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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Imst

9 Umhausen, Pfk. Hl. Vitus 2. V. 14. Jh.

Wandmalerei Hl. Christophorus mit erklärender Beischrift, außen an der Südwand, direkt neben dem westlichen Eckstrebepfeiler. Hochrechteckiges Bildfeld mit der frontal gestellten Figur des Heiligen, auf der linken Schulter den Christusknaben, in der rechten Hand einen an der Spitze Eichenlaub und Eicheln austreibenden Stab. Die an den beiden Längsseiten und der oberen Schmalseite angebrachte Umschrift ist in einen schmalen ockerfarbenen Streifen innerhalb einer vegetabilen Rahmung weiß aufgemalt und nach innen orientiert. Sie beginnt auf der linken und endet auf der rechten Längsseite jeweils etwa auf Höhe von Brust bzw. Schulter des Heiligen; die untere Hälfte der Wandmalerei wurde – soweit eine Beurteilung auf der Basis des heutigen Zustands möglich ist – nicht mit einer Inschrift versehen. Die Wandmalerei kam bei einer Restaurierung durch Franz Walliser 1964/65 zum Vorschein und wurde 1993 von Herta Kundratitz erneut restauriert1). Mehrere Fehlstellen im Bereich der Inschrift.


Bu. 4 cm. – Gotische Majuskel.


Textedition
			

· CHR(IST)OFERIa) · SA[NC]TI · FA[CIE]M · QVIC[V]MQVE [TV]/ETVRb) · // [ILLO NAM]QVE / DIE · NVLLO · LANOW[OR]Ec) · TENETVR ·

Anmerkungen
a) Nomen sacrum; Bestand: XPOFERI; als Trennzeichen am Beginn der Is. ein durchbrochenes Vierblatt, sonst vollrunde Punkte.
b) folgt Unterbrechung durch den Nimbus des Heiligen.
c) sic! offenbar verschrieben für LANGVORE; ursprünglicher Bestand vielleicht LANGWORE.

Wer immer das Gesicht des Hl. Christophorus anschaut, den wird an dem Tag sicher keine Not erfassen.

Hexameter mit zweisilbigem Endreim.


Kommentar

Die Wandmalerei wird von Kofler-Engl dem Künstler der danebenliegenden Darstellung einer Kreuzigungsgruppe zugeschrieben2). Der vorliegende Text mit dem zweizeiligen Reim lässt sich noch durch parallele Überlieferungen ähnlicher Christophorus-Sprüche ergänzen. Die Inschrift rekurriert auf den durch die populäre Vita des Heiligen begründeten Volksglauben, Christophorus schütze vor plötzlichem, raschem Tod3). Ein vergleichbarer Text findet sich zudem auf der bekannten Druckgraphik des sog. Buxheimer Christophorus aus der Zeit um 1450; auch hier steht der Gedanke, der Anblick des Hl. Christophorus schütze vor plötzlichem Tod, im Zentrum der Betrachtung4). Dass die Darstellungen dieses populären Heiligen häufig von einer erklärenden Inschrift begleitet wurden, zeigt auch eine der ältesten monumentalen Darstellungen des Themas vom Ende des 12. Jahrhunderts neben dem nordöstlichen Vierungspfeiler im Dom von Worms5). Dem Künstler in Umhausen stand jedoch eine Textvorlage des späten 13. Jahrhunderts Pate: Er hielt sich weitgehend an eine Inschrift, wie sie bereits im Codex Plut. 25 der Laurentiana von 1293 wiedergegeben wird. Dieser Spruch lautet „Christophori sancti speciem quicumque tuetur / Illo nempe die nullo languore tenetur“6). Dieser Text wurde mehrfach – im Gegensatz zum Umhauser Beispiel auch in deutscher Übersetzung – Christophorus-Darstellungen beigefügt, wobei eine Variante von einem Holzschnitt von 1423 bemerkenswert ist. Hier lautet der Spruch „Christophori faciem die quacumque tueris, / Illa nempe die morte mala non morieris“7). Aufmerksamkeit verdient hier die Variante mit „faciem“ statt „speciem“ in der ersten Zeile, was der Inschrift in Umhausen entspricht. Offenbar handelt es sich bei dem Vers der Druckgraphik um einen Aufgriff jener Variante des ursprünglichen Spruches, die auch der Künstler in Umhausen rund zwei Generationen zuvor verwandt hatte. Im Unterschied zum archaisch wirkenden, blockhaft statischen Christophorus steht die sorgfältig ausgeführte Inschrift mit ausgeprägter Flächigkeit (v. a. durch Bogenschwellungen, vgl. den hoch aufgeworfenen Balken von L) auf der Höhe der Zeit. An Einzelformen seien pseudounziales A mit gebrochenem Mittel- und beiderseits überstehendem Deckbalken, unziales M mit links geschlossenem Bogen neben symmetrischem unzialen M und unziales E mit feinem Haarschlussstrich genannt. T und V treten nur in kapitaler Grundform auf.

1) Kofler-Engl, Wandmalerei 233.
2) Kofler-Engl, Wandmalerei 140 und 233.
3) Vgl. dazu Rosenfeld, Christophorus, bes. 418–428; Gritsch, Christophorus-Bilder 77 und Schmidt, Handschrift 155f.
4) Der Spruch lautet hier: „Christofori faciem quacumque tueris / Illa nempe die morte mala non morieris“; vgl. dazu ausführlicher Schmidt, Handschrift 155f.
5) Der heute stark verrestaurierte Text lautete hier ursprünglich: P(ER) TE · STRENA · DATU͜ R · MO͜RBI · GEN(VS) OM(N)E / FUGATVR + A͜URA · FAMES · PESTIS · CHR(ISTI) · CHR(IST)O/FORE · TES(TIS); vgl. DI 29, Kat.-Nr. 30, etwas abweichend Winterfeld, Dom 15–17. Zur Verehrung des Hl. Christophorus vgl. allgemein Rosenfeld, Christophorus, wo auch gesondert auf die Verbreitung des Kultes in Tirol eingegangen wird.
6) Vgl. Rosenfeld, Christophorus 421. Rosenfeld nennt auch ein Beispiel (in Rossura) vom Anfang des 13. Jahrhunderts, das eine ähnliche Inschrift aufgewiesen habe; vgl. ebda, 421f.
7) Vgl. Rosenfeld, Christophorus 422.
Literatur

Kofler-Engl, Wandmalerei 140 und 233.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 9,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/imst/tirol-1-obj9.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
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Abbildungen

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Abb. 12: Wandmalerei
Hl. Christophorus (2. V. 14. Jh.)

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Abb. 13: Detail

©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Gerhard Watzek)