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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol
Politischer Bezirk Imst
61 |
Wenns Nr. 52 |
1576, 1608 |
Malerische Gesamtausstattung der Nord- (Giebel-) und Ostfassade des sog. „Platzhauses“ mit erklärenden Beischriften, Jahreszahlen, Namensinschrift, Monogramm und Wortdevise, Wandmalerei. Massive gemalte Ortsteinquader, jeweils über Eck wechselnd mit gemalten Wappenschilden belegt bzw. als Diamantbuckelquader ausgeführt. Alle Fenster mit breiten, illusionistisch gemalten Rahmungen mit Renaissanceornamenten versehen. An der Giebelseite des dreigeschossigen Mittelflurhauses (das rechte Gebäudedrittel mit ein bzw. zwei Fensterachsen als Seitenrisalit stark vortretend) im Erdgeschoß zwischen erstem und zweitem Fenster von links hochrechteckiges Bildfeld Hl. Christophorus, zwischen zweitem Fenster und Tür in der Mittelachse stehender nackter Mann, einen ausgerissenen Baum als Stab benützend (Herkules oder Wilder Mann?). Unmittelbar über dem Christophorus ein Vollwappen mit schwarz auf gefälteltem weißen Spruchband aufgemalter Wortdevise über dem Oberrand (I, Zeilenlinierung sichtbar), und gleichartig ausgeführter Namensbeischrift unter der Fersenstelle (II). Im ersten Obergeschoß, den gemalten Giebel des zweiten Fensters von links flankierend, zwei leicht nach innen gelehnte Wappenschilde. Unterhalb der Firstpfette zwischen den Dachbodenfenstern eine Darstellung des Haupts Johannes des Täufers, darunter eine Jahreszahl (III). An der Ostfassade zuunterst an der rechten Gebäudeseite Werbung für die Nächtigung im Gasthaus: ein an einem illusionistisch gemalten Nagel mit Strick angebundenes Pferd, rechts davon ein Stiefel, an der illusionistisch gemalten Konsole des darüber liegenden Fensters aufgehängt. Ganz rechts außen eine Meerkatze, auf der Kante eines Eckquaders sitzend. Darüber, zwischen zweitem und drittem Erdgeschoßfenster von links quadratisches Bildfeld Adam und Eva (Sündenfall), zwischen drittem und viertem Fenster Vertreibung aus dem Paradies. Darüber, zwischen Erdgeschoß und Obergeschoß, Abfolge von meist querrechteckigen Bildfeldern. Von links nach rechts ein Laubbaum, auf den ein Eichhörnchen vor dem den Stamm umklammernden Bären flüchtet; Jonas wird vom Wal verschluckt; Judith mit dem Haupt des Holofernes, am unteren linken Rand schwarz aufgemalte Beischrift (IV); ganz rechts Urteil Salomos, unmittelbar unter den Füßen Salomos schwarz aufgemalte Beischrift (V). Im Obergeschoß ganz links annähernd quadratisches, sekundär aufgemaltes Bildfeld mit Kreuzigungsgruppe, am Unterrand schwarz auf weiß aufgemalte Jahreszahl und Initialen (VI); zwischen erstem und zweitem Fenster von links querrechteckige, zum ursprünglichen Programm gehörende Darstellung Tod des Reichen Prassers, am Unterrand zweizeilig schwarz auf weiß aufgemalte erklärende Beischrift (VII); zwischen zweitem und drittem Fenster von links Reicher Mann und Armer Lazarus, am Unterrand vierzeilig schwarz auf weiß aufgemalte erklärende Beischrift (VIII). Restaurierungsmaßnahmen haben an manchen Stellen zu einer Beeinträchtigung des originalen Schriftcharakters geführt.
Bu. 5 cm (I), 6 cm (II), 20 cm (III), ca. 3 cm (IV), 3,5 cm (V), 2 cm (VI), ca. 9 cm (VII), 4 cm (VIII). – Fraktur (I, II, VII und VIII) und Kapitalis (IV–VI).
Textedition
I.
· 15 // · Gott Allain Die A͜Eera) · // 76b)
II.
· Christoff · Gennebeinc) ··
III.
· 1576d) ·
IV.
· IVDITH · XIII. ·
V.
· I · R[E]GVMe) · III [·]
VI.
16 OS [.] E 08f)
VII.
Hie stirbt der Reich ist aus sein prachtg) ·
Das er den Armen hatt verachth) · /
Darumb mues er in die holle peing) ·
O mensch lass dier ain warnung seinnh) ·
VIII.
Lucas am 16 duet geschriben stan, /
Ain gleichnus von aim Reichen manh) · /
Er dött khöstlich leben in seinen dageng) · /
dem Armen det er die prosen versagenh) ·
Anmerkungen
Wappen: Gennebein1), Österreich (Bindenschild), Tirol.
Kommentar
Das so genannte „Platzhaus“ war 1576 offenkundig im Besitz des Gerichtspflegers zu Imst, Christoph Gennebein ( Jenewein)2). Dass es schon zu diesem Zeitpunkt auch als Gasthaus fungierte, dürfte aus der an der Traufseite ganz unten angebrachten malerischen Werbung für die Nächtigung im Gebäude, die wohl demselben Zeithorizont zuzurechnen ist, hervorgehen. Ganz ähnlich war auch in Ötz der dortige Gerichtsanwalt Christian Rott zugleich Gastgeb (Kat.-Nr. 60).
Bei Betrachtung der Wandmalereien ist nicht von zwei grundlegend verschiedenen malerischen Ausstattungsphasen auszugehen. Die Fresken an der Giebelseite, die unter der inschriftlichen Datierung 1576 bewertet wurden, schreibt man dem Maler Alexander Maisfelder zu, der seit 1569 in Imst nachweisbar ist und zahlreiche Hausmalereien im Tiroler Oberland schuf3)). Die Wandmalereien der Traufseite können jedoch schon deshalb nicht auf 1608 datiert werden, da eine Verfälschung der Jahreszahl im deutlich manipulierten Bestand nicht auszuschließen ist. Die mit dieser Jahreszahl versehene kleine, qualitativ sehr bescheiden ausgeführte Kreuzigungsgruppe ist keinesfalls mit der übrigen qualitätvollen Wandmalerei in Beziehung zu setzen und scheidet daher auch als Datierungsansatz für das Gesamtprogramm der Ostseite aus. Aufgrund der wohl abzulehnenden Einordnung der Malereien auf 1608 wurde an den Imster Maler Alexander Fischer als ausführenden Künstler gedacht (vgl. Kat.-Nr. 95). Tatsächlich scheint der Vergleich mit den Wandmalereien am Haus des Sternwirts in Oetz (vgl. Kat.-Nr. 60) einen Zirkelschluss offen zu legen: Der richtig hergestellte Bezug beider malerischen Monumentalprogramme (vgl. neben übereinstimmendem Formenrepertoire der architektonischen Gliederung, etwa der Fensterrahmungen usw., auch die an beiden Häusern angebrachten kleinformatigen Darstellungen von Meerkatzen) führte zwar zum zweifellos zutreffenden Postulat eines gemeinsamen Künstlers, doch wurde in beiden Fällen auf die wohl nur für kleinere sekundäre Ergänzungen zutreffende Spätdatierung in das frühe 17. Jahrhundert abgehoben. Tatsächlich sind wohl beide Ausstattungsprogramme im Wesentlichen in die 1570er Jahre zu setzen.
In den Inschriften des Wennser Hauses sind mehrmals Bibelzitate enthalten, die sich auf die entsprechenden Fresken beziehen: Die Bemerkung am Beginn der Inschrift VIII nennt das 16. Kapitel des Lukasevangeliums, da dieses das Gleichnis vom armen Lazarus und dem reichen Prasser enthält (Lk 16,19–31). Inschrift IV verweist auf das 13. Kapitel des Buches Judith, in dem die Enthauptung des Holofernes durch Judith beschrieben ist; Inschrift V hingegen zitiert das Erste Buch der Könige, in dem von Salomons Urteil erzählt wird (1 Kön 3).
Literatur
Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol Politischer Bezirk Imst Wenns Nr. 52 • Malerische Gesamtausstattung • Beischriften • Jahreszahlen • Namensinschrift • Monogramm • Wortdevise • Wandmalerei • Fraktur • Kapitalis •
Fischer, Alexander •
Gennebein, Christoph •
Maisfelder, Alexander •
Rott, Christian •
Imst •
Oetz, Gasthof zum Stern •
Wenns, Platzhaus
Abbildungen
Abb. 63: Fassadendekoration (1576, 1608), Detail
Abb. 64: Fassadendekoration, Detail
©
ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Werner Köfler)
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1. (Buch der) Könige 3 (V).
Deutsche Reimverse (VII und VIII).