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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Imst

43 Längenfeld, Pfk. Hl. Katharina 1518

Bauinschrift (?), roter Sandstein, außen unter dem Gesims des südöstlichen Strebepfeilers des Langhauses. Der Pfeiler zeigt an der Stirnseite am oberen Ende drei Symbole: einen in den Stein vertieften sechsstrahligen Stern, einen etwas kleineren, erhaben gearbeiteten, durch Wellenlinien dreigeteilten Kreis, sowie eine wiederum etwas größere vertieft gearbeitete fünf blättrige Rosette. Zwischen den beiden äußeren Ornamenten bzw. unterhalb des mittleren Ornaments befindet sich eine erhaben gearbeitete Jahreszahl (I). Unmittelbar darunter, in einer mit Rundstab und Hohlkehle profilierten, stark vertieften hochrechteckigen Nische, im Halbrelief ein Wappenschild. Unterhalb des Schildes drei vertieft erhaben gearbeitete Buchstaben (II).

Bu. 8 cm (I) und 9–10 cm (II). – Majuskelmischschrift (II).


Textedition
			

I. 1518 II. LOE

Wappen: unbekannt1).


Kommentar

Diese Längenfelder Inschrift, die aufgrund der Datierung in Zusammenhang mit dem Umbau der Kirche durch Jakob von Tarrenz von 1518 gebracht werden kann, gibt in mehrerlei Hinsicht Rätsel auf. So ist die Bedeutung des Wappens umstritten. Die ältere Literatur ging davon aus, dass es sich dabei um das Wappen des Dompropstes zu Trient, Ulrich Kneußl, handelte, doch war dieser 1518 sicherlich schon mehr als fünfzehn Jahre lang verstorben2). Ebenfalls nicht überzeugend ist die Deutung der neueren, kunsthistorischen Literatur, die hier das Wappen einer Schneiderzunft erkennen will. Zwar sind an der Seitenfläche des Strebepfeilers ein Gamsgehörn und drei gekreuzte Fische in einem Kielbogen, sowie darüber ein in einen Kreis eingeschriebenes Pentagramm und ein Blütenfächer eingemeißelt, die eventuell als Wappen der Jäger und Fischer gedeutet werden könnten. An der Langhauswand der Kirche finden sich überdies weitere Zeichen, die von Ammann und Egg der Schmiedezunft zugerechnet werden: Eine Zange und ein Hufeisen sind seitlich der Kielbogenrahmung einer Nische angebracht3). Da es aber um 1518 in dem Dorf Längenfeld weder eine Schneider- noch eine Schmiedezunft gegeben haben kann (Zünfte bildeten sich ja in den größeren Städten heraus), ist diese Deutung ebenfalls abzulehnen. Eher wäre an eine lokale Werkstätte von Möbelschnitzern zu denken, wofür insbesondere das bei dieser Inschrift vorkommende Fischmotiv sprechen könnte, das sich auch an mehreren Ötztaler Truhen des 16. Jahrhunderts nachweisen lässt (vgl. Einleitung Kap. 8). Allerdings bleibt in solch einem Fall neben der generellen Unsicherheit der Zuschreibung auch die spätere Herstellung der Truhen als Problem bestehen: Die Längenfelder Möbelmacher könnten die Fische als typisch „Längenfelder“ Lokalmotiv von der Wand ihrer Pfarrkirche aufgegriffen haben, ohne dass darüber hinaus ein inhaltlicher Zusammen­hang zu Inschrift und Wappen an der Kirche besteht.

Als Kompositionsschema der Inschrift ist die Dreizahl erkennbar: So finden sich an der Oberseite drei Symbole über den Ziffern der Jahreszahl, und drei Buchstaben darunter in der Nische des Steines. Nach Dehio handelt es sich bei den drei Symbolen oben vermutlich um „Handwerks- und Meisterzeichen“4), doch sind solche Zeichen selten gegenständlich wie hier (etwa die Blüte, der Stern), sondern in der Regel abstrakt.

Die Dreizahl könnte dagegen auf die Dreieinigkeit anspielen; damit verriete sich die Inschrift mit ihrer Symbolik als aus dem kirchlichen Bereich stammend. Überträgt man diesen Ansatz auf das Wappen, so könnte es sich bei der Schere um ein Heiligenattribut handeln; nahe liegend wäre die Hl. Agathe, deren Verehrung gerade in der Diözese Brixen verbreitet gewesen ist5). Als Schutzpatronin gegen Feuer und Unwetter könnte man sie zusammen mit der Jahreszahl des Umbaus in Form dieser Inschrift um ihre Fürsprache für die neue Pfarrkirche angefleht haben. Die Buchstabenkombination LOE bleibt aber auch bei diesem Erklärungsversuch unaufgelöst. Die auffällige Majuskelmischschrift amalgamiert Elemente aus Gotischer Majuskel und Frühhumanistischer Kapitalis: L besitzt einen mächtigen, keilförmig bis zur Oberlinie verlängerten Sporn, das kapitale E einen leicht durchgebogenen, flach rechtsschrägen Mittelbalken. O ist spitzoval.

1) Gespalten, mit einer offenen Schere belegt.
2) Nach Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 3, 378 (vgl. Deininger, Denkmale 154) hatte der aus Burgstein in der Gemeinde Längenfeld stammende Kneußl den 1518 abgeschlossenen Neubau der Kirche in besonderem Maße gefördert; es handle sich bei dem Wappen um jenes des Ulrich Kneußl. Am Ende des 15. Jahrhunderts lassen sich zwei Dompröpste mit dem Namen Ulrich Kneußl festmachen, doch verstarb der eine bereits 1493, der zweite – tatsächlich aus Burgstein bei Längenfeld gebürtig – 1501; Santifaller, Trientner Domkapitel 98–101 und Lebersorg, Chronik 218 (Haidacher 398–399). Das für den älteren der beiden Kneußl bei Lebersorg belegte Wappen ist zwar gespalten, zeigt darüber aber einen roten Sparren (also keine Schere); Lebersorg, Chronik 218 (Haidacher 398f.; Abb. 167).
3) Ammann, Oberland 207 und Egg, Imster Bauhütte 273.
4) Dehio Tirol 460.
5) Wimmer, Kennzeichen 46 und 60f.
Literatur

Lebersorg, Chronik 214 und 218 (Haidacher 388–389 und 398–399). – Tinkhauser/Rapp, Beschreibung 3, 378. – Deininger, Denkmale 154. – Hochenegg, Kirchen 177. – Ammann, Oberland 206f. – Dehio Tirol 460. – Santifaller, Trientner Domkapitel 98–101.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 43,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/imst/tirol-1-obj43.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 53: Bauinschrift (1518)
©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Gerhard Watzek)