Die Inschriften des Bundeslandes Tirol
Politischer Bezirk Imst
80 |
Stams, Stiftskirche |
1616 |
Wappengrabplatte des Abtes Melchior Jäger, hellgrauer Marmor, innen im Chor an der Wand links neben dem Hochaltar. Der Stein befand sich ursprünglich vor dem Apostelaltar in der Apsis des im 18. Jahrhundert umgebauten nördlichen Seitenschiffes der Stiftskirche. Hochrechteckige Platte mit schmalem, durch einfaches Profil abgesetztem Rahmen. Im leicht vertieften Mittelfeld in den oberen zwei Drittel unter mitrenbekröntem und von einem Pedum linksschräg hinterlegtem Totenschädel samt flankierenden Schlangen ein Wappenschild (Allianzwappen in einem Schild) mit synkretistischer Beschlag- bzw. Rollwerkrahmung. Zuunterst eine ebenfalls erhaben gearbeitete, querrechteckige Kartusche mit sechszeiliger Inschrift in synkretistischer Beschlag- bzw. Rollwerkrahmung.
H. 184 cm (Kartusche 21 cm), B. 89 cm (Kartusche 49 cm), Bu. 2,1 cm. – Kapitalis.
Textedition
Anmerkungen
Wappen: Abt Melchior Jäger/Hochstift Brixen/Stift Stams1).
Kommentar
Die Wappengrabplatte wurde 1616 durch Abt Thomas Lugga (1615–1631), den Amtsnachfolger des verstorbenen Abtes Melchior Jäger, aufgestellt, wie aus der Inschrift hervorgeht und auch von den Stamser Chronisten Gay und Primisser berichtet wird2).
Abt Melchior Jäger aus Schöffau (Bayern) war zwischen 1601 und 1615 Abt von Stift Stams. Er sorgte in besonderer Weise für die Restaurierung der Kirchen- und Klostergebäude und deren Ausstattung (so entstand etwa der Hochaltar unter seiner Amtszeit; Kat.-Nr. 78), wobei er die finanzielle Unterstützung Erzherzog Maximilians III. (des Deutschmeisters) erlangte. Der Abt förderte in besonderer Weise auch die Ordenszucht in seinem Kloster.
Von seinem Tod berichtet Primisser: Abt Melchior sei erkrankt und habe darauf von den Ärzten den Rat erhalten, sich in das Bad auf Kur zu begeben, „quod ad Sanctam Crucem dicitur extra civitatem Halensem“3). Dort habe er mehr seinen Geist als seinen Körper erneuern können und erlag seiner Krankheit am 15. Juni 16154).
Überdeutlich zeigt die Grabplatte des Abtes Melchior Jäger die für die Sepulkralkunst dieser Zeit typische Vanitas-Symbolik: Der große Totenschädel unter der Mitra und die an diesem nagenden Schlagen sollen den Betrachter als „memento mori“ daran erinnern, dass auch sein Dasein auf der Erde sein Ende finden wird.
Literatur
Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser
Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Austrian Academy of Sciences Press
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Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol Politischer Bezirk Imst Stams, Stiftskirche • Wappengrabplatte • hellgrauer Marmor • Inschriften des Totengedenkens •
Ferdinand II. •
Gay, Paul •
Jäger, Melchior •
Lugga, Thomas •
Maximilian III. •
Primisser, Cassian •
Welser, Anna •
Hall in Tirol, Bäder in Heiligkreuz •
Schöffau
Abbildungen
Abb. 76: Grabplatte des Abtes Melchior Jäger (1616) ©
ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Gerhard Watzek)
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Hochverdient um den Glauben, das Vaterland, (seine) Mitbrüder und das Kloster starb fünfzigjährig, nachdem er fünfzehn Jahre regiert hatte, am 15. Juni des Jahres 1615 der ehrwürdige Herr (und) Vater, Abt Melchior. Ihm, der hier begraben wurde, setzte Bruder Thomas, (sein) Nachfolger, dieses Denkmal.