Die Inschriften des Bundeslandes Tirol
Politischer Bezirk Imst
48 |
Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum |
1543 |
Gedenktafel auf die Neuanlage der Fernpassstraße, Bronze (Inv. Nr. B 203). Die Tafel war ursprünglich am Kaplaneihaus auf der Höhe der Fernpassstraße angebracht und kam 1889 durch die k. k. Statthalterei als Geschenk an das Tiroler Landesmuseum1). Die quadratische, triptychonartig gestaltete Tafel zeigt in den beiden äußeren hochrechteckigen Feldern die einwärts gewandten und auf den Mittelteil verweisenden Standfiguren Kaiser Karls V. (links) und seines Bruders Ferdinand I. (rechts) in tief unterschnittenem Relief, jeweils auf einem quadratischen Postament mit von der Kollane des Ordens vom Goldenen Vlies umgebenen Wappenschilden unter Kaiser-(links) bzw. Königskrone. Das etwas breitere Mittelfeld trägt in mehrfach profiliertem Rahmen eine erhaben gegossene 15-zeilige Gedenkinschrift (I) und darunter, deutlich abgesetzt, eine ebenso gestaltete zehnzeilige Inschrift (II). Der durch Einrückung der Schriftblöcke nach rechts entstehende Freiraum am linken Rand wird durch je zwei Blattranken gefüllt. Oben ein flach segmentbogiger Aufsatz mit zentralem, stark bombiertem vollrunden Medaillon, flankiert von volutenartigen Ranken, am Unterrand des Mittelfelds ein von gleichartigen Ranken flankierter Wappenschild.
H. 88 cm, B. 87 cm, Bu. 2 cm (I) und 1,5 cm (II). – Kapitalis (I) und Gotische Minuskel (II).
Textedition
I.
CAROLOa) · QVINTO · AVSTRIACO · CESA=/REb) · CHRISTIANISSIMO ·
IMPERANTE / FERDINANDVSc) · ROMANORVM · HV=/NGARIEd) ·
BOEMIE · (ET)C(ETERA)e) · REXf) · INFANS / HISPANIARVMd) · ARCHI ·
DVXg) · AVST=/RIEh) · (ETCETER)Ai) · COMESj) · TIROLISk) ·
(ET)C(ETERA)l) · FRAT=/ER · SVBDITORVMm) · COMMODO · VS=/VIn) ·
ETo) · BENEFICIO · PROSPICIENSk) · H=/OCp) · OPVSd) · HOCq) · JTERr) · IN ·
DEIs) · NOM=/INE · EXACTO · STVDIO · ET · ORDINEt) · / NOBILIS · ET ·
IN · DVSTRYd) · VIRIu) · IACO=/BIk) · DE · THONNOv) · ERENBVRGYw) ·
PROx) · / TEMPORE · PREFECTI · ERE · PRO=/PRIO · EREXIT · ET ·
ABSOLVIT · AN=/NO · EIVSDEMd) · DOMINI · M · D · XLIII
II.
Beyy) · Zeitenz) · Kayseraa) · Karlenbb) · des · fünfte(n) / hat · seiner · Ma( jestät) ·
Bruedercc) · Künigdd) · ferdin=/annd · Regierender · Rö(mischer) · hungerischer ·
vn(d) / Behamischer · Künig · Jnfa(n)t · in · hispanie(n) · E=/rtzhertzog · zw ·
ostereich · (et)c(etera)ee) · graue · zucc) · Tyr=/ol · (et)c(etera)ee) · dise · strass · in ·
aigne(n) · cost(e)n · du(r)rch · antzaign / vnd · fleis ·Jr(er)· Ku(niglichen)cc) ·
Ma( jestät) · phleg(er) · zwff) · Erenberg / Jacoben · von · Thun · dem · gemainen ·
nutzcc) / zwff) · guetgg) · von · neuemhh) · machenii) · Lassennjj) / · 1 · 5 · 43kk) ·
Anmerkungen
Wappen: Kaiser Karl V., König Ferdinand I., Thun3).
Kommentar
Anlass der Errichtung dieser Gedenkinschrift war die Fertigstellung (bzw. Erweiterung) der Hauptverkehrsstraßen über den Fernpass und der Nebenstraßen über Lermoos und Ehrwald nach Hohenschwangau unter Ferdinand I. Als Kaiser zeigt Karl V. auf die lateinische Inschrift, Ferdinand I. als König auf den deutschsprachigen Text4). Diese Unterscheidung wird auch durch den Wechsel der Schrift betont (Kapitalis für den lateinischen, Gotische Minuskel für den deutschen Text). Beim Schriftwechsel handelt es sich folglich nicht nur um einen Ausdruck des Sprachwechsels5), sondern auch um eine Schrifthierarchisierung: Die Kapitalis mit dem lateinischen Text wird der Gotischen Minuskel vorgezogen, indem dieser Textblock oben positioniert und der Sphäre des Kaisers zugeordnet wird, während der deutsche Text dem hierarchisch untergeordneten König zugerechnet wird und dieser Logik folgend unten erscheint.
Das kleinere Wappen unter dem Schriftfeld gehört dem Pfleger von Ehrenberg, Jakob von Thun, der sich um den Ausbau des Straßennetzes am Fernpass besonders verdient machte. Er war mit Margarethe von Spaur verheiratet und der Sohn des Anton von Thun zu Katzenzungen. Vor 1560 muss Jakob bereits verstorben sein. Sein Titel bezieht sich auf die Burg Ehrenberg bei Reutte, die 1546 von den Truppen des Schmalkaldischen Bundes angegriffen wurde6); Jakob von Thun blieb nach der überraschenden Besetzung der Klause durch das feindliche Heer nur mehr die bedingungslose Übergabe des Schlosses. Der Verlust dieser strategisch so wichtigen Position führte zu seiner Absetzung als Pfleger der Feste7).
Das Modell für die Bronzetafel stammt von Veit Arnberger (gest. 1551), den Guss führte Gregor Löffler (um 1490–1565) durch. Arnberger war seit 1542 Innsbrucker Bürger und arbeitete eng mit dem Gießer Gregor Löffler zusammen; so fertigten sie gemeinsam die Statue König Chlodwigs für das Maximilians-Denkmal in der Innsbrucker Hofkirche8). Zur Fertigung der Figuren Karls V. und Ferdinands I. auf der Tafel vom Fernpass könnte den beiden Künstlern eine Vorlage aus der Werkstatt Jakob Seiseneggers gedient haben9).
Literatur
Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol Politischer Bezirk Imst Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum • Gedenktafel • Neuanlage der Fernpassstraße • Bronze • Kapitalis • Gotische Minuskel •
Arnberger, Veit •
Chlodwig •
Ferdinand I. •
Karl V. •
Löffler, Gregor •
Seisenegger, Jakob •
Spaur, Margarethe •
Thun, Anton •
Thun, Jakob •
•
Ehrenberg •
Ehrwald •
Fernpass, Kaplaneihaus •
Hohenschwangau •
Innsbruck, Landesmuseum Ferdinandeum •
Lermoos •
Reutte
Abbildungen
Abb. 57: Gedenktafel (1543) ©
ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotografin: Renate Kohn)
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Zur Regierungszeit des Allerchristlichsten Kaisers Karls V. von Österreich hat (sein) Bruder Ferdinand, der römische, ungarische und böhmische König etc., Infant von Spanien2), Erzherzog von Österreich etc., Graf von Tirol etc., zum Vorteil der Untertanen, zu (ihrem) Nutzen und als Wohltat vorausschauend dieses Werk, diesen Weg im Namen Gottes auf Anregung und Planung des edlen und tatkräftigen Herrn Jakob von Thun, derzeit Pfleger von Ehrenberg, mit seinem eigenen Vermögen errichtet und vollendet im Jahre desselben Herrn 1543 (I).