akzent auf den Bindenschild und das Wappen der Tänzel.

Die Wappen der Tänzl und der Laubenberg beziehen sich vermutlich auf Simon Tänzl, Gerichtsherren und Gewerken in Imst und Schwaz, und seine Frau Genofeva von Laubenberg. Seine Mutter war Christina Melauner. Die Wappen der Wolkenstein und Schrofenstein sind offenbar dem Oswald von Schrofenstein und seiner Gattin Praxedis von Wolkenstein zuzuordnen10).

Der Taufstein wird dem Meister Jakob von Tarrenz zugeschrieben. Er hatte als vormaliger Mitarbeiter die Nachfolge des verstorbenen Meisters Jörg, der lange Jahre den Bau der Pfarrkirche in Imst geleitet hatte, angetreten. Neben seinen zahlreichen Kirchenbauten ist Jakob von Tarrenz auch als Steinmetz einer Reihe von Taufsteinen bekannt, die in einer Reihe mit dem Taufstein von Nassereith stehen. Die Taufsteine von Längenfeld (Pfarrkirche Hl. Katharina) und in Sölden (Pfarrkirche Mariä Heimsuchung) sind ebenfalls achteckig und tragen mehrere Wappentartschen. In Sölden finden sich darin der österreichische Bindenschild, das Wappen der Frundsberger und das der Melauner, in Längenfeld der Bindenschild und das Wappen der Fraß11).

Der Schaft der 1 ist oben und unten gebrochen, die lambdaförmige 7 besteht aus zwei Schrägschäften.

1) Die Wappen werden im Uhrzeigersinn beschrieben, wobei der erste (Wolkensteinsche) Wappenschild über der Jahreszahl liegt.
2) Si Tir 19 und Taf. 23 (Wappen 3 [Wolkenstein-Trostburg]) bzw. Bay 24b und Taf. 20 (I. Wappen; jedoch ohne Herzschild), vgl. auch Württembergisches Adels- und Wappenbuch 1085.
3) Ein Steinbockkopf bzw. -rumpf.
4) Schräggestellter Pfeil.
5) Si Tir 16 und Taf. 19 bzw. Bay 60 und Taf. 63 (Stammwappen), vgl. auch Württembergisches Adels- und Wappenbuch 795.
6) Si1, 111; jedoch linksgewendet; vgl. auch Württembergisches Adels- und Wappenbuch 439f.
7) Geteilt, unten drei Sterne; s. näher Anm. 9.
8) Gespalten, rechts ein Kreuz, links ein Balken. Zu diesem Wappen vgl. ausführlicher Hye, Wappen 143.
9) In der Literatur (u. a. Hye, Wappen Abb. 6) wurde stets angenommen, es handle sich um das Wappen der Freiberger. In diesem Fall müßte es sich jedoch um die bayerische Linie des Geschlechts (zu Mietingen-[Hohen-]Aschau) handeln, die abweichend von der schwäbischen (Stamm-)Linie Sterne statt Kugeln als Figuren verwendete, vgl. Si Bay 35 und Taf. 32 bzw. BayA1, 12 und Taf. 9 (Stammwappen) und Württembergisches Adels- und Wappenbuch 199; das Wappenbild entspricht jedoch ebenso jenem der Familie Winden, wie es sich etwa am Westportal der Landecker Pfk. findet (vgl. Kat.-Nr. 154)
10) Mayrhofen, Genealogien 2, 188 und 7, 114. Vgl. Egg, Imster Bauhütte 274.
11) Ammann, Oberland 207–208 und 339; Egg, Imster Bauhütte 273–274. Vgl. auch Hye, Wappen 13.
Literatur

Atz, Kunstgeschichte 620–621. – Hochenegg, Kirchen 194. – Egg, Imster Bauhütte 271–276. – Ammann, Oberland 207–208, 251 und 339. – Dehio Tirol 545. – Hye, Wappen 13, 143 und Abb. 6, 450–451.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 39,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/imst/tirol-1-obj39.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
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