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Die Inschriften des Bundeslandes Tirol

Politischer Bezirk Landeck

122 Serfaus, Wallfahrtskirche Unsere Liebe Frau im Walde um 1360

Marienzyklus mit Beischriften, Wandmalerei, an den Chorwänden. Das einheitliche, heute jedoch stark fragmentierte Bildprogramm zeigt an der Nordseite die Verkündigung und die Geburtsszene. Zwar geht von dem vor Maria knienden Engel der Verkündigung noch ein Schriftband aus, doch ist von der Inschrift (wohl einst der Englische Gruß) kein lesbarer Rest mehr erhalten. Folgt man Kofler-Engl in der Rekonstruktion der verlorenen folgenden Teile, so war an der nächsten Wand des Chores der Marientod zu sehen; gegenüber sei eine Kreuzigung Christi zu ergänzen, an der Südwand des Chores schließt eine Anna Selbdritt den Marienzyklus ab1). Unter den bildlichen Darstellungen zieht sich ein einzeiliges weißes Schriftband mit schwarz aufgemalter Inschrift um den Chor herum. Von diesem Band sind nur mehr drei Abschnitte erhalten geblieben: ein kleines Fragment am Übergang zwischen Nord- und Ostwand (I) sowie die beiden Teile an der Ostwand unterhalb von zwei Stifterfiguren (links II, rechts III). Zwischen den beiden knienden Stifterfiguren befindet sich ein sekundär eingebrochenes, den ursprünglichen Zusammenhang störendes Fenster2). Ihrer noch deutlich erkennbaren Tonsur nach zu schließen handelt es sich um zwei Kleriker. Beide halten ein Spruchband in den gefalteten Händen; hinter ihrem Rücken verläuft je eine Inschriftenzeile mit Namensbeischrift (?). Aufgrund des sehr schlechten Erhaltungszustands sind jedoch nur mehr Teile der vier Inschriften zu entziffern (Spruchband des Stifters links IV; Inschriftenzeile hinter ihm links V; Spruchband rechts VI; Inschriftenzeile rechts VII). Die Fresken wurden – wie jene im Chorgewölbe (vgl. Kat.-Nr. 123) – im Zuge einer Restaurierung der Wallfahrtskirche 1960–1962 aufgedeckt und freigelegt3), sind jedoch überwiegend schlecht erhalten.

Bu. 7 cm (I–III), 2,5 cm (IV und VI), 4 cm (V und VII). – Gotische Majuskel.


Textedition
			

I. – – –]A · FACTA– – – II. – – –]ỊT[......]TORE[– – – III. LVCa) · VICARIO · IV. MI[SERERE – – – V. – – –]DUS · LVN · VI. MISE͜RE͜RE [MEI]b) DE[VS] VII. HEINRIC[(VS)]c) · DEd) · [– – –

Anmerkungen
a) sic! kein Kürzungszeichen erkennbar.
b) EI noch schwach erkennbar; vor M wohl Freiraum von etwa zwei Zeichen.
c) da zwischen C und dem folgenden Trennzeichen nur etwa ein Zeichen Platz findet, ist ein VS-Haken zu vermuten.
d) es folgt ein vergrößerter Anfangsbuchstabe mit einer links geschlossenen Bogenlinie samt eingestelltem Schaft mit begleitender Haarzierlinie.

Erbarme dich meiner, Herr (VI).


Kommentar

Die beiden Stifterfiguren lassen sich nicht mehr näher identifizieren; einer der beiden hatte – sofern sich Inschrift III auf eine der dargestellten Personen bezieht – offenbar die Funktion eines Vikars, wohl der ehemaligen Pfarrkirche, heute Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frau im Walde von Serfaus, der andere trug offenbar den Namen Heinrich. Ebenso muss der eigentliche Inhalt des umlaufenden Bandes unter den Chorfresken aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes ungeklärt bleiben.

Die Lesung der sechsten Inschrift durch Kofler-Engl mit IHS XPI (M)AT(ER)...DE... für Jesu Christi Mater Dei4), die auch Klien5) übernimmt, kann aufgrund des Buchstabenbestandes nicht gehalten werden. Das MISERERE entspricht dem Anfang eines üblichen Spruchbandes bei einer Stifterfigur; das nahe liegendste Vergleichsbeispiel findet sich in der Kreuzigungsszene im Langhaus der Wallfahrtskirche (vgl. Kat.-Nr. 121). Trotz des äußerst schlechten Erhaltungszustandes der Inschrift im Spruchband des gegenüberliegenden Stifters (IV) kann auch hier noch der gleiche Anfang der Inschrift mit MISERERE erkannt werden.

Die Inschriften – sie stammen offenbar von derselben Hand wie jene der Kreuzigungsszene an der Langhausostwand (Kat.-Nr. 121) – weisen überwiegend gedrängt positionierte und schmale, dabei jedoch bisweilen ausgeprägt flächige Buchstaben auf. I zeigt mehrfach Nodus in der Mittellinie und Ansätze zur Gabelung der Schaftenden, bei symmetrischem unzialen M sind linker und rechter Bogen unten nach außen gebogen, E und H begegnen in unzialer Form.

1) Kofler-Engl, Wandmalerei 147f.
2) An der Stelle des Fensters möchte Kofler-Engl für das ursprüngliche Programm eine thronende Madonna mit Kind annehmen, die von den beiden erhaltenen Stifterfiguren flankiert worden sei; Kofler-Engl, Wandmalerei 148 und 224.
3) Dehio Tirol 727; Kofler-Engl, Wandmalerei 222 und Klien, Kirchen (2002) 185.
4) Kofler-Engl, Wandmalerei 148 und 224.
5) Klien, Kirchen (2002) 191.
Literatur

Hochenegg, Kirchen 224f. – Ammann, Oberland 331. – Dehio Tirol 728. – Kofler-Engl, Wandmalerei 147–149 und 222–226. – Klien, Kirchen (2002) 190f.



Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser

Zitierregel:
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte, ges. u. bearb. v. Werner Köfler und Romedio Schmitz-Esser (Die Deutschen Inschriften 82. Band, Wiener Reihe 7. Band, Teil 1) Wien 2013, Kat. Nr. 122,
URL: hw.oeaw.ac.at/inschriften/tirol-1/landeck/tirol-1-obj122.xml

Die Deutschen Inschriften
Herausgegeben von den Akademien der Wissenschaften in
Düsseldorf · Göttingen · Heidelberg · Leipzig · Mainz · München
und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien
82. Band, Wiener Reihe 7. Band
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Die Inschriften der Politischen Bezirke Imst, Landeck und Reutte

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Austrian Academy of Sciences Press

 
Schlagworte
Die Inschriften des Bundeslandes Tirol  Politischer Bezirk Landeck  Serfaus, Wallfahrtskirche Unsere Liebe Frau im Walde   •  Marienzyklus  •  Beischriften  •  Wandmalerei  •  Gotische Majuskel  •  Heinricus  •  Klien, Robert  •  Kofler-Engl, Waltraud  •  Luc  •  Serfaus, Wallfahrtskirche

Abbildungen

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Abb. 95: Wandmalerei (um 1360)

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Abb. 96: Detail

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Abb. 97: Detail

©  ÖAW, Institut für Mittelalterforschung, Arbeitsgruppe Inschriften (Fotograf: Gerhard Watzek)